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Waffenexport an Ukraine: Scholz lässt Estland im Unklaren

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Pressekonferenz mit den Spitzen der drei baltischen Staaten. Foto: Christophe Gateau/dpa-Pool/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Pressekonferenz mit den Spitzen der drei baltischen Staaten. Foto: Christophe Gateau/dpa-Pool/dpa

Vor seinem Antrittsbesuch in Moskau stimmt sich Kanzler Scholz mit drei EU-Staaten ab, die an Russland grenzen. Doch trotz Solidaritätsbekundungen bleibt eine Frage auch nach dem Gespräch ungeklärt.

Berlin (dpa) – Die Bundesregierung lässt Estland weiter im Unklaren, ob es neun Artilleriegeschütze aus DDR-Beständen an die Ukraine liefern darf.

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sagte nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin, es gebe immer noch keine offizielle Antwort auf die Anfrage ihres Verteidigungsministeriums. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur zusammen mit „Politico“ äußerte sie sich skeptisch zu ihren Erfolgschancen. „Wenn man sich ihre öffentliche Meinung anschaut, sieht es eher danach aus, dass es ein Nein wird.“

Die neun Haubitzen waren von der Bundeswehr erst an Finnland abgegeben worden und dann von dort nach Estland gelangt. Es ist vertraglich geregelt, dass Deutschland einer Weitergabe zustimmen muss. Die mehr als drei Tonnen schweren Geschütze mit ihrem fast fünf Meter langen Kanonenrohr wurden in den 50er Jahren in der Sowjetunion entwickelt. Sie können feindliche Truppen oder Panzer auf eine Entfernung bis zu etwa 15 Kilometern treffen.

Waffenlieferungen als Symbol

Das Genehmigungsverfahren ist für diejenigen, die das deutsche Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine kritisieren, zum Symbol geworden. Die Bundesregierung lehnt die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine ab, weil sie grundsätzlich keine Waffen in Krisengebiete liefern möchte. Die Prüfung des Antrags läuft schon seit Ende Dezember. Kallas zeigte sich überrascht, wie heftig darüber diskutiert wird. „Wir fühlen uns ein bisschen unwohl, dass wir im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen“, sagte sie.

Scholz traf die Spitzen aller drei baltischen Staaten zum Abendessen, auch Litauens Präsidenten Gitanas Nauseda und den lettischen Ministerpräsidenten Krišjānis Kariņš. Vor dem Treffen sicherte er ihnen den Beistand Deutschlands zu. Das Baltikum sei unmittelbar betroffen von besorgniserregenden Militäraktivitäten Russlands, sagte Scholz. Die gemeinsame Haltung sei eindeutig: „Wir sind geschlossen und entschlossen.“ Mitten in der Ukraine-Krise hatten Russland und Belarus gemeinsame Militärmanöver begonnen.

„Wir nehmen die Sorgen unserer Verbündeten sehr ernst“, sagte Scholz. Die Botschaft laute: „Wir stehen an Eurer Seite. Das ist mir ganz wichtig.“ Die drei baltischen Staaten grenzen an Russland, Lettland und Litauen auch an Russlands Verbündeten Belarus. Scholz reist nächste Woche nach Moskau und Kiew.

Biden stellt Nord Stream 2 infrage

Die Ukraine-Krise war schon am Montag beim Antrittsbesuch des Kanzlers in den USA das Hauptthema. US-Präsident Joe Biden machte dabei sehr klar, dass eine russische Invasion der Ukraine das Ende der Gaspipeline Nord Stream 2 bedeuten würde. Scholz nannte Nord Stream 2 dagegen weiterhin nicht als Sanktionsoption beim Namen. Er betonte aber, dass alle Optionen auf dem Tisch seien.

Die Pipeline war auch beim Gespräch des Kanzlers mit den Balten ein Thema. Zur Frage, ob Scholz das Projekt wenigstens hinter verschlossenen Türen beim Namen genannt habe, sagte Kallas: „Wir haben verstanden, worüber wir geredet haben. Aber ich kann nicht sagen, ob er das Wort erwähnt hat.“ Die baltischen Staaten lehnen die Pipeline als Sicherheitsrisiko für Europa ab. „Verbindungen haben immer zwei Seiten. Wenn die eine Seite mit einem Gegner verbunden ist, dann kann diese Seite einen auch verletzen“, sagte die estnische Ministerpräsidentin.

Litauens Staatspräsident Nauseda hatte sich schon vor dem Gespräch mit Scholz enttäuscht über die ablehnende Haltung Deutschlands zu Waffenlieferungen gezeigt. In einem „Welt“-Fernsehinterview sagte er: „Um ehrlich zu sein, haben wir mehr erwartet. Aber wir verstehen natürlich die Gründe.“

© dpa-infocom, dpa:220211-99-72311/2


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