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Erstürmung des Kapitol: Trump weist Vorwürfe barsch zurück

William Barr (l) und Donald Trump auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2019. Trumps ehemaliger Justizminister hat mit deutlichen Worten die Wahlbetrugsbehauptungen des früheren US-Präsidenten kritisiert. Foto: Alex Brandon/AP/dpa
William Barr (l) und Donald Trump auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2019. Trumps ehemaliger Justizminister hat mit deutlichen Worten die Wahlbetrugsbehauptungen des früheren US-Präsidenten kritisiert. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Frappierende Zeugenaussagen und neue Details: Nach monatelanger Arbeit im Stillen zeigt der U-Ausschuss zum Angriff auf das Kapitol, was er zusammengetragen hat. Trump weist die Vorwürfe barsch zurück.

Washington (dpa) – Mehrere hochrangige Personen aus dem Umfeld des Ex-US-Präsidenten Donald Trump haben dessen Wahlbetrugsbehauptungen und Wahlsiegfantasien offen widersprochen.

Der Untersuchungsausschusses zur Erstürmung des US-Kapitols zeigte am Montag bei einer Anhörung im Kongress Video-Mitschnitte diverser nicht-öffentlicher Zeugenbefragungen, in denen sich mehrere frühere Regierungsmitglieder und Wahlkampfberater klar von Trumps Vorgehen distanzierten. Ex-Justizminister William Barr und andere bezeichneten Trumps Betrugsvorwürfe als „verrückt“. Barr sagte, der 75-Jährige habe wohl zunehmend „den Kontakt zur Realität verloren“.

Trump hat die Vorwürfe des Untersuchungsausschusses in einem mehrseitigen Dokument anschließend zurückgewiesen. Er warf dem Ausschuss vor, die „Justiz zum Gespött“ zu machen und entlastende Zeugen ausgeschlossen zu haben. In dem zwölfseitigen Schreiben, das auch etliche Fußnoten enthält, wiederholte Trump seine unbelegten Wahlbetrugsbehauptungen und Wahlsiegfantasien. Er warf den Demokraten und US-Präsident Joe Biden vor, das Land zu zerstören. „Die Demokraten (…) tun alles in ihrer Macht Stehende, um mich zu stoppen – aber wir können nicht aufgehalten werden“, hieß es darin.

Widerstand gegen den Wahlausgang 2020

Trump behauptet bis heute ohne Belege, er sei durch Wahlbetrug um den Sieg bei der Präsidentenwahl 2020 gebracht worden. Über Wochen versuchte er damals mit fragwürdigsten Methoden, den Wahlsieg seines demokratischen Herausforderers Joe Biden nachträglich zu kippen. Sein Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen gegen die Wahlergebnisse. Der Widerstand gegen den Wahlausgang gipfelte in der Attacke auf das Kapitol, die der Untersuchungsausschuss im Kongress aufarbeitet.

Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Am Rande der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben. Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Er musste sich danach einem Amtsenthebungsverfahren stellen, an dessen Ende er allerdings freigesprochen wurde.

Über Monate hatte der Untersuchungsausschuss hinter verschlossenen Türen Hunderte Zeugen befragt und große Mengen an Dokumenten und Beweismaterial gesichtet. Nun legt das Gremium in einer Serie von öffentlichen Anhörungen seine Erkenntnisse offen.

Ex-Minister Barr: Behauptungen „kompletter Schwachsinn“

Bereits in seiner ersten öffentlichen Sitzung in der vergangenen Woche hatte das Gremium Video-Mitschnitte einer Befragung Barrs gezeigt, in denen dieser Trump belastete. Nun folgten weitere kraftvolle Aussagen des Ex-Ministers. „Ich hatte das Gefühl, dass es vor der Wahl möglich war, mit dem Präsidenten vernünftig zu reden“, sagte Barr etwa. Nach der Wahl habe Trump aber nicht mehr zugehört. „Ich war etwas demoralisiert, weil ich dachte: Junge, wenn er wirklich an dieses Zeug glaubt, hat er den Kontakt zur Realität verloren“, sagte Barr über Trumps Wahlbetrugsbehauptungen.

Barr bezeichnete diese als „kompletten Schwachsinn“ und „dumm“. Er betonte: „Ich habe ihm gesagt, dass das Zeug, das seine Leute der Öffentlichkeit auftischen, Schwachsinn (Original: „Bullshit“) ist.“ Auch der frühere amtierende Vize-Justizminister Richard Donoghue sagte, er habe dem Präsidenten mehrfach gesagt, dass an den Wahlbetrugsvorwürfen nichts dran sei.

Frühere Berater widersprechen Wahlsieg-Behauptungen

Trumps damaliger Wahlkampfmanager William Stepien hätte eigentlich live als Zeuge bei der Anhörung am Montag auftreten sollen. Wegen der Geburt seines Kindes sagte er seine Teilnahme an der Sitzung jedoch kurzfristig ab. Gezeigt wurden stattdessen auch von ihm Video-Clips einer vorherigen Befragung. Stepien sagte darin, in der Wahlnacht sei es viel zu früh gewesen, irgendeinen Ausgang zu verkünden. Er habe Trump dazu geraten, genau dies beim Auftritt vor seinen Anhängern zu sagen und auf die laufende Auszählung zu verweisen. Trump habe dies jedoch anders gesehen. Der Republikaner hatte noch in der Wahlnacht den Sieg über Biden für sich beansprucht – ohne jede Grundlage.

Auch Trumps damaliger Wahlkampfberater Jason Miller sagte, er habe dem Präsidenten dazu geraten, keinen Sieg zu erklären, bis es eine bessere Übersicht über die Zahlen gebe. Miller berichtete von verschiedenen Szenen in der Wahlnacht im Weißen Haus. Als der Sender Fox News einen kritischen Sieg für Biden im Bundesstaat Arizona verkündete, habe sich Wut und Enttäuschung breit gemacht, und die Sorge, „dass unsere Zahlen vielleicht nicht korrekt waren“. Auf die Frage, ob jemand der Anwesenden zu viel Alkohol getrunken habe, nannte Miller den Namen Rudy Giuliani. Der frühere Bürgermeister von New York gehörte zu den großen Verfechtern der Wahlbetrugsbehauptungen an der Seite Trumps.

Verschwörungstheorien: Kritik an Giuliani

Mehrere Zeugen äußerten sich höchst kritisch über Giuliani und andere, die Trump im Feldzug gegen den Wahlausgang immer neue Verschwörungstheorien einflüsterten – unter anderem zu einer angeblichen technischen Manipulation bei der Stimmenauszählung. „Was sie vorschlugen, hielt ich für verrückt“, sagte etwa der frühere Trump-Anwalt Eric Herschmann. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner antwortete auf die Frage, ob er dem Präsidenten je seine Meinung über Giuliani gesagt habe: Er habe klar gemacht, dies wäre „grundsätzlich nicht der Ansatz, den ich an deiner Stelle verfolgen würde“.

Die nächste öffentliche Anhörung des Untersuchungsausschusses ist für diesen Mittwoch geplant. Einen Abschlussbericht will das im Gremium im September veröffentlichen.

© dpa-infocom, dpa:220613-99-641149/10


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