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Olympia in Deutschland? Sportspitzen erwägen Bewerbung

Thomas Weikert ist der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Foto: Michael Reichel/PA/DOSB/dpa
Thomas Weikert ist der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Foto: Michael Reichel/PA/DOSB/dpa

50 Jahre liegen die Olympischen Spiele von München zurück. Seither sind deutsche Bewerbungen reihenweise gescheitert. Jetzt setzen die Sportspitzen das Thema wieder auf die Agenda.

Die Lobbyarbeit des neuen DOSB-Präsidenten Thomas Weikert bei den Winterspielen in Peking hat seine Zuversicht für eine Bewerbung für Olympia in Deutschland gestärkt.

„Alle sind froh, dass wir international ein Comeback feiern“, sagte der 60 Jahre alte Chef des Deutschen Olympischen Sportbunds nach zahlreichen Gesprächen in Peking.

„Es ist realistisch, sich zu bewerben, aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen und das Internationale Olympische Komitee überzeugen, dass Deutschland ein guter Standort sein würde“, so Weikert. In den 50 Jahren seit den Sommerspielen von München gelang das nicht.

Sieben gescheiterte Bewerbungen

Siebenmal sind deutsche Bewerbungen seit 1986 ohne Erfolg geblieben, auch weil die Bürger wie beim Bemühen um die Winterspiele für 2022 mit München und um die Sommerspiele für 2024 mit Hamburg dagegen waren.

Der letzte Versuch der Rhein-Ruhr-Initiative für 2032 endete im Zerwürfnis des DOSB mit dem IOC unter Weikert-Vorgänger Alfons Hörmann, der internationale Beziehungen wenig pflegte.

Ermutigung für einen weiteren deutschen Versuch gibt es von IOC-Chef Thomas Bach. „Ich würde mich sehr darüber freuen“, sagte der 68-Jährige der Funke Mediengruppe. Auch der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Frank Ullrich, machte sich für eine Bewerbung stark.

„Dies würde nicht nur unserem Land guttun, sondern auch den Stellenwert des Sports in unserer Gesellschaft erhöhen“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

DOSB-Präsidium will sich mit Olympia-Thema beschäftigen

Der frühere Tischtennis-Weltpräsident Weikert will aber nichts überstürzen und eher nicht ins Rennen um die Winterspiele 2030 gehen, die schon sehr bald vergeben werden dürften.

„Das ist womöglich zu früh, weil wir nicht baden gehen wollen. Ich will es aber nicht ganz ausschließen“, sagte Weikert. Auf der nächsten Sitzung des DOSB-Präsidiums wolle man sich mit dem Olympia-Thema beschäftigen.

Die nächsten Optionen für eine Kandidatur wären die Winterspiele 2034 und der Sommer 2036, nachdem die Spiele 2032 schon früh im Zuge des veränderten IOC-Vergabeverfahrens an Brisbane gegangen waren.

„Wir wären prädestiniert für die Winter-Olympiade“, sagte Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbandes, auch aus Eigeninteresse. „Es wäre schon wünschenswert, möglichst bald mal wieder Winterspiele in Deutschland zu haben“, betonte er.

Bevölkerung soll überzeugt werden

Zuvor gelte es aber, die Bevölkerung vom Nutzen von Olympischen Spielen für die Infrastruktur und die Entwicklung des Sports zu überzeugen.

Entmutigen lassen sollte man sich durch die Absagen der Olympia-Projekte in München und Hamburg nach Bürgervoten nicht. „Die Hoffnung stirbt immer zuletzt“, sagte Steinle.

Vorstellen könnte sich Steinle auch, einen Co-Ausrichter ins Boot zu nehmen. „Es wäre ein Ansatz zu sagen: Wir machen eine Kooperation zwischen Deutschland und Österreich“, sagte er. „Die Sportstätten liegen ja nicht so weit auseinander, wenn wir als Beispiel Seefeld und Garmisch-Partenkirchen nehmen.“

Herausforderung 2036

Eine Kandidatur für 2036 mit Berlin, 100 Jahre nach den Nazi-Spielen, wäre eine ganz andere Herausforderung, „aber man kann das schon anpacken“, meinte Weikert.

Bei einer Bewerbung für 2036 sollte man nach Ansicht von Menschenrechtsexpertin Sylvia Schenk das Attentat von palästinensischen Terroristen in München 1972 auf israelische Athleten nicht vergessen.

„Das ist eine offene Wunde, die nie richtig bearbeitet wurde“, sagte die frühere Sportfunktionärin. 1936 habe Olympia missbraucht, 1972 habe Olympia ins Herz getroffen.

„Wir können nichts wieder gutmachen, haben aber für eine Bewerbung – insbesondere für das Jahr 2036 – eine hohe Verantwortung“, meinte Schenk. Diese gehe weit über die sportlichen Aspekte hinaus.

„Wenn wir uns das nicht bewusst machen, sollte man lieber die Finger von einer Bewerbung lassen“, warnte sie. „Für 2036 wieder nur eine Schmalspur-Bewerbung abzugeben, wie das bei den letzten deutschen Versuchen der Fall war, wäre eine Katastrophe.“

Auch Athleten wünschen sich Olympia-Vorstoß

Ob 2030, 2034 oder 2036: Auch unter dem Eindruck der umstrittenen Winterspiele in Peking wünschen sich Athleten und Sportfunktionäre einen neuen Olympia-Vorstoß.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass Deutschland es besser machen würde, definitiv“, meinte Karla Borger, die Präsidentin der Vereinigung Athleten Deutschland. „Olympische Spiele können Gutes für das Land bewirken. Ich sehe es als Chance.“

Auch Langläufer Jonas Dobler würde eine Initiative des DOSB begrüßen. „Ich würde es mir natürlich wünschen und denke, dass der Zug da nicht komplett abgefahren ist“, sagte er. „Im Moment ist das nicht vorstellbar, dass muss man aber auch sagen.“

Wenn Deutschland sich für Olympia bewerben sollte, dürfte das nicht ohne Einbeziehung der Athleten gemacht werden, forderte die achtmalige Olympia-Rekordstarterin Claudia Pechstein. Man sei nicht bei „Wünsch‘ dir was“ und sie dürfe immer noch nicht mitreden als Sportlerin, wohin die Olympischen Spiele vergeben würden.

DOSB-Chef Weikert weiß, dass eine Olympia-Bewerbung sehr gut vorbereitet sein und vieles berücksichtigt werden muss. Die Athleten, die Bürger, die Politik oder die Wirtschaft: „Da müssen alle an einem Strang ziehen und alles vernünftig auf die Reihe bekommen.“

© dpa-infocom, dpa:220221-99-222852/3

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