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Schiedsrichter: Gräfe und Matthäus fordern Reformen

Musste seine Karriere im Sommer 2021 wegen der Altersbeschränkung beenden: Schiedsrichter Manuel Gräfe. Foto: Axel Heimken/dpa
Musste seine Karriere im Sommer 2021 wegen der Altersbeschränkung beenden: Schiedsrichter Manuel Gräfe. Foto: Axel Heimken/dpa

Wieder einmal standen am Wochenende die Schiedsrichter in der Kritik. Ex-Referee Manuel Gräfe sieht den DFB in der Verantwortung und schlägt Urs Meier für einen Neustart vor.

Nach den Schiedsrichter-Fehlentscheidungen am Bundesliga-Wochenende wird die Kritik immer größer – auch am Deutschen Fußball-Bund.

Der frühere Top-Referee Manuel Gräfe macht eine jahrelange Fehlentwicklung im DFB für die Fehler verantwortlich und fordert einen „Neustart“.

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus schlägt nach „Entscheidungen, die so einfach nicht mehr zu akzeptieren sind“, ehemalige Profi-Fußballer als Unterstützung für den Video-Assistenten vor. Der DFB hatte selbst Fehler der Unparteiischen in zwei Partien eingeräumt.

Gräfe: „Zeit die Verantwortungsfrage zu stellen“

Am Samstag hatte wieder einmal die Rolle des Video-Assistenten in der Bundesliga für Kritik gesorgt. Beim Topspiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund (3:1) griff der VAR nach einem elfmeterwürdigen Foul von Benjamin Pavard gegen BVB-Profi Jude Bellingham nicht ein.

Beim 2:1-Sieg des 1. FC Union bei RB Leipzig meldete indes der Video-Assistent einen Tritt von Leipzigs Nordi Mukiele gegen den Berliner Niko Gießelmann, der Schiedsrichter revidierte seine Entscheidung aber nicht. Videobeweis-Projektleiter Jochen Drees erklärte in einer DFB-Mitteilung am Montag ein, dass in beiden Fällen falsch entschieden worden war.

DFB-Schiedsrichter-Chef Lutz-Michael Fröhlich nahm die Referees vor dem Saisonfinale derweil in die Pflicht. „Wir werden an den letzten drei Spieltagen in der Vorbereitung noch intensiver mit den angesetzten Schiedsrichtern arbeiten und auf die möglichen Fehlerquellen hinweisen, vor allem aber auch, um ihnen Ruhe und Sicherheit für ihre Spieleinsätze zu vermitteln“, sagte Fröhlich.

„Es wird Zeit, nachdem der DFB die Schiedsrichterei strukturell und personell zwölf Jahre gegen die Wand gefahren hat, die Verantwortungsfrage zu stellen“, schrieb Gräfe in einem Gast-Kommentar bei der Bild-Zeitung und ergänzte: „Wenn es in einem Verein oder in einer Firma über Jahre nicht funktioniert, wird auch irgendwann zu Recht die Managementebene zur Verantwortung gezogen.“

Die Schiedsrichter sind seit dem 1. Januar in einer ausgegliederten GmbH organisiert. Den Bereich „Sport und Kommunikation“ verantwortet Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich, um „Management und Organisation“ kümmert sich Abteilungsleiter Florian Götte. Der DFB ist mit 51 Prozent Mehrheitsgesellschafter, die Deutsche Fußball Liga ist ebenfalls Gesellschafter.

Gräfe: „Leistungsprinzip steht hinten an“

Es seien einfach zu viele und zum Teil klare Fehlentscheidungen, so Gräfe, der betonte: „Da sind wir wieder beim Leistungsprinzip, das seit Langem bei der DFB-Schiedsrichterführung leider hinten ansteht. Früher bei den Bossen Fandel und Krug, heute bei Fröhlich, Meyer und Drees.“

Es seien der DFB – und mittlerweile auch die DFL – gefordert, denn es könne nicht sein, dass diese Problematik der Bundesliga derart schade. „Fehlentscheidungen haben offensichtlich keine notwendigen Konsequenzen, da man lieber nach persönlichen, regionalen oder politischen Aspekten die Schiedsrichter für Positionen oder Aufgaben auswählt.“

DFB-Vertreter Fröhlich hat kein Verständnis für die massive Kritik von Gräfe. „Weniger konstruktiv schätzen wir die Form ein, wie ein ehemaliger Schiedsrichter die aktuelle Diskussion nutzt, um sich mit seiner persönlichen Meinung öffentlich einzuschalten, sagte er.

Gräfe, der im Sommer 2021 seine Karriere wegen der Altersbeschränkung beenden musste und deswegen mit dem DFB im Clinch lag, fordert einen „Neustart ohne diese politischen Einflüsse“. Der 48-jährige Berliner schlägt die Verpflichtung des früheren Schweizer Schiedsrichters Urs Meier vor, der „unabhängig und leistungsorientiert“ agieren könne.

Urs Meier reagierte interessiert auf den Vorschlag. „Ich schließe das nicht aus! Das wäre eine Aufgabe, die mir Spaß machen würde. Der deutsche Fußball ist mir sehr nahe“, sagte er der Bild-Zeitung.

Matthäus bringt Ex-Fußballer ins Gespräch

Lothar Matthäus könnte sich indes vorstellen, dass ehemalige Profifußballer als Unterstützung eingesetzt werden. Neu ist der Vorschlag nicht.

„Wir als ehemalige Fußballer können das deshalb besser bewerten, weil wir selber permanent und jahrelang in diesen Situationen waren und wissen, wie es aussieht, wenn man foult oder gefoult wird. Wie man fällt, wohin sich der Ball bewegt, wenn dieses oder jenes davor passiert. Und vor allem sehen wir es schneller“, schrieb Matthäus in einer Sky-Kolumne. Die Intuition von Ex-Fußballern sei in solchen Fällen eine andere.

Fröhlich zeigte sich offen für diese Idee. „Konstruktive Vorschläge von Fußball-Experten wie Lothar Matthäus nehmen wir gerne auf und auch wir streben einen verstärkten gemeinsamen Austausch mit weiteren Fußball-Experten, aktuellen und ehemaligen Spielern sowie Vereinsverantwortlichen an“, sagte er. Dies sei eine wichtige Ergänzung zu dem ohnehin bestehenden regelmäßigen Austausch mit den Clubs, den der DFB zuletzt deutlich intensiviert habe.

Gleichwohl ist Lothar Matthäus aber dagegen, den Video-Schiedsrichter wieder abzuschaffen. Das wäre „ein Rückschritt“, so der Weltmeister von 1990: „Ich finde schon, dass unterm Strich mehr Fehlentscheidungen verhindert werden als früher und trotzdem ist noch Luft nach oben.“

Ex-Kollege Merk widerspricht der Kritik

Der dreimalige Weltschiedsrichter Markus Merk kann die scharfe Kritik seines früheren Kollegen Manuel Gräfe am DFB nicht nachvollziehen.

Merk warf Gräfe in einem Interview des Kölner Stadt-Anzeigers stattdessen andere Beweggründe für seine Aussagen vor. „Sein Ansatz beruht schon seit Jahren auf einer persönlichen Ebene. Er nutzt jede Chance, um eine Sachebene vorzuschieben“, sagte Merk.

„Niemand sollte für sich in Anspruch nehmen zu sagen, dass wenn man ihn mehr berücksichtigt hätte, wäre die Fußball-Welt eine bessere. Und das ist ja im Grunde seine Argumentation“, so Merk weiter.

Der 60 Jahre alte Merk fordert derweil mit Blick auf die Diskussionen um die Video-Assistenten in der Fußball-Bundesliga einen klareren Fokus auf die Haupt-Schiedsrichter auf dem Feld.

„Er kann nicht nur der Erfüllungsgehilfe des Video-Assistenten sein“, sagte Merk: „Man muss die Schiedsrichter dahingehend trainieren, dass sie ihrer primären Aufgabe wieder besser nachkommen: Die Hauptverantwortung auf dem Feld zu tragen.“

© dpa-infocom, dpa:220426-99-44478/6


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