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Anonymer Brief: DOSB-Präsident Alfons Hörmann unter Druck

DOSB-Präsident Alfons Hörmann gerät unter Druck. Foto: Ina Fassbender/AFP POOL/dpa
DOSB-Präsident Alfons Hörmann gerät unter Druck. Foto: Ina Fassbender/AFP POOL/dpa

DOSB-Chef Alfons Hörmann hat Erklärungsnot. In einem anonymen Brief werfen ihm angeblich Mitarbeiter vor, eine „Kultur der Angst“ geschaffen zu haben. Die Verbandsspitze steht hinter ihm.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann steht wegen seines angeblich unangemessenen Führungsstils in der Kritik und unter gehörigem Druck.

Während die Führungsgremien des Deutschen Olympischen Sportbundes dem 60-jährigen Sportfunktionär und Wirtschaftsmanager geschlossen das Vertrauen ausgesprochen haben, gibt es die erste Forderung nach seinem Rücktritt und Zweifel an einer erstgemeinten Aufklärung.

Alfons Hörmann wird in einem angeblich von Mitarbeitern verfassten anonymen Brief vorgeworfen, eine „Kultur der Angst“ in der DOSB-Zentrale in Frankfurt am Main geschaffen zu haben.

„Herr Hörmann sollte umgehend zurücktreten und den Weg für eine Neuwahl frei machen“, sagte Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, bei sportschau.de. „Der gemeinnützige deutsche Sport braucht Vertrauen, Transparenz und Menschlichkeit in der Pandemiezeit und einen Präsidenten, der seinen Mitgliedsorganisationen und der Basis aktiv zuhört, statt sie zu ignorieren“, fügte er an.

„Nach der desaströsen wiederholten Olympia-Pleite, dem zerschnittenen Tischtuch mit dem IOC, dem Dilettantismus im Umgang mit der Einwirkung auf das Impfschutzgesetz bringt dieser Vorgang das Fass zum Überlaufen“, sagte Klett, dessen Landesverband mit fünf Millionen Mitgliedern der größte in Deutschland ist. Hörmanns mangelnder Respekt vor den Mitarbeiter schade der Breitensportbasis in den Vereinen und den wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben des DOSB.

Hessens Verbandschef Rolf Müller schloss sich dieser Kritik an. „Bei aller Zurückhaltung angesichts des anonymen Briefes muss man die Frage stellen, ob die Persönlichkeitsstruktur der Führung geeignet ist, Menschen respektvoll zu führen“, sagte Müller der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er sei über die Vorwürfe nicht verwundert. „Man darf nicht voreilig, also reflexhaft reagieren, aber es scheint eine Veränderung nötig. Vielleicht hilft eine Mediation“, sagte Müller.

Sein Hamburger Sportbund-Kollege Jürgen Mantell wagte sich nicht so weit vor. „Der Vorgang als solcher macht stutzig. Ich selber kann die Vorwürfe nicht bestätigen“, sagte er. „Wann immer ich Alfons Hörmann getroffen habe, verliefen die Gespräche respektvoll.“

Rückhalt bei DOSB-Spitze

Vorstand und Präsidium des DOSB stärkten am Freitag ihrem Chef in separaten Erklärungen den Rücken. Der Vorstand mit Veronika Rücker an der Spitze wies die in dem anonymen Brief aufgeführte Kritik an Hörmann „in aller Klarheit“ zurück.

„Aus unserer Perspektive können wir keinerlei Verhaltensweisen erkennen, die – wie in dem offenen Schreiben unterstellt – `jegliche Form des Respekts und Anstands vermissen lassen`.“ Auch das DOSB-Präsidium stellte sich hinter Hörmann und sprach ihm „das uneingeschränkte Vertrauen und unsere vollumfängliche Unterstützung“ aus. Gleichzeitig werde man im intensiven Austausch mit den Mitarbeitern die Vorwürfe prüfen.

Zweifel an einer offenen Aufklärung der Anschuldigungen hegt die Sportausschussvorsitzende des Bundestages. „Die nach meiner Wahrnehmung fast pathetisch anmutenden Solidaritätsbekundungen von Präsidium und Vorstand, die im Ergebnis allerdings in krassem Widerspruch zu dem öffentlich gewordenen Hilfeschrei von Teilen der Belegschaft stehen, kommen für mich keineswegs überraschend“, sagte Dagmar Freitag (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.

Die gewählten Formulierungen ließen befürchten, dass „eine ergebnisoffene Auseinandersetzung mit den Vorwürfen eher nicht erfolgen“ werde. Die Angelegenheit müsse aber nicht zwingend aus der Welt sein, betonte sie.

„Schließlich gibt es zumindest eine ernstzunehmende offene Rücktrittsforderung des einflussreichen Präsidenten des LSB NRW“, sagte Freitag. „Und natürlich stellt sich auch die Frage, ob es weitere kritische Stimmen beispielsweise aus den Reihen der im DOSB organisierten Spitzenverbände geben wird. Oder doch nur Schweigen.“

Fachverbände sehen sich bestätigt

Eine Reihe von Fachverbänden hatte vor der Wiederwahl von Hörmann, der seit 2013 Präsident des Dachverbandes ist, im Dezember 2018 vergeblich den Aufstand geprobt. Auch damals wurde ihm vorgeworfen, besonders im Zuge des Ringens um die Leistungssportreform keinen adäquaten Umgangston mit seinen Funktionärskollegen zu pflegen.

Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon Union, sieht sich durch die in dem anonymen Offenen Brief geäußerten Kritik an dem DOSB-Präsident bestätigt. „Der Brief überrascht mich nicht“, sagte er der dpa. „Man muss die Kritik ernst nehmen.“ Engelhardt war 2018 Hörmann bei der Wahl um das Präsidentenamt beim Deutschen Olympischen Sportbund mit 61:383-Stimmen deutlich unterlegen.

Er könne verstehen, dass „die Leute als abhängig Beschäftigte“ den Brief anonym geschrieben haben, weil sie „negative Folgen“ befürchten müssen. „Dann müssen die Vorwürfe glaubhaft ausgeräumt werden.“ Die Vorgänge, die da passiert sein sollen, „sind ja so mehrfach von entsprechenden Leuten geäußert worden“.

Für sehr bedenklich sieht es auch der deutsche Ruder-Präsident Siegfried Kaidel an, dass Hörmann wieder in der Kritik steht. „Den Aufschrei aus der Belegschaft des DOSB muss man sehr ernst nehmen und die Dinge schnellstens aufklären. Damals gab es schon Hinweise, die keiner ernstnahm“, sagte der 70-Jährige, der 2018 auch Sprecher der Spitzensportverbände war. Sein Nachfolger in dieser Funktion, Ingo Weiss, sagte: „Das es in einer großen Sportfamilie mal raucht, ist klar. Die Vorwürfe müssen aber geprüft werden, ob was daran ist.“

Eine Prüfung der Hörmann-Causa durch die Ethikkommission hält Engelhardt hingegen für sinnlos. „Da habe ich wenig Hoffnung.“ Der Arzt sagte aber auch: „Früher oder später kommt, was kommen muss. Die Argumente liegen auf dem Tisch, die Fakten liegen auf dem Tisch.“

Bereits am Samstag dürfte von den Spitzenfunktionären der Landessportbünde bei der turnusmäßigen Videokonferenz Aufklärung über die Vorgänge im DOSB-Haus erwartet werden. Ebenso dürfte bei der Präsidiumssitzung des DOSB der anonyme Brief und die Anschuldigungen gegen Hörmann auf der Agenda ganz oben stehen.

© dpa-infocom, dpa:210507-99-504627/6

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