In Thüringen hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion im Streit um Windräder vor einem möglichen Eklat Gespräche angeboten.
Basis könnte der entstehende Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Nordrhein-Westfalen beim Thema regenerative Energie sein, sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Der Streit, beim dem es um eine 1000-Meter-Abstandsregel für Windräder von Wohngebäuden geht, hat wegen der angekündigten Unterstützung der CDU-Pläne durch AfD-Fraktionschef Björn Höcke bundesweit Wellen geschlagen.
Bodo Ramelow sprach von einer Blaupause, die Schwarz-Grün in NRW und in Schleswig-Holstein beim Thema erneuerbare Energien für Thüringen liefern könnten.
„Da wird ein guter Weg beschrieben werden und er bildet aktuell auch die Zwänge mit ab, die durch die Erpressbarkeit bei Energie durch Russland entstanden sind“, sagte der Linke-Politiker.
Gespräche auf Basis eines NRW-Energiepapiers sowie einen „Windfrieden“ mit Aussetzung der Landtagsabstimmung in dieser Woche bot auch Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) der CDU an.
Harsche Kritik auch auf Bundesebene
Die CDU-Fraktion steckt mit einem Gesetzentwurf zur Änderung der Thüringer Bauordnung, mit der eine Abstandsregelung von Windkraftanlagen zu Wohngebäuden eingeführt werden soll, politisch in der Klemme.
Grund ist, dass er nur mit Stimmen der AfD und FDP beschlossen werden kann. Ramelows rot-rot-grüne Minderheitskoalition lehnt die Abstandsregelung ab. Das Agieren der CDU-Fraktion stieß bei Bundespolitikern von SPD, Grünen und FDP auf harsche Kritik.
„Was sich in Thüringen anbahnt, ist alarmierend. Das ist keine Angelegenheit eines Bundeslandes“, erklärte die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, in Berlin. CDU-Parteichef Friedrich Merz müsse eingreifen, forderte sie.
Ähnlich hatte sich auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geäußert. Ein Gesetz gegen die Stimmen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung sei „eine Gesetzesmehrheit von Höckes Gnaden“, sagte Kühnert dem Spiegel.
Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte am Sonntag, man stehe Gesprächen mit der Landesregierung offen gegenüber, um drängende Probleme zu lösen. „Gespräche machen aber nur Sinn, wenn man an ernsthaften Lösungen interessiert ist.“
Was den Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern angehe, müsse auch in Thüringen die Grenze von 1000 Metern gelten – wie in Sachsen und Brandenburg. Das forderte auch der Gruppensprecher der FDP im Landtag, Thomas Kemmerich.
Ramelow: „Ideologiegetriebene Blockadepolitik“
Bodo Ramelow warf der CDU-Fraktion eine „ideologiegetriebene Blockadepolitik beim Windkraftausbau“ vor.
Sie würde derzeit mit ihrem Drängen auf die 1000-Meter-Abstandsregel und der Verhinderung von Anlagen auf Brachflächen im Wald Arbeitsplätze gefährden. „Die Thüringer Wirtschaft will regenerative Energie nutzen. Es geht um Versorgungssicherheit.“
Das gelte besonders für die energieintensive Glasindustrie mit ihren rund 7000 Arbeitsplätzen, bei der angesichts der hohen Preise und der Abhängigkeit von Importen eine Umstellung von Gas auf Strom anstehe.
Zudem habe der Bund angekündigt, dass künftig in Deutschland zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen vorbehalten sein soll. „Das wird kommen“, sagte Ramelow. Im Freistaat liege der Anteil derzeit lediglich bei 0,4 Prozent.
Im Erfurter Landtag hat die Opposition aus CDU, AfD und FDP einen großen Einfluss, weil die rot-rot-grüne Regierungskoalition keine eigene Mehrheit hat – ihr fehlen vier Stimmen.
Die CDU und die FDP haben in Thüringen bereits negative Erfahrungen im Umgang mit der AfD gemacht. Am 5. Februar 2020 war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Ministerpräsidenten des Freistaats gewählt worden.
Die AfD hatte dafür ihren eigenen Kandidaten ohne Stimmen fallengelassen und für Kemmerich votiert. Das Ereignis hatte einen bundesweiten Sturm der Entrüstung ausgelöst. Nach öffentlichem Druck kündigte Kemmerich einen Tag nach dem Votum seinen Rücktritt an.
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