In Sachsen-Anhalt hat Ministerpräsident Reiner Haseloff Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) entlassen. Er zog damit am Freitag die Konsequenz aus einem nicht abgesprochenen Interview Stahlknechts zum Koalitionsstreit um den Rundfunkbeitrag, wie die Staatskanzlei mitteilte.
Nach seinem Rauswurf als Innenminister von Sachsen-Anhalt will der CDU-Politiker Holger Stahlknecht auch als Landesparteichef zurücktreten. Der 56-Jährige kündigte diesen Schritt am Freitagabend in einer persönlichen Erklärung für den 8. Dezember an. Er wolle damit weiteren Schaden von seiner Partei, seiner Funktion, seiner Familie und sich selbst abwenden, teilte er mit.
Haseloff sieht gestörtes Vertrauensverhältnis
In einem Interview in der Magdeburg Volksstimme hatte Innenminister Holger Stahlknecht eine CDU-Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt für den Fall angekündigt, dass die Koalition mit SPD und Grünen im Streit über die Erhöhung des Rundfunkbeitrag platzen sollte.
Wesentlicher Grund für Haseloffs Entscheidung sei, dass Stahlknecht unabgestimmt während der laufenden Bemühungen zur Stabilisierung der Koalition öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer CDU-Minderheitsregierung in den Raum gestellt habe, teilte die Staatskanzlei in Magdeburg mit.
Das Vertrauensverhältnis zu Holger Stahlknecht sei so schwer gestört, dass er der Landesregierung nicht weiter angehören könne, so die Pressemitteilung der Staatskanzlei.
Haseloff habe Stahlknecht die Entlassungsurkunde bereits ausgehändigt. Der Regierungschef verfolge weiterhin das Ziel, in der Corona-Pandemie eine in jeder Hinsicht handlungsfähige Regierung anzuführen, die über eine verlässliche Mehrheit verfüge, hieß es.
Stahlknecht wird Interview zum Verhängnis
Der 56 Jahre alte Stahlknecht hatte im Gespräch mit der Magdeburger Volksstimme nicht nur ausgeschlossen, dass seine Partei von ihrem Nein zu einem Beitragsplus abrückt, sondern die Kritik unter anderem auch mit dem Bild Ostdeutschlands in den öffentlich-rechtlichen Sendern und einer Berichterstattung mit dem „erhobenen Zeigefinger der Moralisierung“ gerechtfertigt.
Gleichzeitig hatte er angekündigt, im Falle eines Auseinanderbrechens der Magdeburger Koalition bis zur regulären Landtagswahl im Juni 2021 mit einer CDU-Minderheitsregierung weitermachen zu wollen.
Stahlknecht wies den Vorwurf zurück, die Christdemokraten würden mit ihrem Nein zum höheren Rundfunkbeitrag der ebenfalls ablehnenden AfD den Weg ebnen. Er stehe zu der Aussage: Keine Koalition und keine strategische Zusammenarbeit mit der AfD, so Stahlknecht.
Ministerpräsident Haseloff hatte eine Minderheitsregierung bisher stets kategorisch ausgeschlossen – ebenso wie eine Abhängigkeit von Stimmen der AfD. Die Koalitionspartner SPD und Grüne warfen Stahlknecht nach dem Interview vor, den Rundfunkstreit nutzen zu wollen, um Haseloff zu stürzen und doch noch selbst Ministerpräsident zu werden.
Er habe das Interview gegeben, um seine „Partei gegen die Anwürfe des politischen Gegners zu verteidigen, die Partei suche eine Annäherung an die AfD“, erklärte Stahlknecht am Abend. Das sei eine haltlose Behauptung. Das Interview sei in Form und Inhalt für die Partei und ihn selbst richtig gewesen. „Allerdings haben sich die Interpretationen gegen die Intention entwickelt. Auch das gilt es zu erkennen.“
Das Interview sorgte auch in der Landes-CDU für angespannte Stimmung, von Wutausbrüchen ist die Rede. Die Christdemokraten versuchen seit Wochen zu versichern, dass sich ihre grundsätzliche Position zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlich von der der AfD unterscheidet.
Diskussion um Öffentlich-Rechtliche
Die Öffentlich-Rechtlichen seien richtig und wichtig, wiederholte etwa Medienpolitiker Markus Kurze immer wieder. Die Sender seien jedoch zu groß und zu teuer, begründete er, warum seine Fraktion gegen die Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 stimmen und sie damit bundesweit blockieren will.
Die AfD lehnt den Staatsvertrag samt Beitragsplus ebenfalls ab und hat mit den Christdemokraten im Landtag eine Mehrheit. Die oppositionelle AfD ist prinzipiell gegen das Beitragssystem.
Das unabgestimmte Interview reiht sich ein in eine ganze Kette von Vorfällen, mit denen Stahlknecht in den vergangenen Jahren Kritik auf sich gezogen hatte. Erst vor wenigen Wochen legte ihm der Präsident des Zentralrats der Juden, Armin Schuster, den Rücktritt nahe, und warf ihm vor, mit Aussagen zum Polizeischutz für jüdische Einrichtungen dem Antisemitismus Vorschub zu leisten.
Andere Beispiele waren der zögerliche Rausschmiss eines CDU-Kreisvorstandsmitglieds in Anhalt-Bitterfeld, der ein beliebtes Neonazi-Motiv auf den Arm tätowiert hatte oder die übereilte und schließlich gescheiterte Berufung des umstrittenen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt zum Innenstaatssekretär.
Der 56-jährige Stahlknecht war seit 2011 Innenminister, ist seit 2018 CDU-Landeschef und galt jahrelang als gesetzt für die Nachfolge von Ministerpräsident Haseloff (CDU). Dieser Ambition machte der Amtsinhaber erst vor wenigen Wochen einen Strich durch die Rechnung und verkündete, für eine dritte Amtszeit als CDU-Spitzenkandidat anzutreten.
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Pressemeldung der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt im Wortlaut:
Haseloff entlässt Innenminister Stahlknecht
04.12.2020, Magdeburg – 526/2020
Staatskanzlei und Ministerium für Kultur
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hat heute dem Minister für Inneres und Sport Holger Stahlknecht die vom Ministerpräsidenten vollzogene Urkunde über seine Entlassung ausgehändigt. Wesentlicher Grund dafür ist, dass Herr Minister Stahlknecht unabgestimmt während der laufenden Bemühungen des Ministerpräsidenten, die 2016 gebildete Koalitionsregierung zu stabilisieren, öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer allein von der CDU gebildeten Minderheitsregierung in den Raum gestellt hat.
Der Ministerpräsident verfolgt weiterhin das Ziel, in der für das Land schwierigsten Phase der Überwindung einer Pandemie bisher unvorstellbaren Ausmaßes eine in jeder Hinsicht handlungsfähige Regierung anzuführen, die auch im Landtag über verlässliche Mehrheiten verfügt. Das dafür notwendige Vertrauensverhältnis, das in besonderer Weise auch in die Führung des Innenministeriums erforderlich ist, ist durch das Vorgehen von Herrn Stahlknecht so schwer gestört, dass er der Landesregierung nicht weiter angehören kann.
Weitere Erklärungen wird der Ministerpräsident heute nicht abgeben.
Quelle: https://www.sachsen-anhalt.de/bs/pressemitteilungen
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