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Scholz vor Baerbock und Laschet beim TV-Triell

Triell im TV: Die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (v.l.), Annalena Baerbock und Olaf Scholz werden von den Moderatoren Pinar Atalay und Peter Kloeppel befragt. Foto: --/RTL/dpa
Triell im TV: Die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (v.l.), Annalena Baerbock und Olaf Scholz werden von den Moderatoren Pinar Atalay und Peter Kloeppel befragt. Foto: --/RTL/dpa

Jetzt befinden sich die Parteien wirklich in der viel zitierten heißen Wahlkampfphase. Beim Triell von RTL und ntv schonen sich die Kanzlerkandidaten Scholz, Laschet und Baerbock nicht. Es werden aber auch Gemeinsamkeiten sichtbar.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die drei Kanzlerkandidaten von CDU/CSU, SPD und Grünen einen ersten Schlagabtausch zu allen wichtigen Wahlkampfthemen geliefert.

Beim Triell der Sender RTL und ntv diskutierten Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock am Sonntagabend konträr über Fragen unter anderem der Außen- und Sicherheitspolitik, der Corona-Strategie, der Bekämpfung des Klimawandels oder der Steuerpolitik. Neben Differenzen wurden dabei auch Gemeinsamkeiten deutlich.

Vor allem der zurückliegende Unionskandidat Armin Laschet und die ebenfalls hinten liegende Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock zeigten sich kämpferisch. Der SPD-Kandidat Olaf Scholz parierte die Vorwürfe in ruhigem Tonfall. Einer Blitzumfrage zufolge, die das Institut Forsa im Auftrag der Sender direkt im Anschluss veröffentlichte, ging das Rezept von Scholz auf.

36 Prozent der rund 2500 Befragten gaben an, Scholz habe das Triell gewonnen. 30 Prozent sahen Baerbock vorn, nur 25 Prozent Laschet. Auch auf die Frage, wer am sympathischsten rübergekommen sei, lag Scholz mit 38 Prozent an der Spitze, gefolgt von Baerbock (37 Prozent) und Laschet (25 Prozent).

Klimapolitik

Baerbock warf Union und SPD „Nichtstun“ in der Klimapolitik vor. Sie versprach, künftig „keine halben Sachen“ mehr machen zu wollen. So wolle sie etwa eine Pflicht durchsetzen, für Neubauten Solarpanele auf Dächern zu installieren. Letzteres habe die Regierungskoalition verhindert.

Laschet warf den Grünen im Gegenzug vor, „der Industrie Fesseln anlegen“ zu wollen. Er bekräftigte seine Position, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, etwa um den Ausbau von Windenergie voranzutreiben.

Auch Scholz versprach, Bürokratie abbauen und Planungssicherheit für die Industrie schaffen zu wollen – etwa beim Strombedarf. Den zusätzlichen Strombedarf Deutschlands, um klimaneutral zu werden, wolle er per Gesetz festlegen.

Innere Sicherheit

CDU-Chef Laschet sprach sich für eine verstärkte Videoüberwachung des öffentlichen Raums gegen Kriminalität und Gewalttaten aus. Frauen fühlten sich am unsichersten in Unterführungen, Tunneln und Parks, sagte er.

Baerbock hielt ihm entgegen: „Am unsichersten sind leider Frauen in den eigen vier Wänden.“ Sie wies auf Übergriffe von Partnern und Ex-Partnern hin.

SPD-Kandidat Scholz sagte, Videoüberwachung sei eine Möglichkeit, von der schon Gebrauch gemacht werde und die er befürworte. Baerbock warnte dagegen davor, mit Überwachungskameras einen „Pappkameraden“ aufzubauen: „Ich möchte, dass wir unsere Polizei besser ausstatten.“

Sicherheitspolitik

Armin Laschet (CDU): «Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen.». Foto: --/RTL/dpa
Armin Laschet (CDU): «Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen.». Foto: –/RTL/dpa

Nach dem Desaster beim Abzug der Nato aus Afghanistan forderten Laschet, Scholz und Baerbock übereinstimmend eine Stärkung der sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands.

Laschet bekräftigte seine Forderung nach einem Nationalen Sicherheitsrat, angebunden an das Kanzleramt. „Wir werden unsere Bundeswehr besser ausstatten müssen“, sagte er.

Baerbock warf der Bundesregierung vor, sich in Afghanistan weggeduckt zu haben. „Sie haben innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung gestellt“, sagte sie. Baerbock kritisierte, dass das Auswärtige Amt nicht schnell genug Visa für Schutzbedürftige ausgestellt habe.

Scholz, dessen Parteifreund Heiko Maas an der Spitze des Auswärtigen Amtes steht, forderte, die internationale Zusammenarbeit zu stärken und auch künftig Bundeswehrsoldaten für Einsätze zum Schutz von Frieden und Sicherheit bereitzustellen.

Er nahm für sich in Anspruch, dass mit ihm als Finanzminister der Verteidigungshaushalt über 50 Milliarden Euro gestiegen sei. „Die schlechte Zeit für die Bundeswehr war in der schwarz-gelben Koalition“, sagte Scholz.

Corona-Bekämpfung

Olaf Scholz (SPD): «Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren, indem Leute, die in meiner Einkommenskategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen (...).». Foto: --/RTL/dpa
Olaf Scholz (SPD): «Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren, indem Leute, die in meiner Einkommenskategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen (…).». Foto: –/RTL/dpa

Alle drei Kanzlerkandidaten sprachen sich dafür aus, erneute weitreichende Alltagsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie zu vermeiden.

Scholz sagte, es seien jetzt so viele geimpft, dass man sehr klar sagen könne und müsse: „Es wird keinen neuen Lockdown geben.“ Es gelte aber vorsichtig zu bleiben, etwa mit Masken und Zugang zu Innenräumen nur für Geimpfte, Getestete und Genesene.

Auch Laschet sprach sich dafür aus, alles dafür zu tun, dass es nicht mehr zu einem Lockdown komme. „Ich halte das auch für realistisch.“ Baerbock erklärte: „Stand heute ist es so, dass wir keinen neuen Lockdwon brauchen.“ Alle drei Bewerber um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machten sich auch dafür stark, die Impfquote zu verbessern.

Zwischen den Kandidaten wurden zugleich Unterschiede bei konkreten Krisenmaßnahmen deutlich. Scholz und Laschet lehnten eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Berufe wie medizinisches Personal oder Polizisten ab. Baerbock sagte: „Stand heute nein. Aber für die Zukunft sollte man das nicht ausschließen.“

Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, auch für Fahrten mit Fernzügen einen Nachweis als Geimpfter, Genesener oder negativ Getesteter zu verlangen – die Bundesregierung prüft dies gerade.

„Der Wunsch von mir und der Kanzlerin ist, dass es klappen soll“, sagte Scholz. Laschet verwies unter anderem auf rechtliche Bedenken und sagte: „Erst sorgfältig prüfen und dann entscheiden.“

Kinder in der Pandemie

Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen): «Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.». Foto: --/RTL/dpa
Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen): «Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.». Foto: –/RTL/dpa

Baerbock forderte, der Bund solle in Notsituationen wie der Corona-Pandemie mehr Verantwortung für Kinder und Familien übernehmen.

„Deshalb sollte der Bund in Zukunft zum Beispiel bei der Luftfilterausstattung von Schulen oder bei der Ganztagsbetreuung (…) dauerhaft in die Finanzierung mit einsteigen“, so Baerbock.

An die Adresse der amtierenden Koalition von Union und SPD sagte die Grünen-Politikerin: „Eine Politik, die immer sagt, warten wir lieber mal ab, machen wir mal lieber gar nichts, hat dazu geführt, dass Kinder eineinhalb Jahre nicht in die Schule gegangen sind.“

Laschet konterte, Baerbock täusche die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie sage, dass der Bund die Schulen nicht abgesichert habe. „Das ist Ländersache, und in elf Ländern regieren die Grünen mit.“

Scholz ließ den Vorwurf nicht auf sich sitzen, dass sich die finanzielle Förderung von Luftfiltern in Schulen wegen ihm als Finanzminister zäh gestaltet habe. „Die Mittel stehen und die stehen auch schon lange zur Verfügung.“

Steuerpolitik

Besucher einer Berliner Kneipe schauen sich das TV-Triell an. Foto: Fabian Sommer/dpa
Besucher einer Berliner Kneipe schauen sich das TV-Triell an. Foto: Fabian Sommer/dpa

Die Steuerpolitik war eines der umstrittensten Themen des Triells. Laschet griff Scholz und Baerbock scharf an – und warf ihnen vor, „immer wenn man kann“ Steuern zu erhöhen.

SPD-Kanzlerkandidat Scholz betonte, es sei jetzt nicht die Zeit für Steuersenkungen für Menschen mit hohen Einkommen. S“Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren, indem Leute, die in meiner Einkommenskategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen, gar nicht so viel“, sagte er.

Leute seiner Einkommensklasse sollten vielmehr etwas mehr bezahlen, um damit Steuerentlastungen für jene zu finanzieren, die weniger verdienen. Scholz plädierte für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes um drei Prozent.

Auch Baerbock plädierte dafür, dass stärkere Schultern auch stärker belastet werden sollten. Sie nannte es zutiefst ungerecht, dass in Deutschland jedes fünfte Kind in Armut lebe. Unter ihrer Kanzlerschaft würde eine Alleinerziehende mit zwei Kindern 2000 Euro im Jahr einsparen.

Laschet sagte, in der Steuerpolitik gebe es einen fundamentalen Unterschied zu SPD und Grünen. Es sei töricht und grundfalsch, einfach zu sagen, die Steuern für Reiche müssten erhöht werden.

Mögliche Koalitionen

Auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken verfolgt die Diskussion. Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa
Auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken verfolgt die Diskussion. Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa

Scholz schloss eine Koalition mit der Linkspartei erneut nicht ausdrücklich aus. Er knüpfte aber jede Regierungsbildung an „unverzichtbare“ Prinzipien. Dazu gehörten klare Bekenntnisse zur Mitgliedschaft in Nato und EU, zu einem soliden Umgang mit Geld und Wirtschaftswachstum und zu innerer Sicherheit.

Er betonte: „Ich werde darüber auch nicht irgendwie verhandeln, mit niemandem.“ Mit Blick auf die Linke sagte Scholz, die vergangenen Tage hätten es nicht gerade leichter gemacht. Dass die Linke den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Bundestag nicht unterstützt habe, habe ihn „echt sehr betrübt“.

Laschet konterte, die Bürger erwarteten eine Aussage, ob Scholz sich von der Linken zum Kanzler wählen lassen würde – ja oder nein. Er betonte, die Union werde nicht mit der Linken koalieren. Und sie wolle, dass die AfD aus den Parlamenten verschwinde. Aus Sicht von Baerbock ist für jegliche Koalitionsverhandlung die Frage Klimaschutz zentral.

Erste Reaktionen

Die Unions-Politiker Volker Bouffier (v.r.), Dorothee Bär und Hermann Gröhe verfolgen das Triell. Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa
Die Unions-Politiker Volker Bouffier (v.r.), Dorothee Bär und Hermann Gröhe verfolgen das Triell. Foto: Michael Kappeler/dpa Pool/dpa

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, reagierte enttäuscht. „Das Triell bot eine Debatte an den wirklichen Problemen der Menschen vorbei“, sagte Bartsch der Düsseldorfer Rheinischen Post. „Drei Kandidaten, eine Meinung“ – viel Phrasendrescherei habe es gegeben.

CSU-Chef Markus Söder twitterte: „Starker Auftritt und klarer Sieg von Armin Laschet.“ Andere bemängelten, dass das Thema Digitalisierung komplett ausgespart worden sei.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schrieb auf Twitter: „Scholz lebt nach dem Motto „Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches“ und Laschet windet sich aus der Verantwortung, wo es nur geht.“

© dpa-infocom, dpa:210829-99-08398/12


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