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Landtagswahlen: Grüne klarer Sieger in BaWü, SPD in Rheinland-Pfalz

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Frau Gerline bei der Stimmabgabe in Sigmaringen. Foto: Marijan Murat/dpa
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Frau Gerline bei der Stimmabgabe in Sigmaringen. Foto: Marijan Murat/dpa

Bei den Landtagswahlen hält sich in Baden-Württemberg Regierungschef Kretschmann als „Evergreen“, in Rheinland-Pfalz dürfte Malu Dreyer an der Macht bleiben. Die CDU erleidet eine bittere Niederlagen.

Bei den Landtagswahlen zum Auftakt des Superwahljahrs 2021 haben sich die Grünen in Baden-Württemberg mit ihrem Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann und die SPD in Rheinland-Pfalz mit Regierungschefin Malu Dreyer jeweils klar als stärkste Kraft behauptet und der CDU schmerzhafte Niederlagen zugefügt.

Die Grünen mit ihrem populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gewannen nach Prognosen von ARD und ZDF in Baden-Württemberg haushoch vor der CDU, in Rheinland-Pfalz lag die SPD von Regierungschefin Malu Dreyer deutlich in Führung.

Sechs Monate vor der Bundestagswahl stürzte die CDU mit ihrem neuen Parteichef Armin Laschet unterdessen auf historisch schlechte Ergebnisse ab. In beiden Ländern könnten SPD, FDP und Grüne nun ein Ampel-Bündnis schmieden – und die CDU als je zweitstärkste Kraft außen vor lassen. In der Union wachsen Befürchtungen, dies könne ein Signal auch für den Bund sein.

Bei beiden Wahlen waren nach Analysen von Wahlforschern die populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Malu Dreyer Garanten für den Erfolg. Zugleich wurden demnach die CDU-Spitzenkandidaten als farblos und ihre Landesverbände als wenig kompetent wahrgenommen. Die Pleiten der CDU sind teils hausgemacht, wie in der Union eingeräumt wird.

Grüne in BaWü klar vorne

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Spitzenkandidat der Grünen, äußert sich im Haus der Abgeordneten zum Ergebnis der Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa-Pool/dpa
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Spitzenkandidat der Grünen, äußert sich im Haus der Abgeordneten zum Ergebnis der Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa-Pool/dpa

Mit dem 72-jährigen Kretschmann, seit zehn Jahren erster und einziger Ministerpräsident der Grünen, gewann die Öko-Partei in Baden-Württemberg dem vorläufigen Ergebnis zufolge 32,6 Prozent und 58 Sitze – ein Rekord sowohl im Land als auch bundesweit.

Die CDU mit Kultusministerin Susanne Eisenmann an der Spitze schaffte nur 24,1 Prozent (42 Sitze) – ein historisch schlechtes Wahlergebnis in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württemberg.

Die Sozialdemokraten kamen auf 11,0 Prozent (19 Sitze), die Freidemokraten auf 10,5 Prozent (18 Sitze). Wahlsieger Kretschmann könnte nun seine Koalition mit der CDU als Juniorpartner fortsetzen oder aber auf ein Bündnis mit SPD und FDP umschwenken. Er kündigte an, mit allen Parteien außer der AfD über mögliche Bündnisse zu sprechen.

Winfried Kretschmann sagte weiter, nicht nur die Corona-Krise erfordere nun Kreativität, Besonnenheit und Entschlossenheit. Es gelte auch, den Klimawandel zu begrenzen, den Strukturwandel der Wirtschaft zu meistern und die liberale Demokratie zu verteidigen.

Susanne Eisenmann will nun die Verantwortung für den Absturz der CDU übernehmen und strebt keine führende Rolle in der Partei mehr an, wie die bisherige Kultusministerin am Abend sagte. Es sei ein „enttäuschendes und desaströses Wahlergebnis“.

SPD stärkste Kraft in Rheinland-Pfalz

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gibt gemeinsam mit ihrem Ehemann Klaus Jensen in Mainz ihre Stimme ab. Foto: Thomas Frey/dpa
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gibt gemeinsam mit ihrem Ehemann Klaus Jensen in Mainz ihre Stimme ab. Foto: Thomas Frey/dpa

In Rheinland-Pfalz kommt die SPD mit der 60-jährigen Dreyer an der Spitze laut vorläufigem Ergebnis auf 35,7 Prozent und 39 Sitze.

Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Baldauf rutscht dagegen auf 27,7 Prozent und 31 Sitze ab – das schlechteste Ergebnis für die Christdemokraten in dem Bundesland. Der 53-Jährige hatte es im Wahlkampf unter massiven Corona-Beschränkungen schwer, gegen die parteiübergreifend beliebte Dreyer zu punkten.

Die Grünen konnten mit 9,3 Prozent und 10 Sitzen ihr Ergebnis von 2016 erheblich verbessern. Die FDP kam auf 5,5 Prozent und somit 6 Sitze. Neu in den Landtag einziehen werden die Freien Wähler mit ebenfalls 6 Sitzen. Sie lagen bei 5,4 Prozent.

Damit ist die von Malu Dreyer angestrebte Fortsetzung der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen machbar. Es ist das einzige derartige Bündnis in Deutschland und nach Dreyers Ansicht ein Modell auch für den Bund. Sie kündigte baldige Gespräche zur Neuauflage der Ampel-Koalition an. Sie habe bereits vor der Wahl gesagt, dass sie sich eine Fortsetzung wünsche.

Seit 30 Jahren stellen die Sozialdemokraten nun schon die Regierungschefs in dem von Helmut Kohl und Bernhard Vogel geprägten Land – so lange wie in keinem anderen westlichen Flächenbundesland.

Rückschläge für die CDU

CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann steigt vor der Unions-Geschäftsstelle in Stuttgart aus einem Auto. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann steigt vor der Unions-Geschäftsstelle in Stuttgart aus einem Auto. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die beiden Wahlschlappen für die CDU sind teils hausgemacht; die Union hatte auf Bundesebene zuletzt keine gute Figur gemacht.

So gerieten zuletzt mehrere bisherige Bundestagsabgeordnete unter Korruptionsverdacht, weil sie bei Geschäften mit Masken hunderttausende Euro als Provision verdient haben oder Zuwendungen aus dem autokratischen Aserbaidschan angenommen haben sollen.

Zudem gab es massive Kritik an den CDU-Bundesministern Jens Spahn und Peter Altmaier wegen schleppender Corona-Impfungen, verschobener Massentestungen sowie verzögerter Nothilfezahlungen an Firmen und Selbstständige.

Dazu kommt die ungelöste Machtfrage, wer am 26. September als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl zieht: der erst seit wenigen Wochen amtierende CDU-Chef Laschet oder doch CSU-Chef Markus Söder? Die Entscheidung soll nach Ostern fallen – für Laschet könnten die beiden Landtagswahlen eine schwere Bürde bedeuten.

Kanzlerin Angela Merkel, dienstälteste Regierungschefin in der EU, hatte bereits 2018 erklärt, nach vier Amtszeiten nicht mehr antreten zu wollen.

AfD verliert, Linke verpasst 5 Prozent

Rund 7,7 Millionen (Baden-Württemberg) bzw. 3,1 Millionen (Rheinland-Pfalz) Menschen sind zur Wahl aufgerufen. Foto: Uli Deck/dpa
Rund 7,7 Millionen (Baden-Württemberg) bzw. 3,1 Millionen (Rheinland-Pfalz) Menschen sind zur Wahl aufgerufen. Foto: Uli Deck/dpa

Für die AfD war es in beiden Bundesländern erst die zweite Landtagswahl, sie blieb jeweils deutlich hinter den Ergebnissen von 2016 zurück, die politisch stark unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise standen.

In Baden-Württemberg erreichte die AfD 9,7 Prozent und 17 Sitze (2016: 15,1 Prozent), in Rheinland-Pfalz 8,3 Prozent und 9 Sitze (2016: 12,6 Prozent). AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sagte, ihrer Partei sei „rechtswidrig der Verfassungsschutz auf den Hals gehetzt worden“. Zudem habe es „Repressalien auch gegen unsere Wahlkämpfer“ gegeben.

Die Linke verpasste mit 3,6 Prozent in Baden-Württemberg und 2,5 Prozent in Rheinland-Pfalz den Einzug in beide Landtage. Sie war auch in beiden Ländern noch nie im Parlament vertreten.

Reaktionen Habeck, Ziemiak und Scholz

Mitglieder und Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen bringen ihre Fäuste zusammen nach der Bekanntgabe der ersten Prognose zum Ergebnis der Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa
Mitglieder und Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen bringen ihre Fäuste zusammen nach der Bekanntgabe der ersten Prognose zum Ergebnis der Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa

Die Parteispitze der Grünen reagierte hocherfreut auf die Wahlerfolge. „Es ist ein super Start ins Superwahljahr“, sagte Parteichef Robert Habeck. „Weitsicht und Pragmatismus“ seien nun der Auftrag an die Grünen als gesamte Bundespartei aus diesem Wahlabend.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak begründete das schlechte Abschneiden seiner Partei mit der Lage in den Ländern und der Maskenaffäre der Union. Es habe in beiden Ländern keine Wechselstimmung gegeben, in der Krise vertrauten die Menschen den Regierungschefs.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht neue Koalitionsmöglichkeiten im Bund. „Dass heute eine Option sichtbar geworden ist, das ist doch ganz klar“, sagte der Vizekanzler am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“. Es sei ein wichtiges Signal zum Beginn des Wahljahres, „dass es eine Mehrheit ohne die Union in Deutschland geben kann“.

Wahlbeteiligung gesunken

Geöffnete Wahlbriefumschläge liegen vor der Stimmauszählung in der Gartenhalle im Kongresszentrum in Karlsruhe neben einem Wahlhelfer auf dem Boden. Foto: Uwe Anspach/dpa
Geöffnete Wahlbriefumschläge liegen vor der Stimmauszählung in der Gartenhalle im Kongresszentrum in Karlsruhe neben einem Wahlhelfer auf dem Boden. Foto: Uwe Anspach/dpa

Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren. In Baden-Württemberg lag sie laut den Sendern bei 62,5 bis 64,5 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei 64,8 bis 65,0 Prozent (2016: jeweils 70,4 Prozent).

Wegen der Corona-Pandemie liefen die Wahlkämpfe im wesentlichen online oder übers Fernsehen und Interviews. Große Kundgebungen, Straßenwahlkampf und Hausbesuche waren kaum möglich. Nach Einschätzung von Wahlforschern begünstigte dies zusätzlich die Amtsinhaber gegenüber ihren Herausforderern.

In Baden-Württemberg waren rund 7,7 Millionen Menschen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, in Rheinland-Pfalz waren es 3,1 Millionen. Es wurde angesichts der Corona-Pandemie mit einem hohen Anteil von Briefwählern gerechnet.

Dies dürfte nach Ansicht von Wahlforschern auch die Auswirkungen der Maskenaffäre auf das CDU-Ergebnis begrenzen, weil viele Bürger schon vor Bekanntwerden der dubiosen Deals gewählt haben. In Baden-Württemberg wurden die Wahlbenachrichtigungen seit Anfang Februar verschickt, auch die Kommunen in Rheinland-Pfalz begannen zu dem Zeitpunkt mit der Ausgabe.

Die nächsten Landtagswahlen sind Anfang Juni in Sachsen-Anhalt, anschließend folgen am 26. September die Bundestagswahlen und gleichzeitig die Landtagswahlen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.

© dpa-infocom, dpa:210314-99-813181/16



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