Die USA wollen ein Drittel der bislang in Deutschland stationierten Soldaten möglichst rasch abziehen: Gut die Hälfte der rund 12,000 vom Truppenabzug betroffenen Soldaten sollen in die USA zurückgeholt, weitere 5,600 in andere Nato-Länder verlegt werden.
Das kündigte Verteidigungsminister Mark Esper am Mittwoch an. Damit werde die „strategische Flexibilität“ der US-Streitkräfte erhöht und auch die Nato gestärkt, sagte Esper im Pentagon in Washington vor Journalisten. Bislang hatte die US-Regierung von einem Abzug von rund 10.000 der etwa 36.000 Soldaten in Deutschland gesprochen.
Der Teilabzug solle „so schnell wie möglich“ umgesetzt werden, erklärte Esper. Einige Aspekte könnten innerhalb von Wochen realisiert werden, für andere Veränderungen sei aber mehr Zeit nötig, räumte er ein. Einen exakten Zeitplan legte er nicht vor. Die Umsetzung des Plans werde ersten Schätzungen zufolge einen einstelligen Milliardenbetrag kosten, so Esper.
Stuttgart, Vilseck und Spangdahlem betroffen
Die Kommandozentrale für die US-Truppen in Europa soll von Stuttgart nach Mons in Belgien verlegt werden, wie der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, General Tod Wolters, erklärte. Dort befindet sich bereits eines der beiden militärischen Hauptquartiere der Nato.
Möglicherweise werde auch die Afrika-Kommandozentrale aus Stuttgart verlegt, fügte er hinzu. Außerdem sollen zwei Bataillone der US-Streitkräfte nach Italien verlegt werden. Einem Bataillon gehören etwa 300 bis 1000 Soldaten an.
Die USA wollen zudem ein Geschwader von F16-Kampfjets aus Deutschland abziehen, sagte Wolters. Solche US-Kampfjets sind in Deutschland nur noch in Spangdahlem in Rheinland-Pfalz stationiert. Die Kampfflugzeuge sollen „zu einem Zeitpunkt, der noch festgelegt werden muss“, nach Italien verlegt werden, wie Wolters sagte.
Das 52. Jagdgeschwader in Spangdahlem umfasst eine F-16-Kampfjet-Staffel mit gut 20 Flugzeugen. Zur Air Base gehören rund 4.000 Soldaten, die vom Truppenabzug der USA betroffen wären. Die Angehörigen eingerechnet leben und arbeiten fast 11.000 Menschen auf dem Stützpunkt, der Arbeitgeber für weit mehr als 800 Deutsche ist.
4.500 Soldaten sollen zudem von dem bayerischen Standort Vilseck am riesigen Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz nach Hause in die USA geholt werden.
Trump erneuert Vorwürfe an Deutschland
Trump hatte den im Grundsatz bereits im Juni angekündigten Teilabzug der US-Truppen aus Deutschland mit den aus seiner Sicht zu geringen Verteidigungsausgaben Deutschlands begründet. Die Bundesregierung in Berlin war vor der Bekanntgabe nicht informiert worden. Trump bezieht sich mit seiner Kritik auf ein Nato-Ziel, demzufolge alle Mitgliedsländer des Bündnisses mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben sollten.
Am Mittwoch sagte Trump im Weißen Haus: „Deutschland ist säumig.“ Er fügte hinzu, die Soldaten seien zum Schutz Deutschlands da. „Und Deutschland soll dafür bezahlen. Deutschland zahlt nicht dafür. Warum sollten wir sie (die Soldaten) dalassen?“
Er könnte den Schritt überdenken, „wenn sie (die Deutschen) anfangen, ihre Rechnungen zu bezahlen“. Trump warf Deutschland vor, die USA beim Handel und beim Militär zu übervorteilen. „Sie haben uns seit vielen Jahren ausgenützt. Deutschland schuldet der Nato Abermilliarden an Dollar“, behauptete er weiter.
Auch Esper forderte die Bundesregierung erneut zu einer Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben auf. Deutschland sei „das wohlhabendste Land in Europa“ und könne und sollte daher auch „mehr für seine Verteidigung ausgeben“, forderte der Minister.
Deutschland hat sich dem Nato-Ziel inzwischen angenähert, liegt mit 1,38 Prozent aber immer noch deutlich darunter. Die USA geben trotz ihres deutlich höheren BIP allerdings 3,4 Prozent für die Verteidigung aus.
Kritik aus USA und Deutschland
Zur Umsetzung des geplanten – und wahrscheinlich aus logistischen Gründen teils langwierigen – Teilabzugs dürfte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Im US-Kongress hat sich bereits bei Trumps Republikanern und den Demokraten Widerstand formiert.
Der Plan wird dort vor allem kritisch gesehen, weil er das Verteidigungsbündnis Nato schwächen und Russland in die Hände spielen könnte. Im Senat und im Repräsentantenhaus gibt es daher Pläne, den Teilabzug über das Gesetz zum kommenden Militärhaushalt zu verhindern.
Zudem bewirbt sich Trump im November um eine zweite Amtszeit. Falls er die Wahl verlieren sollte, könnte der neue Präsident die Pläne auf Eis legen. Der republikanische US-Senator Mitt Romney nannte die Pläne Trumps einen „schwerwiegenden Fehler. Es ist ein Schlag ins Gesicht eines Freundes und Verbündeten“, erklärte er auf Twitter.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisierte die US-Entscheidung. „Statt der Stärkung der Nato führt der Truppenabzug zu einer Schwächung des Bündnisses. Die Schlagkraft des US-Militärs wird nicht erhöht, sondern verringert, gerade mit Blick auf Russland und militärische Dauerkonflikte im Nahen- und Mittleren Osten“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags der Augsburger Allgemeinen.
In Deutschland trafen die Pläne Trumps überwiegend auf Kritik. Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, nannte sie „bitter für die betroffenen Gemeinden, Landkreise und Bundesländer“. Die Reduzierung liege „nicht im Sicherheitsinteresse Deutschlands oder der Nato – und macht auch geopolitisch für die USA keinen Sinn“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Dies belastet leider das deutsch-amerikanische Verhältnis. Dabei ist der militärische Nutzen nicht erkennbar.“ Die Linke begrüßte den Truppenabzug dagegen. Außenpolitikerin Sevim Dagdelen forderte Trump auf, auch die verbleibenden US-Soldaten abzuziehen „und die US-Atomwaffen gleich mitzunehmen“.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verhielt sich neutral zum von den USA erklärten Truppenabzug der Soldaten aus Deutschland. Für ihn unterstreicht die Ankündigung „das anhaltende Engagement der Vereinigten Staaten für die Nato und die europäische Sicherheit“.
Von 250.000 auf zukünftig 24.000 Soldaten
Die US-Truppen galten in der Zeit des Kalten Krieges als Sicherheitsgarant für die Bundesrepublik. Damals gab es zeitweise fast 250.000 US-Soldaten in Deutschland. Nach dem Fall der Mauer wurde allerdings radikal reduziert: Im Jahr 2000 waren es nur noch 70.000 US-Soldaten, zehn Jahre später 48.000 und heute sind nur noch rund 36.000 übrig – sollte der geplante Truppenabzug durchgeführt werden, wäre die Anzahl der Soldaten der USA auf 24.000 geschrumpft.
Damit ist Deutschland aber immer noch der zweitwichtigste Truppenstandort der USA weltweit nach Japan. Die Truppenstationierung ist aber auch heute noch ein wesentliches Bindeglied zwischen beiden Ländern. Da ist einerseits der zwischenmenschliche Aspekt: Über die Jahrzehnte sind Tausende Freundschaften, Partnerschaften und Ehen zwischen Deutschen und Amerikanern entstanden. Für die Regionen um die US-Stützpunkte kommt der wirtschaftliche Aspekt hinzu.
Allein in Rheinland-Pfalz werden mehr als 7.000 deutsche Ortskräfte von den US-Streitkräften beschäftigt, in ganz Deutschland sollen es 12.000 sein. Daneben hängen viele Tausende weitere Arbeitskräfte vor allem in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern an den US-Truppen. Allein der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein generiert Schätzungen zufolge jedes Jahr zwei Milliarden US-Dollar an Löhnen, Gehältern, Mieten und Aufträgen in der regionalen Wirtschaft.
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