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Polen: Andrzej Duda nach Zitter-Wahl vor zweiter Amtszeit als Präsident

Mit einem hauchdünnen Sieg gegen den europafreundlichen Herausforderer Trzaskowski hat sich Amtsinhaber Duda bei der Präsidentenwahl eine zweite Amtszeit gesichert. Foto: Leszek Szymanski/PAP/dpa
Mit einem hauchdünnen Sieg gegen den europafreundlichen Herausforderer Trzaskowski hat sich Amtsinhaber Duda bei der Präsidentenwahl eine zweite Amtszeit gesichert. Foto: Leszek Szymanski/PAP/dpa

Der Ausgang der zweiten Runde in der polnischen Präsidentenwahl war äußerst knapp. Duda fand Rückhalt auf dem Land sowie im Süden und Osten. Die Großstädter wählten meist Trzaskowski. Wird der Präsident ihren Willen zum Wandel bei seiner künftigen Politik berücksichtigen?

Am Tag nach der Wahl richtete Andrzej Duda, neuer und alter Präsident von Polen, einen eindringlichen Appell an seine Landsleute. „Ich bitte Euch, helft mir dabei, unser Polen und unsere Gesellschaft wieder zusammenzuleimen“, sagte der Wahlsieger bei einem Besuch in dem Dorf Odrzywol südlich von Warschau

Er glaube daran, dass die Menschen in seinem Land sich die Hand reichen könnten. Die Spaltung in ein ländliches und ein städtisches Polen müssen überwunden werden.

Tags zuvor hatte er für die Friedensbotschaft nach der erneuten Wahl zum Präsident in Polen seine Tochter Kinga vorgeschickt. Ganz in weiß gekleidet trat die junge Frau am Wahlabend ans Mikrofon.

Ihr Appell: Niemand solle sich in Polen fürchten müssen, sein Haus zu verlassen. „Denn unabhängig davon, an was wir glauben, welche Hautfarbe und welche Ansichten wir haben, wen wir politisch unterstützen und wen wir lieben: Wir sind alle gleich und haben alle Respekt verdient.“

Es waren ungewohnte Töne der Toleranz nach einem Wahlkampf, der vor allem von Dudas Lager um die nationalkonservative Regierungspartei PiS mit großer Härte geführt worden war. Polen ist nun gespaltener denn je.

51 Prozent für Duda

Und das zeigt sich auch am Wahlergebnis: Duda bekam nach dem offiziellen Endergebnis 51 Prozent. Trzaskowski, auf den demnach 49 Prozent entfielen, gratulierte Duda auf Twitter – und schob nach: „Möge diese Amtszeit eine wirklich andere werden.“

Internationale Beobachter kritisierten, die Stichwahl sei von einseitiger Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien Polens sowie intoleranter Rhetorik begleitet gewesen. „Die politische Polarisierung sowie die fehlende Unparteilichkeit in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender lenkten von einer gut organisierten Wahl ab“, kritisierte Thomas Boserup von den Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Montag in Warschau.

Besonders bei der Wahlkampagne Dudas und in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender seien den OSZE-Beobachtern Fälle von fremdenfeindlicher, homophober und antisemitischer Rhetorik aufgefallen. Zudem hätten Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und andere Mitglieder der nationalkonservativen PiS-Regierung öffentliche Auftritte im Amt als Wahlkampfhilfe für Duda genutzt.

Große regionale Unterschiede

Der 48-jährige Jurist Duda wurde von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS unterstützt, die mit der EU-Kommission im Konflikt um ihre Reformpolitik steht. Trzaskowski, der seit 2018 Oberbürgermeister von Warschau ist, war für die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) ins Rennen gegangen und führte einen europafreundlichen Wahlkampf.

Wie bei vorangegangenen Wahlen in Polen zeigten die Einzelergebnisse große regionale Unterschiede. In allen elf polnischen Großstädten mit mehr als 250.000 Einwohnern lag Trzaskowski klar vorn. Er punktete auch im Norden und im Westen des Landes. Duda dagegen hatte seinen Rückhalt vor allem bei der Landbevölkerung und im stark katholisch geprägten Süden und Osten. In der südpolnischen Region Vorkarpaten kam er beispielsweise auf 70,9 Prozent der Stimmen.

Die FDP-Mitteleuropaexpertin im Bundestag, Renata Alt, wertete den knappen Ausgang der Wahl als Zeichen für die Spaltung der polnischen Gesellschaft. „Das starke Ergebnis von Trzaskowski zeigt, dass ein großer Teil der polnischen Gesellschaft eine Politik will, die die liberalen und proeuropäischen Werte aktiv verteidigt“, erklärte sie. Die EU und Deutschland müssen sich weiterhin für den Schutz der Pressefreiheit einsetzen, denn die Verbalattacken, mit denen Duda zuletzt auch versucht habe, kritische Stimmen in Deutschland einzuschüchtern, seien inakzeptabel.

In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre lang. Das Staatsoberhaupt repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Ministerpräsidenten sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Außerdem kann er mit seinem Veto-Recht Gesetzentwürfe stoppen. Im Parlament ist dann eine Drei-Fünftel-Mehrheit nötig, um das Veto des Präsidenten zu überstimmen.

Auswirkungen:

Stadt gegen Land, West gegen Ost, progressive Liberale gegen rückwärtsgewandte Bewahrer: Die Wahl hat einmal mehr verdeutlicht, dass in Polen zwei Gesellschaften neben- und gegeneinander leben.

Duda hat die Gegensätze im Wahlkampf noch angefacht, indem er gegen sexuelle Minderheiten hetzte und antideutsche Ressentiments aus der Mottenkiste holte. Wohin führt er sein Land in den kommenden fünf Jahren?

Deutsch-Polnisches Verhältnis

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte in Brüssel: „Es ist eine demokratische Wahl gewesen, mit einem Ergebnis, das respektiert wird und das akzeptiert wird.“ Die bilaterale Zusammenarbeit mit Polen solle unabhängig vom Wahlausgang weiterentwickelt werden.

In den deutsch-polnischen Beziehungen werde sich nicht viel ändern, glaubt der Politologe Antoni Dudek. Eine „kalte bis sehr kalte Politik“ Warschaus werde weiterhin das Verhältnis zu Berlin dominieren.

Im Wahlkampf kritisierte Duda die angebliche Einmischung deutscher Medien in den Präsidentenwahlkampf. Der 48-jährige Jurist war angefressen, nachdem eine polnische Boulevardzeitung, die zum Teil in deutschem Besitz ist, über seine Begnadigung eines Pädophilen berichtet hatte. Später beschimpfte er öffentlich den Warschau-Korrespondenten einer deutschen Tageszeitung.

„Nach dieser Wahlkampagne wird Duda nicht besonders interessiert sein, die Beziehungen zu Berlin abzumildern“, prophezeit Dudek. Ohnehin bleibe aber der mächtige PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski der wichtigste Player bei der Gestaltung der polnischen Außenpolitik.

Reparationszahlungen

Vor der Parlamentswahl im Oktober hatten Vertreter der PiS-Regierung darauf gepocht, dass Deutschland dem Land Entschädigungen für die Schäden aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zahlen müsse. Doch ein angekündigter Bericht einer Parlamentskommission zur Höhe der Schäden wurde bislang nicht veröffentlicht.

Die PiS thematisiere gerne „nicht-existente“ Spannungen zwischen Deutschland und Polen, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren, sagt die Politologin Ewa Marciniak. Das Thema Reparationen hält sie aber auch bei einer zweiten Amtszeit Duda für erledigt: „Das wird kein Gegenstand ernsthafter Gespräche und Diskussionen von Politikern und Historikern. Die Zeit ist vorbei.“

Verhältnis zur EU

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hielt sich mit einem Kommentar zum Ausgang der Wahl in Polen und zur zweiten Amtszeit von Duda als Präsident am Montag zunächst zurück. Nach der Bekanntgabe des offiziellen Ergebnis gratulierte sie Duda zur Wiederwahl. Sie freue sich darauf, mit ihm bei den vielen Herausforderungen zusammenzuarbeiten, denen Europa und Polen gegenüberstünden, schrieb Ursula von der Leyen auf Twitter.

Brüssel beobachtet den Umbau des polnischen Justizsystems mit großer Sorge, die EU-Kommission leitete wegen mutmaßlicher Verstöße gegen EU-Recht mehrere Verfahren ein. Warschau zeigte sich allerdings wenig einsichtig – auch nicht nach Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof.

Mit der Wahl Dudas ist nach Ansicht von Michal Baranowski vom German Marshall Fund mit einer Fortsetzung dieser Politik zu rechnen. Seiner Ansicht nach dürften in den kommenden Jahren weitere Veränderungen im Land vorangetrieben werden, die mitunter gegen Regeln und Werte der EU verstoßen. Auch Judy Dempsey vom Thinktank Carnegie Europe wertet Dudas Wahl als „keine gute Nachricht für die EU“.

Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przylebski, geht hingegen davon aus, dass Duda in seiner zweiten Amtszeit selbstständiger und europafreundlicher agieren wird. „Präsident Duda weiß, dass die polnischen Bürger sehr europa-enthusiastisch sind, und er wird nach diesem Wunsch handeln, nehme ich an“, sagte Przylebski dem ARD-Morgenmagazin.

Zur Frage, welche Bedeutung der Wahlausgang für die EU hat, gab sich der deutsche Außenminister Heiko Maas zuversichtlich: „Ich kann nur aus meiner Zusammenarbeit mit meinem polnischen Kollegen berichten, dass ich den Eindruck habe, dass es den festen Willen gibt, Polen als einen festen Bestandteil der Europäischen Union weiterzuentwickeln.“

Sexuelle Minderheiten

Im Wahlkampf positionierte sich Duda gegen sexuelle Minderheiten und wurde dafür auch im Ausland heftig kritisiert. Am Wahlabend unternahm er einen ungelenken Versuch, den Schaden wieder gut zu machen: In seiner Nachbarschaft habe mal ein schwules Paar gelebt. „Sehr nette, normale Männer“ seien das gewesen.

Trotzdem erwartet Magdalena Swider von der Kampagne gegen Homophobie wachsende Intoleranz gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-Menschen. „Andrzej Duda hat sehr klar gemacht, dass er für LGBT-Menschen die Hölle vorbereitet“, sagt sie.

Beispielsweise plane Duda eine Verfassungsänderung, die gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption von Kindern verbieten solle. „Die ganze Familienpolitik schließt solche Familie aus, die nicht aus Mutter, Vater und Kindern bestehen“, sagte Swider.

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