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Kognitionsforscher: Computerspielsucht kann Gehirn verändern

Computerspielsucht kann nach aktuellem Forschungsstand das Gehirn verändern, schreibt der Duisburger Psychologe Prof. Brand. Foto: Oliver Berg/dpa
Computerspielsucht kann nach aktuellem Forschungsstand das Gehirn verändern, schreibt der Duisburger Psychologe Prof. Brand. Foto: Oliver Berg/dpa

Etwa drei Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelten als computerspielsüchtig. Das ist eine ernste Erkrankung und zeigt sich auch im Gehirn. Doch Heilung ist möglich, das Gehirn kann sich wieder auf den gesunden Zustand zurückentwickeln, so Studien.

Computerspielsucht ist eine ernsthafte Erkrankung, die im Gehirn messbare Veränderungen hervorrufen kann und dabei durchaus mit Alkohol- oder Drogensucht vergleichbar ist. Das schreibt der Duisburger Psychologe und Kognitionsforscher Matthias Brand in einem Beitrag für das Fachjournal „Science“.

Im Mai 2019 hatte die WHO beschlossen, Computerspielsucht (gaming disorder) in den Katalog anerkannter Krankheiten aufzunehmen. Seit Anfang dieses Jahres können damit ambulante oder stationäre Therapien bei der Krankenkasse abgerechnet werden.

Es sei gut, dass Computerspielsucht nun offiziell als Störung gelte und damit die Personen, die es betrifft, Zugang zum Hilfesystem bekämen, sagte Matthias Brand der Deutschen Presse-Agentur dpa. Deshalb solle aber niemand in Panik geraten und das Internet als Ganzes verteufeln, riet er.

Nach internationalen Studien lägen Computerspielstörungen bei etwa drei Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor. „Das heißt auch, dass die überwiegende Mehrheit das Internet funktional in den Alltag integriert nutzt“, so Matthias Brand.

Computerspiele regen das Belohnungssystem an

Matthias Brand beschreibt in dem Aufsatz den Forschungsstand. Demnach regen Onlinespiele das Belohnungssystem im sogenannten ventralen Striatum des Gehirns unterhalb der Hirnrinde an.

Während des Suchtprozesses werde – wie bei den stoffgebundenen Süchten – das Verhalten immer automatisierter bis zwanghafter. Zugleich sei die Selbstkontrolle reduziert, die vor allem im seitlichen Stirnhirn angesiedelt ist.

Das lasse sich mit funktioneller Kernspintomographie (fMRT) nachweisen, beispielsweise wenn Computerspielsüchtigen im Scanner Bilder von Spielen gezeigt würden und dabei die Hirnaktivität gemessen werde. „Vieles zu den Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen sei aber noch unklar“, so Matthias Brand in dem Artikel.

Eine spontane Erholung von der Computerspielsucht sei möglich – etwa, wenn Jugendliche mehrere Jahre exzessiv gespielt hätten, dann aber nach Veränderungen der Lebensumstände von sich aus aufhörten, sagte Brand der dpa. Bei anderen manifestiere sich die Krankheit längerfristig. „Aber auch da gibt es Befunde, die zeigen, dass Therapie erfolgreich sein kann. Nicht bei allen, aber bei vielen.“

Das Gehirn kann sich wieder regenerieren

Das Überwinden der Sucht gehe auch mit einer Normalisierung des Gehirns einher. „Das Hirn ist lernfähig, es hat eine Plastizität“, sagte Matthias Brand. „Es verändert sich bei den Verhaltenssüchten im Verlauf des Suchtprozesses, aber wir sehen auch, dass das reversibel ist.“

Für das Erkennen der Internetsucht sei nach den Kriterien der WHO nicht die tägliche Nutzungsdauer ausschlaggebend. Entscheidend sei vielmehr eine verringerte Kontrolle über das Spielverhalten, Vorrang des Spiels im Vergleich zu anderen Verhaltensweisen und die Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen wie sozialer Isolation oder schlechter Noten.

Das Ganze muss nach den WHO-Kriterien so ausgeprägt sein, dass es zu funktionellen Beeinträchtigungen im Alltag oder starkem Leidensdruck kommt.

Bei der Einstufung als Sucht sollten etwa Eltern an diese strengen Kriterien denken und nicht ein phasenweise leidenschaftliches Spielen gleich pathologisieren, riet der Psychologe.

© dpa-infocom, dpa:220520-99-364597/3

➡️ Beitrag von Brand in Sciene



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