Berlin (dpa) – Während viele Menschen in Deutschland noch auf ihre
Corona-Impfung warten, arbeiten Hersteller schon an der
nächsten Impfstoff-Generation. Erste solche Präparate könnten nach
Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) im
Erfolgsfall noch in diesem Jahr zugelassen werden.
Dabei werden einem vfa-Sprecher zufolge vor allem drei Strategien
verfolgt: Erstens geht es um eine stärkere Immunisierung, indem die
Immunabwehr etwa durch Antikörper noch mehr aktiviert wird. Im
zweiten Fall wird an der Immunisierung gegen das sogenannte
Spikeprotein, das an der Außenhülle des Coronavirus sitzt, oder gegen
mehrere solche Spikeproteine gearbeitet. Und schließlich wird an der
Immunisierung auch gegen andere Sars-CoV-2-Bestandteile geforscht wie
etwa das sogenannte Nukleokapsid. Dieser zentrale Teil des Virus
besteht aus Proteinhülle (Kapsid) und viraler Nukleinsäure.
Die Gründe für derartige Forschung sind sehr unterschiedlich. Zum
einen gelten die bisherigen Impfstoffe zwar als wirksam gegen die
ursprüngliche Variante des Virus. Doch schon bei manchen Mutanten
lässt die Wirkung nach. Und da sich das Virus weiter verändern wird,
will man vorbereitet sein. Zum anderen ist nach wie vor unklar, ob
und in welchem Zeitabstand Auffrischimpfungen – sogenannte Booster –
notwendig sein werden.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (
RKI) ist bisher auch nicht
bekannt, ob solche Booster besser mit einem anderen Impfstofftyp
erfolgen sollten als mit dem zuerst gespritzten Präparat. Die
Beantwortung dieser Frage hänge von Faktoren ab wie der Dauer des
Impfschutzes nach der ersten Impfserie oder der Wirkweise des
Impfstoffs, heißt es beim RKI. Der Vorsitzende der Ständigen
Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte jüngst den Zeitungen
der Funke Mediengruppe gesagt, dass wohl alle Geimpften im
nächsten Jahr ihren Impfschutz auffrischen lassen müssten.
Wirksamkeit der Impfstoffe fortlaufend getestet
Hersteller wie
Biontech/Pfizer oder Johnson & Johnson testen
fortlaufend die Wirksamkeit ihrer Produkte bei Mutanten und auch die
Dauer des Impfschutzes. Nach ersten Ergebnissen wirken die Impfstoffe
nach einem halben Jahr noch einwandfrei.
Moderna untersucht drei
verschiedene Booster-Impfungen, die Ende des Jahres auf den Markt
kommen könnten, wie Europachef Dan Staner dem „Handelsblatt“ sagte.
Von Curevac, dessen erster Impfstoff noch nicht zugelassen ist, gab
es trotz Nachfrage keine Informationen zu weitergehenden Forschungen.
Ferner arbeiten Biontech und Pfizer beispielsweise daran, dass ihr
Impfstoff auch für 12- bis 15-Jährige und jüngere Kinder eingesetzt
werden kann. Seit Ende März lassen die Unternehmen ebenso die
Verabreichung einer einzelnen Auffrischungsimpfung fünf bis sieben
Monate nach Erhalt der zweiten Biontech-Dosis untersuchen. Dabei wird
auch ein modifizierter Impfstoff getestet, der an das Spikeprotein
der aus Südafrika bekannten Variante B.1.351 angepasst wurde.
Angelaufen ist zudem eine Schwangerenstudie.
Der Biontech-Vorstandsvorsitzende Ugur Sahin hatte bei einer
Veranstaltung des Science Media Centers gesagt, er wolle auch Studien
durchführen bei Menschen, deren Immunabwehr unterdrückt ist. Das kann
zum Beispiel infolge einer Erkrankung wie Aids passieren oder wenn
man Medikamente nehmen muss, um die körpereigenen Reaktionen zu
hemmen – etwa im Rahmen einer Krebstherapie.
Anders als bei den mRNA-Impfstoffen wie von Biontech/Pfizer muss das
Vakzin von Johnson & Johnson wegen einer anderen Art der Anwendung
bislang nur einmal gespritzt werden. Es würden aber auch Wirksamkeit
und Sicherheit von zwei Dosen untersucht, erklärte eine Sprecherin
der Janssen-Cilag GmbH, die zu
Johnson & Johnson gehört. „Wir
erwarten im Sommer 2021 erste Daten aus dieser Studie.“
Entwicklung von Impfstoffen der zweiten Generation
Darüber hinaus erprobe das Unternehmen, ob andere am Schutz gegen
Sars-CoV-2 beteiligte Immunfunktionen, wie die sogenannten
T-Zell-Immunantworten, auch gegen neuen Varianten wirksam sind.
„Parallel dazu beschäftigen wir uns bereits mit der Entwicklung eines
Impfstoffs der zweiten Generation und werden unsere Erkenntnisse aus
unserem aktuellen Covid-19-Programm nutzen, um diese Bemühungen zu
beschleunigen“, teilte die Sprecherin mit.
Doch nicht nur die Hersteller selbst befassen sich mit solchen
Forschungen. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen hat eine
ganze Reihe an Projekten aufgelistet, die im Moment an Impfstoffen
der zweiten Generation arbeiten. Dazu zählt die Entwicklung einer
Schluckimpfung mit gentechnisch veränderten, lebenden
Typhus-Impfbakterien, die zwei verschiedene Proteine von Sars-CoV-2
tragen. An dem Vorhaben ist die Universität Würzburg beteiligt.
Inwiefern das alles nötig ist, kann man derzeit schwer abschätzen.
Prognosen sind wegen vieler nicht zu beantwortender Fragen kaum
möglich. Die Leiterin der Sektion Infektiologie am Zentrum für Innere
Medizin des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf, Marylyn Addo, hatte beim
Science Media Center gesagt, bei eingedämmtem Infektionsgeschehen
gebe es auch weniger Mutationen. „Dann müssen wir uns diesem Thema
der neuen Mutationen vielleicht gar nicht so dramatisch stellen.“
Und wenn das doch notwendig wird? Das für die Impfstoffzulassung
zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat keinen Einfluss auf die
Entwicklungen, verweist aber zumindest auf Aussagen der Hersteller
der mRNA-Impfstoffe. Die gingen davon aus, innerhalb von sechs
Monaten Anpassungen vornehmen zu können. Innerhalb weiterer sechs
Monate wollten sie dann Millionen Impfstoffdosen produzieren können.
© dpa-infocom, dpa:210526-99-745284/6