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Corona-Blues: Die psychischen Reserven sind aufgebraucht

Der monatelange Lockdown ist noch nicht vorbei, trotzdem steigen die Corona-Infektionszahlen wieder, und dann bricht auch noch einer der Impfstoffe erst mal weg: Die Verzweiflung über die Situation scheint in diesen Tagen besonders groß. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Der monatelange Lockdown ist noch nicht vorbei, trotzdem steigen die Corona-Infektionszahlen wieder, und dann bricht auch noch einer der Impfstoffe erst mal weg: Die Verzweiflung über die Situation scheint in diesen Tagen besonders groß. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Steigen die Zahlen wieder? Wird endlich mehr geimpft? Schicke ich meine Kinder in die Schule? Das sind einige der Fragen, die Menschen momentan ständig durch den Kopf schwirren. Gerade ist die Situation besonders trübe – doch die Hoffnung sollte nicht verloren gehen.

Aachen/Berlin (dpa) – Der monatelange Lockdown ist noch gar nicht
vorbei, dennoch steigen die Corona-Infektionszahlen schon wieder, und
dann bricht auch noch einer der Impfstoffe erstmal weg. Die
Verzweiflung über die Pandemie-Lage scheint dieser Tage besonders
groß zu sein.

„Es ist einfach anstrengend. Alles wie in einem Nebel“, schrieb der
Satiriker Jan Böhmermann bei Twitter. Die Journalistin
Teresa Bücker flüchtete sich in Sarkasmus. Sie sei froh, dass sie im
vorigen Jahr schwanger war – und nicht in diesem: „Wenigstens ab und
an mal einen Schnaps trinken und laufen gehen zu können, um nicht den
Verstand zu verlieren, macht es ein wenig leichter als damals als
Kugel.“

Sehnsucht nach etwas Normalität

Ähnlich äußern sich sehr viele Nutzerinnen und Nutzer in den Sozialen
Medien. Der Tenor: Jetzt dauert es womöglich noch länger mit dem
Impfen! Wann ist endlich wieder an etwas Normalität zu denken? Die
Aussetzung der Impfungen mit dem Vakzin von Astrazeneca hat offenbar
vielen den Rest gegeben. Eltern, die seit Monaten Homeoffice und
Kinderbetreuung unter einen Hut bringen müssen. Anderen, die trotz
Pandemie jeden Tag weiter zu Arbeit müssen: Krankenpflegerinnen,
Supermarktkassierer und Arbeiter in Fleischfabriken etwa. Und
Kindern, die jetzt teilweise wieder in die Schulen dürfen, aber
sicher auch viel von der Unsicherheit um sie herum mitbekommen.

„Die psychischen Reserven vieler Menschen gehen allmählich zur
Neige“, sagt Barbara Lubisch von der Deutschen
Psychotherapeutenvereinigung. Es werde für einige immer schwerer,
neue Kräfte zu schöpfen. Das könne auch zu einer Verschärfung
bestehender depressiver Verstimmungen oder Angststörungen führen.
„Das ist schon eine Belastung, die sich aufhäuft. Das ist schwer.“

Selbst Optimisten äußern Zweifel

Es ist einfach viel zu verarbeiten: Der lange Lockdown, die ständige
Sorge um Familienmitglieder, Freunde und Freundinnen, die schleppende
Impfkampagne und die Probleme bei der Teststrategie – um nur einiges
zu nennen. Selbst die größten Optimisten äußern Zweifel. „Es werden
natürlich Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht. Das muss man erst
mal verdauen“, sagt die Aachener Psychotherapeutin Lubisch. Eine
klare zeitliche Perspektive fehle. „Es geht schon wieder die
Ungewissheit los: Wie geht es überhaupt weiter? Wann können wir
wieder Feste feiern oder verreisen oder überhaupt nur Freunde
treffen?“

Nach einem Jahr Pandemie ist die Geduld offenbar aufgebraucht, die
Stimmung schlägt immer häufiger auch in Ärger um: Er habe nicht den
ganzen Winter alleine in der Bude gesessen, damit er den ganzen
Sommer allein auf dem Balkon sitze, schrieb der Comedian Aurel Mertz
bei Twitter. „Spritzt uns jetzt endlich oder ich kann für nichts mehr
garantieren.“

Und die Netzaktivistin Anne Wizorek betonte im selben Netzwerk: Man
könne dafür sein, dass der wissenschaftlichen Empfehlung von
Fachleuten gefolgt werde – und trotzdem angesichts der Neuigkeiten
zum Astrazeneca-Stopp erstmal verzweifeln. Seit einem Jahr lebe man
in der Pandemie: „Wir sind fix und alle.“ Die Nutzerin Ashley Winkler
klagte: „Ich hab‘ einfach keine Emotionen mehr übrig.“

Der Wunsch, mal rauszukommen, ist groß

Manche flüchten sich in Fluchttendenzen. Auch wenn die
Bundesregierung zum Verzicht aufruft – die Nachfrage nach
Osterurlauben auf Mallorca ist groß, seit die Reisewarnung für die
beliebteste Ferieninsel der Deutschen aufgehoben wurde. Es wären
sicher auch unter normalen Umständen viele Menschen nach Mallorca
geflogen, sagt Lubisch. „Dass das jetzt viele tun, kann ich
nachvollziehen. Aber nur weil es erlaubt ist, heißt es nicht, dass es
vernünftig ist.“ Es gebe den Wunsch, rauszukommen, etwas zu sehen,
auf dass man sich eventuell schon im vergangenen Jahr gefreut hatte.

Doch bei Anderen führt das zu Ärger. Denn schließlich soll auf Reisen
doch eigentlich gerade verzichtet werden. Dass sich Menschen ärgern,
die sich nach eigener Einschätzung strenger an die Regeln halten, sei
eine verständliche Reaktion, sagt Lubisch.

Doch wie kann es gelingen, wieder etwas hoffnungsvoller auf die
Situation zu blicken? Man könne sich in Erinnerung rufen, dass die
Krise wahrscheinlich letztlich doch eine vorübergehende sei. „Es gibt
verschiedene Impfstoffe, die Tage werden auf jeden Fall länger, das
Wetter wird besser, man wird mehr Möglichkeiten haben, sich zu
draußen zu sehen“, zählt Lubisch auf. Denn es sei wichtig, positive
Perspektiven zu entwickeln – „immer wieder“.

© dpa-infocom, dpa:210317-99-856415/4

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