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Belastungsstörungen sind therapierbar

Wer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, fühlt sich im Alltag oft wie betäubt. Foto: Eloisa Ramos/Westend61/dpa-tmn
Wer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, fühlt sich im Alltag oft wie betäubt. Foto: Eloisa Ramos/Westend61/dpa-tmn

Ein Unfall, ein Überfall, eine Naturkatastrophe: Schlimme Erlebnisse können Traumata hinterlassen. Für Betroffene wird der Alltag dann oft zur Qual. Wie finden sie raus aus dieser Situation?

Essen (dpa/tmn) – Es sollte ein heiterer Tag werden. Ein Ehepaar, beide Mitte 60, bricht zu einer Radtour auf. Der Mann fährt voraus, die Frau ist ein Stück hinter ihm. Dann passiert es: An einer Kreuzung missachtet ein Auto die Vorfahrt des Radlers. Vor den Augen seiner Frau gerät er unter die Räder.

Mit schwersten Kopfverletzungen kommt der Mann auf die Intensivstation, muss beamtet werden. Seine Frau besucht ihn, ist verzweifelt. Ihrem Mann ist nicht mehr zu helfen, er stirbt.

Zwei Monate später ziehen vor dem inneren Auge der Witwe ungewollt Bilder vorbei: Ihr Mann an der Unfallstelle. Das Beatmungsgerät. Der Arzt, der die Todesnachricht überbringt. Die Frau bekommt Herzrasen, Schweißausbrüche. Immer häufiger hat sie diese Flashbacks. Nachts bekommt sie wiederkehrende Albträume. Sie leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS.

In den Grundfesten erschüttert

Diesen Fall schildert Julia Schellong. Die Leitende Oberärztin Psychotraumatologie am Uniklinikum in Dresden erklärt daran, was sich hinter einer PTBS verbirgt: „Eine posttraumatische Belastungsstörung ist eine verzögerte psychische Reaktion auf ein Ereignis, das einen in seinen Grundfesten erschüttert hat.“

Oft ist der Alltag der Betroffenen stark beeinträchtigt. Immer wieder drängt sich vor dem inneren Auge filmartig das traumatische Erlebnis auf. „Sie sind völlig aus der Bahn geworfen und haben oft ein Gefühl des Betäubtseins“, sagt Schellong, die auch Leiterin des Referats für Psychotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist.

Es gibt unterschiedlichste Arten von traumatischen Erlebnissen: ein schwerer Verkehrsunfall, ein Gewaltverbrechen, eine Naturkatastrophe wie ein Erdbeben oder schwerer Missbrauch zum Beispiel.

Flashbacks durch ein Martinshorn

Nicht immer drängt sich das traumatische Erlebnis einfach so ins Bewusstsein des Betroffenen. Es könnten zum Beispiel auch bestimmte akustische Signale sein, die ein Flashback auslösten, erklärt Per Teigelack, Leitender Oberarzt an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LVR-Klinikum Essen. Etwa das Martinshorn eines vorbeifahrenden Rettungswagens.

Eine posttraumatische Belastungsstörung kann sich auch in einem Vermeidungsverhalten äußern. Zum Beispiel, wenn sich jemand, der nachts auf der Straße zusammengeschlagen wurde, danach nicht mehr zu späterer Stunde vor die Tür traut. Zu ständigem Unsicherheitsgefühl kämen Symptome wie Schlaflosigkeit, extreme Reizbarkeit oder auch Konzentrationsschwierigkeiten, so Teigelack.

PTBS-Patienten können außerdem emotional abgestumpft, gleichgültig und teilnahmslos gegenüber anderen sein. „Bei vielen Betroffenen ist das Vertrauen in sich und andere schwer erschüttert“, erklärt Julia Schellong. Der Alltag kann für sie zur Qual werden.

Therapiemöglichkeiten nutzen

„Betroffene sollten nicht alleine versuchen, mit ihrem Problem fertigzuwerden, sondern so früh wie möglich Hilfe suchen“, empfiehlt Per Teigelack. Es gibt mehrere Therapiemöglichkeiten.

Anlaufstellen sind speziell ausgebildete Psychiater, Psychotherapeuten oder Experten in psychosomatischen Kliniken. Die Behandlung erfolgt je nach Schwere ambulant oder stationär.

In vielen Fällen zeigen die Therapeutin oder der Therapeut ihrem Patienten Möglichkeiten auf, wie er oder sie im Alltag besser mit den belastenden Symptomen umgehen kann. Etwa mit Entspannungstechniken oder Selbstberuhigungsübungen. Haben Betroffene eine gewisse innere Stabilität erreicht, können sie sich mit ihrem Therapeuten Schritt für Schritt an die traumatische Situation herantasten, sie anschauen, analysieren und eventuell neu bewerten.

Das Ereignis soll damit langsam seinen traumatischen Charakter verlieren und zu einer normalen Erinnerung werden. „Dem Patienten ist klar geworden, dass er das für ihn schreckliche Ereignis überstanden hat“, so beschreibt Julia Schellong das Ende dieses Prozesses. Man baut es schließlich in die eigene Lebensgeschichte ein.

© dpa-infocom, dpa:210209-99-366041/3

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