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Hochwasser in Deutschland: Mindestens 58 Tote nach Unwettern

Ein erster Eindruck aus dem vom Hochwasser besonders stark betroffenen Ort Schuld bei Adenau. Foto: Christoph Reichwein/TNN/dpa
Ein erster Eindruck aus dem vom Hochwasser besonders stark betroffenen Ort Schuld bei Adenau. Foto: Christoph Reichwein/TNN/dpa

Dutzende Menschen sind nach heftigen Unwettern im Westen Deutschlands gestorben. In einem kleinen Ort in der Eifel stürzen Häuser ein, Menschen werden vermisst. Auch andernorts bleibt die Lage angespannt.

Ganze Landstriche sind verwüstet, Häuser vom Hochwasser weggespült: Nach Unwettern im Westen von Deutschland sind über 50 Tote zu beklagen. In Rheinland-Pfalz werden Dutzende Menschen vermisst. Politiker äußerten ihr Mitgefühl, dankten den Helfern und Einsatzkräften und machten sich auf den Weg ins Katastrophengebiet.

Die Zahl der Toten lag am Donnerstagabend bei mindestens 49, bevor der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) im SWR Fernsehen sagte, dass er von neun weiteren Todesopfern ausgehe, die von der Feuerwehr geborgen worden seien – mindestens 58 Tote sind so in Deutschland nach den Unwettern und dem Hochwasser zu beklagen.

Bei den neun weiteren Toten handelte es sich um Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Sinzig, wie eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Innenministeriums am späten Abend sagte. Die Fluten seien schneller gekommen, als die Menschen hätten in Sicherheit gebracht werden können. Der Einsatz an der Einrichtung lief am Abend noch. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.

Die Lage war nach dem Dauerregen vielerorts in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen unübersichtlich. Retter und Retterinnen brachten Menschen in überschwemmten Orten zum Teil mit Booten in Sicherheit. Viele suchten auf Bäumen und Hausdächern Schutz vor den Fluten, Rettungshubschrauber waren im Einsatz.

Die von der Polizei zur Verfügung gestellte Luftaufnahme zeigt den vom Ahr-Hochwasser überfluteten Ortsteil Altenburg in Altenahr. Foto: -/Polizei/dpa
Die von der Polizei zur Verfügung gestellte Luftaufnahme zeigt den vom Ahr-Hochwasser überfluteten Ortsteil Altenburg in Altenahr. Foto: -/Polizei/dpa

Es sei schwierig, die Vermissten zu erreichen, da das Mobilfunknetz zum Teil ausgefallen sei, sagte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), am Donnerstag in Mainz. „So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend.“

NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) machte sich in Altena und in Hagen ein Bild von der Lage. Rund 440 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk und 100 Kräfte der Bundeswehr waren allein in Hagen unterwegs, um der Wassermassen Herr zu werden.

Ein teilweise eingestürztes Gebäude in dem vom Ahr-Hochwasser überfluteten Ortsteil Altenburg in Altenahr. Foto: -/TV7/dpa
Ein teilweise eingestürztes Gebäude in dem vom Ahr-Hochwasser überfluteten Ortsteil Altenburg in Altenahr. Foto: -/TV7/dpa

Eine Reise durch Süddeutschland hatte Laschet abgebrochen und auch seine Teilnahme an der CSU-Klausur im bayerischen Seeon abgesagt.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) unterbrach wegen des Hochwassers seinen Urlaub. Der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat machte sich zusammen mit Dreyer ein Bild von der Lage im Katastrophengebiet. Er zeigte sich betroffen von der „gewaltigen Zerstörung, die die Natur angerichtet hat“.

Aber diese Naturkatastrophe habe „sicher auch etwas damit zu tun“, dass der Klimawandel mit Geschwindigkeit fortschreite, sagte er. Auch die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kehrte vorzeitig aus dem Urlaub zurück.

Wassermassen in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte den Betroffenen Unterstützung zu. „Dies sind für die Menschen in den Überschwemmungsgebieten entsetzliche Tage. Meine Gedanken sind bei ihnen.“

Sie könnten darauf vertrauen, dass alle Kräfte des Staates gemeinsam alles daran setzen würden, auch unter schwierigsten Bedingungen Leben zu retten, Gefahren abzuwenden und Not zu lindern. „Ich möchte den Helfern von ganzem Herzen für ihren Einsatz danken, von dem wir wissen, dass er zum Teil wirklich sehr, sehr gefährlich ist.“

Aufgetürmt liegen Trümmer in dem besonders stark von dem Hochwasser betroffenen Ort Schuld. Foto: Thomas Frey/dpa
Aufgetürmt liegen Trümmer in dem besonders stark von dem Hochwasser betroffenen Ort Schuld. Foto: Thomas Frey/dpa

Die Bundesregierung plant nach Angaben von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ein Hilfsprogramm für die Betroffenen. „Wir werden als Bundesregierung ein Soforthilfeprogramm auflegen“, kündigte Klöckner am Donnerstag an.

In Rheinland-Pfalz waren mehrere Orte in der Eifel besonders schwer von dem Hochwasser betroffen. Mindestens 19 Menschen kamen in dem Bundesland ums Leben. Dutzende Menschen wurden noch vermisst.

Landesinnenminister Lewentz sagte, mehrere Tausend Bürger seien vor den Fluten in Sicherheit gebracht worden. An allen Behörden in Rheinland-Pfalz werden die Fahnen am Freitag auf halbmast gesetzt.

Häuser weggespült

Die mit einer Drohne gefertigte Aufnahme zeigt die Verwüstungen die das Hochwasser der Ahr in dem Eifel-Ort Schuld angerichtet hat. Hier waren in der Nacht sechs Häuser eingestürzt. Foto: Christoph Reichwein/TNN/dpa
Die mit einer Drohne gefertigte Aufnahme zeigt die Verwüstungen die das Hochwasser der Ahr in dem Eifel-Ort Schuld angerichtet hat. Hier waren in der Nacht sechs Häuser eingestürzt. Foto: Christoph Reichwein/TNN/dpa

In Schuld an der Ahr wurden in der Nacht zum Donnerstag nach Angaben der Polizei in Koblenz vier Häuser völlig und zwei weitere Häuser zur Hälfte weggespült.

Eine Vielzahl weiterer Gebäude ist einsturzgefährdet. Die Fluten schnitten mehrere Orte von der Außenwelt ab. Etwa 50 Menschen wurden von Hausdächern gerettet, auf denen sie Zuflucht gesucht hatten.

In dem Stadtteil selbst lief die Evakuierung der Wohnhäuser. „Es geht um etwa 100 bis 150 Menschen“, sagte Schmitz. „Wir nutzen Boote oder dort, wo die Strömung zu stark ist, eben Radlader.“ Rund 200 Rettungskräfte seien im Einsatz. „Plus 60 bis 70 Menschen von der Stadt. Jeder, der laufen und eine Schaufel halten kann, hilft.“

Die Kyll in Erdorf ist über die Ufer getreten und hat Teile des Dorfes geflutet. Foto: Harald Tittel/dpa
Die Kyll in Erdorf ist über die Ufer getreten und hat Teile des Dorfes geflutet. Foto: Harald Tittel/dpa

Auch im Eifelkreis Bitburg-Prüm wurden Menschen in ihren Häusern von den Wassermassen eingeschlossen. Die Bewohner von mehreren Gemeinden waren von Stromausfall und Einschränkungen der Trinkwasserversorgung betroffen.

In Trier wurden wegen des Hochwassers Teile der Ortslage Alt-Ehrang sowie ein Krankenhaus und ein Seniorenheim evakuiert. „Aus dem Heim wurden etwa 125 Menschen und aus dem Krankenhaus etwa 70 bis 80 Menschen weggebracht – einige frisch operiert“, sagte Stadtsprecher Michael Schmitz.

Evakuierung in Trier

In Nordrhein-Westfalen blieb die Lage ebenfalls weiter angespannt. Nach dem Abklingen des Starkregens kämpften Feuerwehr und andere Einsatzkräfte an vielen Orten mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Mindestens 30 Menschen starben, wie das NRW-Innenministerium mitteilte. 57 Personen seien zudem verletzt.

Die Polizei Köln berichtete von 20 Toten in der Region. Noch seien nicht alle gesichteten Leichen geborgen, teilte die Polizei Köln am Donnerstagnachmittag mit. Im Sauerland starben zwei Feuerwehrleute.

Einer von ihnen war in Altena bei der Rettung eines Mannes ertrunken. In einem überfluteten Keller eines Hauses in Geilenkirchen wurden zwei leblose Menschen gefunden. Nach ersten Ermittlungen handelte es sich um zwei Bewohner im Alter von 74 und 78 Jahren.

Durch heftigen Regenfälle war Flüsschen Nahma in Hagen zu einem reißenden Fluss geworden. Ein Anwohner schaut sich die verursachten Schäden an. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Durch heftigen Regenfälle war Flüsschen Nahma in Hagen zu einem reißenden Fluss geworden. Ein Anwohner schaut sich die verursachten Schäden an. Foto: Roberto Pfeil/dpa

An der Steinbachtalsperre wurden die Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim evakuiert. Die Talsperre sei von einem Sachverständigen als „sehr instabil“ eingestuft worden, sagte der Landrat des Kreises Euskirchen, Markus Ramers (SPD), der Deutschen Presse-Agentur.

Von der Evakuierung seien 4500 Einwohner betroffen. Gerüchte, wonach die Talsperre bereits gebrochen sei, hatte der benachbarte Kreis Ahrweiler zuvor dementiert.

Im Rhein-Erft-Kreis appellierte ein Sprecher der Polizei an Schaulustige, die Rettungsarbeiten nicht zu behindern. „Die aktuelle Situation, in der viele Menschen um Angehörige bangen und sich um ihr Hab und Gut sorgen, ist nicht der richtige Zeitpunkt für Schaulust“, sagte Thomas Held der dpa.

Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands überschritten.

© dpa-infocom, dpa:210715-99-386693/50

Weitere Fotos der dpa

Nach heftigem Starkregen ist in Altena ein Feuerwehrmann bei der Rettung eines Mannes ertrunken. Foto: Marc Gruber/7aktuell.de /dpa
Nach heftigem Starkregen ist in Altena ein Feuerwehrmann bei der Rettung eines Mannes ertrunken. Foto: Marc Gruber/7aktuell.de /dpa
Mit einem Bergepanzer und schwerem Räumgerät rückt die Bundeswehr an, um die Schäden die die Überflutung der Nahma am Vorabend mit sich gebracht hat, zu beseitigen. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Mit einem Bergepanzer und schwerem Räumgerät rückt die Bundeswehr an, um die Schäden die die Überflutung der Nahma am Vorabend mit sich gebracht hat, zu beseitigen. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Nur das Dach eines Autos schaut noch aus dem Wasser, das eine Bahnunterführung geflutet hat. Foto: Marius Becker/dpa
Nur das Dach eines Autos schaut noch aus dem Wasser, das eine Bahnunterführung geflutet hat. Foto: Marius Becker/dpa
Anwohner der Ortschaft Balken helfen sich durch Fluten der Wupper. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Anwohner der Ortschaft Balken helfen sich durch Fluten der Wupper. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Durch den starken Regenfall war die Wupper zum reissenden Gewässer geworden. Foto: Roberto Pfeil/dpa
Durch den starken Regenfall war die Wupper zum reissenden Gewässer geworden. Foto: Roberto Pfeil/dpa


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