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Neuer Bericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden

Ein Bundeswehrsoldat steht in der Alb-Kaserne. Das Bundesinnenministerium veröffentlicht zum zweiten Mal ein Lagebild mit dem Titel «Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden». Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Ein Bundeswehrsoldat steht in der Alb-Kaserne. Das Bundesinnenministerium veröffentlicht zum zweiten Mal ein Lagebild mit dem Titel «Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden». Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Wenn Extremisten an Orten arbeiten, wo sie Zugang zu sensiblen Daten und Waffen haben, ist das problematisch. Jetzt legt die Bundesinnenministerin den zweiten Bericht vor.

Berlin (dpa) – Unter den Bediensteten der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind innerhalb von drei Jahren 327 Mitarbeiter aufgefallen, die Bezüge zum Rechtsextremismus oder zur Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter haben.

Das geht aus dem zweiten Lagebericht zu „Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden“ hervor, den das Bundesinnenministerium am Freitag in Berlin veröffentlicht hat. Der Bericht betrachtet den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2021. Beobachtet wurde bei den auffälligen Mitarbeitern beispielsweise die Teilnahme an extremistischen Veranstaltungen, Kontakte zu extremistischen Parteien oder „Heil-Hitler“-Rufe.

Keine Hinweise auf ein überregionales Netzwerk

Auch wenn einige Akteure gemeinsam in Chatgruppen aktiv waren, in denen rechtsextremistische Inhalte geteilt wurden, liefert der Bericht keine Hinweise auf ein überregionales Netzwerk von Extremisten aus verschiedenen Sicherheitsbehörden. Was dem Verfassungsschutz, der die Informationen zusammengetragen hat, allerdings auffiel, sind die zahlreichen Verbindungen der als Rechtsextremisten eingestuften Mitarbeiter zu extremistischen Akteuren und Parteien sowie zu Organisationen der Hooligan- und Kampfsportszene, die dem „subkulturellen Rechtsextremismus“ zugerechnet werden.

Den Angaben zufolge waren im Erhebungszeitraum die Aktivitäten von insgesamt 860 Bediensteten betrachtet worden. Als Konsequenz aus diesen Fällen wurden im Berichtszeitraum 500 arbeits- und
disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet. In 38 Prozent der bewerteten Fälle lagen laut Bericht die Voraussetzungen für eine weitere nachrichtendienstliche Bearbeitung vor.

Die ganz überwiegende Mehrzahl der Angehörigen des öffentlichen Dienstes stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Ihr Ruf dürfe nicht unter wenigen Extremisten leiden. Damit jeder Extremismusfall klare Konsequenzen habe, müssten Bund und Ländern alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen – und dort, wo es nötig sei, die rechtlichen Instrumente nachschärfen. „Einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdisziplinargesetzes werde ich noch in diesem Jahr vorlegen“, kündigte Faeser an.

Im Geschäftsbereich des Militärischen Abschirmdienstes, der rund 242.000 Soldaten der Bundeswehr und Zivilbeschäftigte umfasst, wurden 83 Rechtsextremisten festgestellt. Bei der Bundespolizei mit ihren heute mehr als 54.000 Mitarbeitern fielen 18 Rechtsextremisten auf. Beim Zoll waren es laut Bericht vier rechtsextremistische Mitarbeiter, beim Bundeskriminalamt zwei, beim Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst und der Bundestagspolizei war es jeweils ein Mitarbeiter.

Es kommt darauf an hinzuschauen

Hinzu kommen insgesamt 30 Verdachtsfälle und erwiesene Extremismusfälle von Bediensteten der Sicherheitsbehörden des Bundes, die der Szene der „Reichsbürger“ und Selbstverwalter zugerechnet werden. Die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Die Sicherheitsbehörden rechneten der Szene zuletzt rund 19 000 Menschen zu.

In der zurückliegenden Wahlperiode hatte sich auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags intensiv mit Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden beschäftigt. Ausgangspunkt war der Fall des Bundeswehroffiziers Franco A.. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, Anschläge auf Politiker geplant zu haben.

Franco A. hatte sich eine falsche Identität als syrischer Flüchtling zugelegt – aus Sicht der Ankläger, um nach einem Anschlag den Verdacht auf Flüchtlinge zu lenken und damit das Vertrauen in die Asylpolitik zu erschüttern. A. war 2017 auf dem Wiener Flughafen festgenommen worden, als er eine geladene Pistole aus einem Versteck in einer Flughafentoilette holen wollte. Was er mit der Waffe plante, ist noch nicht bekannt. Der Prozess gegen ihn ist noch nicht abgeschlossen.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden im betrachteten Zeitraum laut Bericht 179 Sachverhalte untersucht, bei denen ein Verdacht auf Rechtsextremismus bestand. In Berlin waren es 74 Fälle. Auf Platz drei lag Hessen mit 60 überprüften Sachverhalten. In Bayern waren es 38. In Sachsen gab es 26 Prüf-, Verdachts- und erwiesenen Fälle von Rechtsextremismus.

Allerdings bilden diese Zahlen nicht nur den Umfang des Phänomens in den Sicherheitsbehörden des jeweiligen Bundeslandes ab, sondern auch das Problembewusstsein, das vor Ort herrscht. Mit anderen Worten: Wo Vorgesetzte eher wegschauen oder rechtsextreme Vorfälle verharmlosen, gibt es automatisch weniger Verdachtsfälle.

© dpa-infocom, dpa:220513-99-267006/4


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