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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Russische Artilleriegeschosse haben im Stadtzentrum von Slowjansk einen Trümmerhaufen hinterlassen. Foto: Alex Chan Tsz Yuk/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Russische Artilleriegeschosse haben im Stadtzentrum von Slowjansk einen Trümmerhaufen hinterlassen. Foto: Alex Chan Tsz Yuk/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Die ukrainische Regierung macht angesichts des russischen Vormarsches im Donbass Druck, das Gebiet zu evakuieren. Mehr als 50.000 Kinder sollen in Sicherheit gebracht werden. Die Entwicklungen.

Kiew (dpa) – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angesichts der massiven Angriffe der russischen Armee im Osten des Landes die Menschen zum Verlassen des Gebiets Donezk aufgerufen. „Im Donbass sind Hunderttausende Menschen, Zehntausende Kinder, viele lehnen es ab zu gehen“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Samstag. Er appellierte eindringlich an die Bewohner des Donbass, diese Entscheidung zu treffen. „Glauben Sie mir“, sagte er in flehendem Ton. „Je mehr Menschen aus dem Donezker Gebiet gehen, desto weniger Leute kann die russische Armee töten.“ Der Sonntag ist der 158. Tag des Krieges.

Zuvor hatte die ukrainische Regierung eine verpflichtende Evakuierung angeordnet mit der Begründung, dass die Bürger sich vor Beginn der Heizsaison rechtzeitig in Sicherheit bringen müssten, da die Gasleitungen durch den Krieg im Gebiet Donezk zerstört seien. Selenskyj betonte nun, dass alles organisiert werde für die Flucht der Menschen aus den von der Ukraine noch kontrollierten Gebieten.

Ukrainische Regierung verspricht Menschen aus Donbass Hilfe

Der Präsident beklagte demnach, dass viele Bürger noch immer nicht einsichtig seien. „Brechen Sie auf, wir helfen“, sagte er. „Wir sind nicht Russland – eben weil für uns jedes Leben wichtig ist.“ Nach Angaben der ukrainischen Regierung sind 52.000 Kinder in der Region, die dringend in Sicherheit gebracht werden müssten.

Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk, die den Evakuierungsstab leitet, betonte, dass Menschen, die bleiben wollten, eine Erklärung unterschreiben müssten, dass sie sich der Gefahr für ihr Leben bewusst seien. Sie warnte, dass es keine Heizung geben werde im Winter. „Im Donezker Gebiet fehlt vollkommen der Gasanschluss, alle Gasleitungen, die repariert werden mussten, wurden repariert. Aber leider zerstört der Feind immer wieder alles, was den Menschen helfen würde, sich im Winter aufzuwärmen“, sagte sie im Einheitsfernsehen.

Selenskyj fordert Westen zum Handeln auf

Selenskyj bezeichnete Russland einmal mehr als einen „Terrorstaat“ und forderte die internationale Gemeinschaft auf, das Land zu isolieren. Wenn Russland von den USA als „Terrorstaat“ eingestuft werde, würden alle Partner die Verbindungen mit dem Land kappen.

Der Präsident verurteilte noch einmal mit Nachdruck die Tötung von ukrainischen Kriegsgefangenen in einer von prorussischen Separatisten kontrollierten Haftanstalt in Oleniwka im Gebiet Donezk. Nach russischen Angaben wurden dort am Freitag 50 Gefangene durch einen Raketenangriff von ukrainischer Seite getötet. Die Ukraine wiederum wirft Russland vor, die Soldaten gezielt getötet zu haben. Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar.

Das russische Verteidigungsministerium teilte am Sonntag mit, dass Vertreter der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz eingeladen seien, den Angriff in Oleniwka zu untersuchen. Eine solche Untersuchung hatte auch die Ukraine verlangt.

„Das ist ein Massenmord“, sagte Selenskyj in seiner Videobotschaft zur Tötung der Gefangenen. Je schneller Russland als „Terrorstaat“ eingestuft werde, desto rascher werde die Welt vor dem „Bösen“ geschützt. Nur so könnten alle Verbindungen zu dem Land abgeschnitten werden, betonte er. Politische Gesten reichten nicht aus, das Kriegsverbrechen zu verurteilen. Es müssten Taten folgen.

Rotes Kreuz wartet auf Zugang zu Gefängnis Oleniwka

Das Rote Kreuz wartete nach dem Angriff auf das Gefangenenlager zunächst vergeblich auf Zugang zu den Verletzten. „Um es klar zu sagen: Unserem Ersuchen um Zugang zu den Kriegsgefangenen aus dem Gefängnis Oleniwka wurde gestern nicht stattgegeben“, twitterte die Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in der Ukraine am Samstagabend. Das russische Verteidigungsministerium sagte dagegen in Moskau, es habe das IKRK zu einem Besuch eingeladen.

US-Außenminister drückte Ukraine Beileid aus

Nach dem Angriff auf das Lager drückte US-Außenminister Antony Blinken seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba sein Beileid aus. Bei einem Telefonat am Freitag habe Blinken die Entschlossenheit der USA bekräftigt, Russland für die von seinen Streitkräften begangenen Gräueltaten an der ukrainischen Bevölkerung zur Rechenschaft zu ziehen. Das teilte das US-Außenministerium am Samstag mit.

Blinken habe Kuleba auch von seinem Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow berichtet und dabei „die unerschütterliche Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine“ unterstrichen. Blinken und Lawrow hatten am Freitag erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges miteinander gesprochen.

Dabei hatte der US-Minister nach Angaben aus Washington betont, dass die USA russische Pläne, weiteres Territorium der Ukraine zu annektieren, nicht akzeptieren würden. Bei dem Gespräch ging es auch um den Export von ukrainischem Getreide, zu dem Kiew und Moskau unter UN-Vermittlung Vereinbarungen mit der Türkei unterzeichnet hatten. Die Umsetzung ließ weiter auf sich warten.

Nach Angaben des russischen Außenministeriums informierte Lawrow Blinken über den Gang der „militärischen Spezial-Operation“ in der Ukraine. Der russische Chefdiplomat habe betont, dass alle Ziele in dem Land erreicht würden. Zugleich beklagte er demnach, dass die von den USA und von anderen Nato-Staaten gelieferten Waffen gegen die friedliche Bevölkerung eingesetzt würden. Der Konflikt würde dadurch nur in die Länge gezogen und die Zahl der Opfer erhöht.

Krim: Ukrainer greifen russische Flotte mit Drohne an

Auf der von der Ukraine beanspruchten Halbinsel Krim wurde nach russischen Angaben in der Stadt Sewastopol der Stab der Schwarzmeerflotte mit einer Drohne angegriffen. Fünf Menschen seien dabei am Sonntag verletzt worden, teilte der Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, in seinem Blog im Nachrichtenkanal Telegram mit. Die Drohne sei in einem Hof des Stabquartiers eingeschlagen. Russland hatte die Krim 2014 annektiert.

„Am heutigen frühen Morgen haben ukrainische Nationalisten entschieden, uns den Tag der Marine zu verderben“, schrieb Raswoschajew. Die Feierlichkeiten zu dem in Russland in vielen Regionen begangenen Tag wurden für Sewastopol abgesagt. Russische Behörden in Regionen an der Grenze zur Ukraine beklagen immer wieder Angriffe aus dem Nachbarland.

© dpa-infocom, dpa:220731-99-219510/5


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