Topnews Wirtschaft

Millionen Beschäftigte in Deutschland mit Stundenlohn unter zwölf Euro

"Ich werde Vorschläge machen, wie wir schneller die Marke von 12 Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen können", sagt Heil. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
"Ich werde Vorschläge machen, wie wir schneller die Marke von 12 Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen können", sagt Heil. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Millionen Beschäftigte in Deutschland bekommen einen Stundenlohn von unter 12 Euro, viele liegen nur knapp über dem Mindestlohn. Auch die nächste Stufe beim Mindestlohn bringt keinen Einkommenssprung. Nun sagt der Bundesarbeitsminister, was er ändern will.

Mit neuen Vorgaben für die Mindestlohnkommission will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Lohnuntergrenze in Deutschland auf 12 Euro steigen lassen, bei vielen Arbeitnehmern liegt der Stundenlohn aktuell unter dieser Grenze.

„Ich werde Vorschläge machen, wie wir schneller die Marke von 12 Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen können“, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Derzeit verdient rund jeder vierte Beschäftigte in Deutschland weniger als 12 Euro pro Stunde.

Die Mindestlohnkommission hatte Ende Juni eine Anhebung in vier Stufen bis Mitte 2022 empfohlen – von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde. Die Empfehlungen des Gremiums aus Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften werden von der Regierung in der Regel umgesetzt.

Heil will Stundenlohn in Deutschland schneller anheben

Heil kündigte nun an: „Ich werden im Herbst Vorschläge zur Weiterentwicklung des Mindestlohns und zur Stärkung der Tarifbindung machen.“ Zunächst solle der Mindestlohn angehoben werden wie von der Kommission vorgeschlagen. „Aber mir reicht das nicht aus“, stellte der Minister mit einem Blick auf den aktuellen Stundenlohn in Deutschland klar.

„Ich habe nach dem Gesetz die Aufgabe, fünf Jahren nach Einführung des Mindestlohns den gesamten Mechanismus zu untersuchen“, erläuterte Hubertus Heil. Seit 2015 gilt eine Lohnuntergrenze in Deutschland. Damals waren es zunächst 8,50 Euro, aktuell beträgt er 9,35 Euro.

Heil will der Kommission nun „weitere Kriterien“ an die Hand geben, wie er sagte. „Im Moment orientiert sich die Weiterentwicklung des Mindestlohns stark an der Tarifentwicklung“, so der SPD-Politiker. „Ich kann mir vorstellen, dass wir der Kommission ein weiteres Kriterium mitgeben und sie sich stärker an der Entwicklung mittlerer Einkommen – des Medians – orientiert.“

Tatsächlich empfiehlt die Kommission die Anpassung des Mindestlohns vorwiegend gemäß der durchschnittlichen Tariferhöhungen. Bereits Gewerkschaften hatten kritisiert, dies sei eine rein statistische Größe. Sie hatten gefordert, dass der auch im Mindestlohngesetz vorgesehene Mindestschutz der Arbeitnehmer eine größere Bedeutung bekommt.

Heil sagte: „Es geht um Leistungsgerechtigkeit. Es ist aber auch ökonomisch sinnvoll, weil das die Kaufkraft der Menschen stärkt.“ Ökonomen und Arbeitgeber haben dagegen immer wieder vor neuen politischen Vorgaben für einen höheren Mindestlohn gewarnt. Dies gefährde Beschäftigung, argumentieren sie.

Fast zehn Millionen mit unter 12 Euro Stundenlohn

Weniger als 12 Euro pro Stunde verdienten zuletzt 9,99 Millionen Beschäftigte, wie eine der Deutschen Presse-Agentur vorliegende Antwort des Statistischen Bundesamts zeigt, die die Linke im Bundestag angefordert hatte.

In Ostdeutschland lag der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit unter zwölf Euro in der Stunde bei 36,7 Prozent. In Westdeutschland einschließlich Berlin betraf dies 24,7 Prozent der Beschäftigten. Diese im Juli erstellte Statistik des Bundesamts zeigt das Bild im April 2018.

Der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn lag in Deutschland bei 19,37 Euro. Am niedrigsten war er mit 15,86 Euro in Mecklenburg-Vorpommern. Am meisten verdienen die Beschäftigten in Hamburg – dort waren es 21,90 Euro.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Sabine Zimmermann, sagte der dpa, die jüngste Empfehlung der Mindestlohnkommission sei nicht akzeptabel und zementiere den Niedriglohnbereich. „Die Arbeitgeber haben offensichtlich eine spürbare Anhebung des Mindestlohns verhindert.“

Die Lohnuntergrenze gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer – außer für Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten. Auch für Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktika unter drei Monaten gilt er nicht. Daneben haben mehrere Branchen tarifliche Mindestlöhne, die über der Lohnuntergrenze liegen.

© dpa-infocom, dpa:200723-99-892399/3

Beachten Sie auch:

weiterführende Informationen:
➡️ Mitglieder der Mindestlohnkommission
➡️ BMAS: Fragen und Antworten zum Mindestlohn
➡️ Aktueller Beschluss der Kommission im Wortlaut
➡️ Mindestlohngesetz im Wortlaut

Übersicht: Entwicklung Mindestlohn

Monat/JahrMindestlohn
01/20158,50 Euro
01/20178,84 Euro
01/20199,19 Euro
01/20209,35 Euro
01/20219,50 Euro
07/20219,60 Euro
01/20229,82 Euro
07/202210,45 Euro
[plista widgetname=plista_widget_belowArticle]

Hinterlasse einen Kommentar