Schwimmen

Sexuelle Gewalt: Deutscher Schwimm-Verband beruft Experten für Aufarbeitung

Schwimmbad - Foto cie
Schwimmbad - Foto cie

Der deutsche Schwimm-Verband hat nahmhafte Experten in das Gremium zur Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt im Verband berufen.

Im Rahmen der Mitgliederversammlung in Kassel hat der Vorstand des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) die Delegierten am vergangenen Samstag (11. März) darüber informiert, dass zum 1. März 2023 ein unabhängiges Gremium mit der Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt beauftragt wurde. Mit Prof. Dr. Bettina Rulofs, Dr. Fabienne Bartsch, Dr. Caroline Bechtel und Prof. Dr. Martin Nolte gehören diesem Aufarbeitungsteam namhafte Expert*innen an.

„Wir betonen stets, wie wichtig uns die Sicherheit und das Wohlergehen aller Mitglieder ist. Deswegen sind wir froh, dass wir nun den Prozess der Aufarbeitung der in der ARD-Dokumentation genannten Vorwürfe sexualisierter Gewalt beginnen können“, sagte DSV-Vizepräsident Wolfgang Rupieper.

„Als Verband wollen wir transparent mit Fehlern in der Vergangenheit umgehen und uns mit all unseren Möglichkeiten dafür einsetzen, weitere solcher Vorfälle zu verhindern. Und natürlich wollen wir mit diesem Vorgehen und den daraus abzuleitenden Veränderungen unserer Verantwortung den Betroffenen gegenüber gerecht werden“, so Rupieper weiter.

Der Prozess der Aufarbeitung ist zunächst auf ein Jahr angelegt, nach einem Jahr wird das Aufarbeitungsteam einen Bericht mit den bis dahin gewonnenen wesentlichen Erkenntnissen vorlegen. Eine Übernahme der dadurch entstehenden Kosten hat der DSV-Vorstand aus dem Verbandshaushalt zugesichert. Die Methoden und der Ablauf der systematischen Aufarbeitung wurden von dem unabhängigen Aufarbeitungsteam inzwischen erarbeitet.

Antworten liefern soll sie dabei insbesondere auf die Fragen, welche Gewalttaten stattgefunden haben, wer und wie viele Menschen davon betroffen waren und welche Bedingungen, Strukturen und Kulturen im Kontext des Schwimmsports etwa dazu beitrugen, dass Gewalt gegen Kinder oder Erwachsene ausgeübt werden konnte.

„Es soll identifiziert werden, wer in welchem Maße Verantwortung für das Geschehene trägt und welche Folgen Betroffene und auch deren Familien erlitten haben. Aus rechtlicher Perspektive wird es in erster Linie darum gehen, mögliche Regelungslücken zu identifizieren, um diese für die Zukunft wirksam zu schließen und Strukturverbesserungen zu ermöglichen“, berichtet der Pressedienst des DOSB.

„Die systematische Aufarbeitung zielt insgesamt auf die Anerkennung des Leids und die Unterstützung von Betroffenen und sie will zugleich für Verbände und Vereine im Sport aufzeigen, wie Kinder und Jugendliche sowie Athlet*innen in Zukunft besser geschützt werden können. Die Aufarbeitung von vergangenen Missbrauchs- und Gewaltvorfällen leistet somit einen wichtigen Beitrag zur perspektivischen Entwicklung von Schutzmaßnahmen im Sport“, so der DOSB in seinem Pressedienst.

Um Antworten im Prozess der Untersuchung zu erhalten, werden der Meldung des DOSB-Pressedienstes zu Folge Betroffene von dem Aufarbeitungsteam nun ausführlich angehört, aber auch Zeitzeug*innen befragt und vorhandene Dokumente gesichtet. Bei alledem werden datenschutzrechtliche Vorgaben beachtet und bei Bedarf erfolgt eine psychologische Unterstützung. Für die Dokumentenanalyse gewährt der DSV dem Aufarbeitungsteam vollen Zugriff auf sein Archiv.

„Insgesamt sind wir nun sehr froh darüber, dass wir dank unserer Präventionsbeauftragten Franka Weber solch kompetente Unterstützer*innen für den Prozess der Aufarbeitung gewinnen konnten“, sagte DSV-Vizepräsident Wolfgang Rupieper.

Sportsoziologin Prof. Dr. Bettina Rulofs veröffentlichte in den vergangenen Jahren bereits bedeutende Studien zu sexueller und interpersoneller Gewalt im Spitzen- und Breitensport („SafeSport“, „SicherImSport“ sowie die „Fallstudie Sport für die Unabhängige Aufarbeitungskommission“); sie gilt hierzulande als führende Expertin auf diesem Gebiet. Dr. Fabienne Bartsch wirkte als Kollegin am Institut für Soziologie und Genderforschung der Deutschen Sporthochschule Köln ebenfalls am Projekt „SafeSport“ mit und entwickelte unter anderem gemeinsam mit Rulofs für die Deutsche Sportjugend den Handlungsleitfaden zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Belästigung und Gewalt im Sport.

Jurist Prof. Dr. Martin Nolte ist der Leiter des Instituts für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule Köln und erarbeitete 2021 im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Machbarkeitsstudie über eine unabhängige, zentrale Einrichtung für einen sicheren und gewaltfreien Sport in Deutschland. Gemeinsam mit seiner Institutskollegin Dr. Caroline Bechtel Bechtel, Expertin für die Themen Schiedsgerichtbarkeit und Streitbeilegung sowie Integrität im Sport, wird er zudem im Rahmen eines vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderten Forschungsprojekts ein neues, gesamthaftes Regelwerk gegen interpersonale Gewalt im Sport („Safe Sport Code“) entwickeln, in dessen Mittelpunkt vorbildliche Verbotsnormen und konkrete disziplinarrechtliche Sanktionsmöglichkeiten stehen.

Begleitet wird die Aufarbeitung von einem Projektbeirat, dem jeweils ein*e Vertreter*in für die Perspektive der Betroffenen, der (sport)psychologischen Perspektive und auch der Perspektive der Trainer*innen angehört. Für die Perspektive der Athlet*innen und Betroffenen wird Susann Wegner, ehemalige Leistungssportlerin aus dem DDR-Kontext, im Beirat vertreten sein, aus dem Berufsverband der Trainer/innen im deutschen Sport wurde Simone Lammers in den Beirat berufen; die psychologische Sicht wird durch Monika Liesenfeld vom Olympiastützpunkt Berlin in das unabhängige Gremium eingebracht.

„Es handelt sich hier um den ersten umfassenden Aufarbeitungsprozess in einem olympischen Verband in Deutschland. Wir möchten damit Standards setzen und eine Vorbildfunktion für weitere Aufarbeitungsprozesse erfüllen“, erläutert Nolte. „Wir betreten mit dem Aufarbeitungsteam nun für den organisierten Sport Neuland und sind uns der besonderen Verantwortung bewusst. Zentral ist für uns, dass diejenigen, die im Sport Leid erfahren mussten, zu ihrem Recht auf Anhörung und Anerkennung kommen“, sagt Rulofs.

[plista widgetname=plista_widget_belowArticle]

Hinterlasse einen Kommentar