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Ohne Quarantäne aber mit mulmigen Gefühl: Nationalelf reist in Ukraine

Bundestrainer Joachim Löw und sein Team müssen keine Quarantäne nach dem Spiel in der Ukraine fürchten. Foto: Christian Charisius/dpa
Bundestrainer Joachim Löw und sein Team müssen keine Quarantäne nach dem Spiel in der Ukraine fürchten. Foto: Christian Charisius/dpa

Die deutsche Nationalelf steht vor einem ungewöhnlich schwierigen Länderspiel-Dreierpack, besonders die Reise in die Ukraine wird zu einem Wagnis: Eine Corona-Quarantäne droht nicht, aber Joachim Löw will das Risiko minimieren. Die Fan-Frage hängt an der Lage in Köln und die Fußball-Bundesligisten schauen generell mit großer Sorge auf die Abstellungen.

Ein Siegversprechen für die nächsten Spiele in der Nations League hat Joachim Löw längst gegeben, doch nach und nach werden nun die komplizierten Bedingungen für den Länderspiel-Dreierpack der Fußball-Nationalelf im Oktober klarer – auch wenn nach der Rückkehr aus der Ukraine keine Quarantäne droht.

Mit einem „mulmigen Gefühl“ werde er zum Duell ins Risikogebiet Ukraine reisen, sagte Löw angesichts steigender Corona-Zahlen. Wichtiger als der beschworene Premierensieg im siebten Spiel in der Nations League sei nämlich, „hoffentlich auch wieder gesund zurückzukommen“.

Eine Quarantäne droht dem Team um Kapitän Manuel Neuer nach der Express-Rückkehr aus dem Osten nicht. Das haben die Behörden dem Deutschen Fußball-Bund bestätigt. Die Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen sieht vor, dass bei beruflich unaufschiebbaren Reisen unter fünf Tagen in die Ukraine bei einer Corona-Testreihe die Quarantänepflicht entfällt.

Diese Testreihe können Löw und seine Spieler nachweisen. Der DFB stand in ständigem Kontakt mit der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland ist zuständig, da das DFB-Team von Kiew nach Köln zurückkehrt. Doch, wenn Löw seinen möglicherweise auf über 25 Spieler aufgestockten Kader am Montagmittag dort versammelt, wird der DFB-Tross für neun Tage wieder in der Corona-Blase leben müssen.

Konkret heißt das unter dem von Chefmediziner Tim Meyer ausgearbeiteten Hygienekonzept unter anderem: Ausgangssperre für alle Teammitglieder, Essen im Schichtsystem im separierten Flügel des Hyatt Hotels und Masken tragen außerhalb aller sportlichen Maßnahmen. Das Ansteckungsrisiko soll bestmöglich auf 0,0 gesenkt werden.

Zuschauerfrage offen

Ob drei Tage vor der Partie in Kiew am kommenden Mittwoch im Test gegen die Türkei erstmals seit dem umjubelten 6:1 gegen Nordirland im November 2019 wieder ein Länderspiel vor Zuschauern gespielt werden wird, hängt nun noch von den Corona-Zahlen in Köln ab.

Die UEFA gab am Donnerstag ihre Einwilligung für eine Auslastung von 30 Prozent der Stadionkapazität bei allen Länderspielen und Europacup-Partien, unter der Bedingung, dass die lokalen Behörden zustimmen. Mit 9200 Besuchern plant der DFB jedenfalls für die Türkei-Partie und das zweite Köln-Spiel am 13. Oktober in der Nations League gegen die Schweiz, das drei Tage nach dem Auftritt in der Ukraine für die Nationalelf mit einer vorgeschriebenen Quarantäne nach der Rückkehr nicht zu bewältigen wäre.

Damit liegt man genau auf der 20-Prozent-Marke, die derzeit als Obergrenze nach einem Beschluss der Bundesländer für die Bundesliga zulässig ist. Die erste Heimpartie des 1. FC Köln gegen 1899 Hoffenheim musste vor zwei Wochen allerdings ohne Fans stattfinden, auch für das rheinische Derby gegen Mönchengladbach am Samstag deuten die Infektionszahlen auf einen Ausschluss hin.

Wirtschaftliche Bedeutung

Länger als gedacht brauchte der Kontinentalverband, um das umstrittene Pilotprojekt beim Supercup des FC Bayern gegen den FC Sevilla in Budapest auszuwerten und den schwierigen Fan-Beschluss zu fassen. Präsident Aleksander Ceferin bezeichnete die Entscheidung als „ersten Schritt“. Die UEFA möchte gerne einheitliche Regeln für alle ihre 55 Mitgliedsländer – ein angesichts der komplizierten Lage über den Kontinent hinweg scheinbar aussichtsloses Unterfangen.

Die ökonomische Bedeutung der Länderspiele für den DFB hatten Direktor Oliver Bierhoff und Generalsekretär Friedrich Curtius mehrfach betont. Unterstützung bekamen sie nun von Christian Seifert. „Auch Nationalverbände haben Sponsoren und Partner, was wiederum wichtige Einnahmen sind“, sagte der Bundesliga-Boss im Stern.

Löw will an diesem Freitag sein Aufgebot bekanntgeben. Der 60-jährige will einen großen Kader benennen, um die Belastung für die Spieler zu verteilen. Die Bayern-Stars Neuer, Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Leon Goretzka sowie die Leipziger Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg, auf die der Bundestrainer bei den jüngsten Nations-League-Partien gegen Spanien (1:1) und die Schweiz (1:1) noch verzichtet hatte, sollen zurückkehren. „Unser Ziel ist es, sechs Punkte zu erreichen. Der Start war für uns alle von den Ergebnissen her ein bisschen unglücklich“, sagte Löw.

© dpa-infocom, dpa:201001-99-783953/6

Große Sorgen bei Fußball-Bundesligisten

Die Unwägbarkeiten bei der Abstellung von Nationalspielern für die Länderspiele im Oktober bereiten auch den Fußball-Bundesligisten derzeit große Sorgen, auch über die gelöste Quarantäne-Frage bei der Rückkehr der deutschen Nationalelf aus der Ukraine hinaus.

Sebastian Hoeneß beschreibt die Lage hinsichtlich der zahlreichen in der Bundesliga aktiven Nationalspieler aus verschiedenen Verbänden als „unübersichtlich“. Der Coach der TSG Hoffenheim unterstrich, wohl im Namen der ganzen Liga: „Wir wollen dafür sorgen, dass unsere Jungs so gut wie möglich betreut werden.“

Unterdessen ist es Urs Fischer vom 1. FC Union Berlin vor allem wichtig zu kommunizieren. „Wir haben irgendwie eine Pflicht zum Abstellen, aber es gilt anzuschauen: Macht es Sinn? Ist das Risiko zu groß? Kann man das Risiko vertreten? Es ist auch möglich, sich in Berlin mit Corona zu infizieren“, räumte der Coach der Eisernen ein.

„Das kann ein großes Problem werden“, hatte Hertha-Trainer Bruno Labbadia zu der Abstellungsthematik vergangene Woche gesagt. „Totale Wettbewerbsverzerrungen“ sieht er, wenn Vereine von unterschiedlichen Bewertungen der jeweiligen Gesundheitsämter betroffen sind: „Ich bin gespannt, wie das geregelt wird.“

Die Berliner waren nach den Länderspielen im September bereits arg betroffen: So musste Krzysztof Piatek nach dem Nations-League-Spiel mit Polen in Bosnien-Herzegowina in eine fünftägige Quarantäne und konnte in der ersten DFB-Pokalrunde nicht mitwirken. Auch für den Tschechen Vladimir Darida galt eine Quarantäne. „Da haben wir schon gesehen, dass wir allein gelassen wurden, obwohl es klare Regelungen gibt“, meinte Labbadia.

Horst Heldt, der Sport-Geschäftsführer des 1. FC Köln beklagt die anhaltende Ungewissheit. „Wir sind beim Thema Länderspielreisen in Risikogebiete in Kontakt mit anderen Vereinen – weil es nicht in Ordnung ist, dass wir Vereine da keine Klarheit bekommen“, sagte er. „Ob unsere Nationalspieler die Länderspielreisen, die in Risikogebiete gehen würden, antreten werden, ist noch offen“, fügte er hinzu. „Die FIFA hat sich noch nicht dazu geäußert – und sie ist in diesem Fall maßgeblich.“

Sportdirektor Michael Zorc von Borussia Dortmund hatte in der Vorwoche sogar angedroht, Spieler nicht freizustellen, sollten sie nach der Rückkehr von ihren Nationalteams „sogar ein Pflichtspiel verpassen“. Hierfür würde nach der jüngsten FIFA-Entscheidung die rechtliche Grundlage fehlen.

© dpa-infocom, dpa:201001-99-779825/6

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