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Unter Druck: Regierung im Libanon mit Rücktritt nach Explosion

Der libanesische Premier Hassan Diab hat seinen Rücktritt angekündigt. Foto: -/Dalati & Nohra/dpa
Der libanesische Premier Hassan Diab hat seinen Rücktritt angekündigt. Foto: -/Dalati & Nohra/dpa

Eigentlich wollte der Ministerpräsident des Libanon mit einer Neuwahl die Wut seiner Landsleute nach der gewaltigen Detonation beruhigen, doch am Ende aber blieb Hassan Diab und seiner Regierung nur der Rücktritt. Am Mittwoch will sich Außenminister Maas in Beirut ein Bild machen.

Nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut hat Hassan Diab, Ministerpräsident des Libanon, den Rücktritt seiner gesamten Regierung erklärt.

In einer Fernsehansprache machte Diab am Abend die weit verbreitete Korruption in seinem Heimatland für die gewaltige Detonation mitverantwortlich. Damit reagierte der Regierungschef nach knapp einer Woche auf öffentlichen Druck und gewaltsame Proteste. Im Zentrum der Hauptstadt Beirut kam es am Abend zu neuen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten.

Hassan Diab sagte in seiner Ansprache zum Rücktritt seiner Regierung, dass die Korruption größer sei als der Libanon. Einigen gehe es nur darum, politische Punkte zu erzielen. Zuvor hatten mit Justizministerin Marie-Claude Nadschm und Finanzminister Ghasi Wasni zwei weitere Mitglieder seiner Regierung ihre Ämter niedergelegt. Damit blieb dem Ministerpräsidenten praktisch keine andere Wahl mehr.

Viele Libanesen machen die Regierung für die mindestens 160 Toten und mehr als 6.000 Verletzten am vergangenen Dienstag verantwortlich. Die Armee zog am Montag fünf weitere Leichen aus den Trümmern. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die dort über Jahre ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Die Ermittlungen zur genauen Ursache der Katastrophe laufen jedoch noch.

Am Sonntag hatten bereits Informationsministerin Manal Abdel Samad und Umweltminister Damianos Kattar ihre Ämter niedergelegt. Nadschm war vergangene Woche bei einem Besuch am Ort der Katastrophe von aufgebrachten Menschen beschimpft und mit Wasser bespritzt worden. Am Wochenende schlug eine Trauer- und Protestkundgebung im Zentrum Beiruts in Gewalt und Chaos um.

Demonstrationen und Unruhen

Demonstranten werfen in Beirut Steine auf libanesische Bereitschaftspolizisten. Foto: Bilal Hussein/AP/dpa
Demonstranten werfen in Beirut Steine auf libanesische Bereitschaftspolizisten. Foto: Bilal Hussein/AP/dpa

Aufgebrachte Demonstranten wollten Absperrungen zum Parlament durchbrechen, Sicherheitskräfte setzen Tränengas ein. Stundenlang kam es zu Zusammenstößen. Ein Polizist wurde nach offiziellen Angaben getötet, mehr als 200 Menschen erlitten Verletzungen.

In dem Land am Mittelmeer hatte Hassan Diab erst im Januar, nach einer monatelangen Hängepartie, das Amt des Regierungschefs übernommen. Er folgte auf Saad Hariri, der nach Massenprotesten Ende Oktober mit seiner Regierung im Libanon seinen Rücktritt erklärt hatte.

Seine Regierung wurde unter anderem von der Iran-treuen Hisbollah unterstützt, die im Libanon extrem mächtig ist. Wegen einer schweren Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie sind in seiner Amtszeit große Teile der libanesischen Bevölkerung in die Armut abgerutscht.

Der Premierminister hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament stünde im Libanon eigentlich erst 2022 an. Damit konnte er sich letztlich aber nicht mehr durchsetzen.

Die führenden politischen Blöcke im Parlament müssen sich jetzt auf einen Nachfolger einigen. Es ist unklar, wie lange das dauern wird. Eine zentrale Rolle spielt die Iran-treue schiitische Hisbollah, die zu den einflussreichsten politischen Kräften des Landes gehört.

Gegen die Hisbollah kann kaum eine Regierung gebildet werden. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass auch eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments die Lage nicht beruhigen kann. Die Demonstranten verlangen weitgehende politische Reformen.

Hilfe und Forderungen aus dem Ausland

Eine libanesische Flagge weht in der Nähe der Stelle, an der eine Explosion am 4. August 2020 den Hafen von Beirut in Schutt und Asche legte. Foto: Marwan Naamani/dpa
Eine libanesische Flagge weht in der Nähe der Stelle, an der eine Explosion am 4. August 2020 den Hafen von Beirut in Schutt und Asche legte. Foto: Marwan Naamani/dpa

Entsprechende Forderungen sind auch aus dem Ausland zu hören. So will der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Libanon mit einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische Einigung auf umfassende Reformen.

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte ebenfalls politische Veränderungen an. Zugleich sagte er langfristige Unterstützung zu. „Das System der Vereinten Nationen wird dem Libanon in dieser Notlage weiterhin auf jede mögliche Art und Weise helfen.“

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kündigte im Deutschlandfunk an, an diesem Mittwoch in den Libanon zu reisen. Neben Soforthilfen, bei einer Geberkonferenz am Sonntag wurden 250 Millionen gesammelt, brauche das Krisenland längerfristige Unterstützung. Diese könne es aber nur geben, wenn lange angekündigte Reformen nun auch eingeleitet würden. Deutschland und Europa seien bereit zu helfen.

Maas fügte hinzu: „Wir werden aber auch sagen, dass wir der Auffassung sind, dass dieses Land reformiert werden muss, dass die Korruption beendet werden muss und dass alle weiteren Mittel, die es gibt, etwa aus Europa, sicherlich auch daran geknüpft werden.“ Neuwahlen seien nun „das Mindeste“, was die Bevölkerung erwarten könne.

© dpa-infocom, dpa:200810-99-105830/11

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