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Geschrumpfte Linksfraktion im Bundestag wählt Spitze

Die Co-Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, stellt sich voraussichtlich zur Wiederwahl. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Die Co-Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali, stellt sich voraussichtlich zur Wiederwahl. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Linke hat bei der Bundestagswahl schwer eingebüßt, nun wählt sie ihre Fraktionsvorsitzenden. Für die Partei geht es nach Ansicht der Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali jetzt um alles oder nichts.

Die Linke kämpft nach Ansicht ihrer Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali in den kommenden vier Jahren ums Überleben. „Ja, da gibt es kein Vertun“, sagte sie der Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger auf eine entsprechende Frage.

Mohamed Ali und ihr Co-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch stellen sich heute, einen Tag vor der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments, in der Fraktion aller Voraussicht nach zur Wiederwahl.

Sie stehen seit November 2019 gemeinsam an der Spitze der Linken im Bundestag. Andere Kandidaturen wurden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht erwartet.

Die Linke war vor vier Wochen bei der Bundestagswahl von 9,2 auf 4,9 Prozent abgerutscht. Nur dank Gregor Gysi (Berlin), Gesine Lötzsch (Berlin) und Sören Pellmann (Leipzig), die ihre Wahlkreise direkt gewannen, ist die Partei auch weiterhin in Fraktionsstärke im Parlament vertreten.

Bei mindestens drei Direktmandaten wird die Fünf-Prozent-Hürde umgangen und eine Partei bekommt nach ihrem Zweitstimmenergebnis Sitze im Bundestag. Die neue Fraktion zählt noch 39 Abgeordnete – 69 waren es in der abgelaufenen Legislaturperiode.

„Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein und das Wahlergebnis kritisch aufarbeiten. Das braucht Zeit und unabhängige Expertise. Hanebüchene Schuldzuweisungen, die am Tag nach der Wahl oder wenige Tage danach einfach aus dem Hut gezaubert werden, helfen da nicht weiter“, sagte Mohamed Ali.

Interne Aufarbeitung der Wahlniederlage

Seit der Wahlnacht wird innerhalb der Linken kontrovers über die Ursachen für die Niederlage debattiert.

Häufig zu hören war die Einschätzung, das Abstimmungsverhalten zum Afghanistan-Evakuierungseinsatz habe Wählerstimmen gekostet. Die Linke hatte sich mehrheitlich enthalten, ein paar Abgeordnete hatten aber auch mit Ja, andere wiederum mit Nein gestimmt.

Ansonsten sind die Analysen von Partei- und Fraktionsmitgliedern uneinheitlich: Manche kritisieren, die Linke habe versucht, grüner als die Grünen zu sein, andere finden, die Partei habe sich im Wahlkampf zu sehr SPD und Grünen für ein mögliches Regierungsbündnis angedient. Wieder andere sehen eine Vernachlässigung von Ost-Themen oder von bestimmten Wählergruppen.

Sahra Wagenknecht hatte die Dauer-Debatte über Kurs und Ausrichtung der Partei mit ihrem Bestseller „Die Selbstgerechten“ vor der Wahl neu befeuert. Linken Parteien wirft sie darin vor, mit Gender-, Klima- und Bio-Essen-Debatten Kernwähler, wie etwa Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen, abzuschrecken. Ob sie recht hat oder mit ihren Positionen selbst bestimmte Wählergruppen verschreckt – auch darüber wird diskutiert.

Debatte um Wählermilieus

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Caren Lay kritisierte in einer Wahlanalyse auf ihrer Homepage die andauernde „Milieudebatte“ in der Linken. Diese sei „überflüssig wie ein Kropf“. Statt Entweder-Oder müsse zukünftig ein Sowohl-als-auch gelten „was unsere Wählermilieus betrifft“. „Wir müssen im Plattenbau und im Studentenviertel so stark wie möglich sein.“

Klima-Experte und Parteivorstandsmitglied Lorenz Gösta Beutin formulierte es ähnlich: „Wir müssen die Debatte beenden, welche „Milieus“ wir erreichen wollen.“ Diese trage immer wieder den Kern der Spaltung in sich.

Partei und Fraktion „und insbesondere deren Führungsgremien“ müssten jetzt zusammenrücken, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Susanne Ferschl der dpa mit Blick auf die kommenden vier Jahre. Zwischen beiden Machtzentren in der Linken hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Reibereien gegeben.

Neue Strategie – Keine Personalwechsel

Einen ersten Aufschlag machte der Parteivorstand am Sonntagabend. Er schlug eine gemeinsame Wahlanalyse mit der Fraktion auch mit externen Experten vor. Außerdem soll in regelmäßigen gemeinsamen Sitzungen und in gemeinsamen Arbeitsgruppen an einer neuen Strategie gearbeitet werden.

Personalwechsel stehen offensichtlich nicht an: „Wir müssen nach einem solchen Ergebnis grundlegender nachdenken als über einen Gesichtertausch – ohne die Entwicklung einer Zukunftsperspektive wäre das zu wenig“, heißt es in einem Beschlusspapier der Vorstandssitzung.

Die auf 39 Abgeordnete geschrumpfte Fraktion der Linken muss sich nach Ansicht der stellvertretenden Fraktionschefin Gesine Lötzsch auf eine wesentliche Aufgabe konzentrieren: „Es kommt jetzt darauf an, dass wir sehr genau und sehr deutlich klarmachen, was in der Ampel-Koalition an Unsozialem geschehen wird. Die Fraktion muss ihre gemeinsame Kraft darauf verwenden, dem Widerstand entgegenzusetzen.“ Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP verhandeln derzeit über die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung.

© dpa-infocom, dpa:211025-99-722458/4


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