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Deutsche Luftbrücke aus Kabul soll in wenigen Tagen enden

Blick in einen Bundeswehr-Airbus nach der Ankunft aus Kabul in Taschkent in Usbekistan. Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa
Blick in einen Bundeswehr-Airbus nach der Ankunft aus Kabul in Taschkent in Usbekistan. Foto: Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa

Die Evakuierungsflüge der Bundeswehr aus Kabul enden möglicherweise schon vor dem Wochenende. Hintergrund ist der Zeitplan der USA. Das Verteidigungsministerium spricht von der schwierigsten Phase des Einsatzes.

Die Bundesregierung plant ein Ende der militärischen Rettungsflüge aus Afghanistan noch vor dem Wochenende: Der letzte Flug der Luftbrücke für deutsche Staatsbürger und gefährdete Ortskräfte aus Kabul könnte nach dpa-Informationen demnach bereits am Freitag organisiert werden.

„Die internationale Präsenz in Afghanistan endet absehbar am 31.08. – das bedeutet auch für die Bundeswehr, sich darauf einzustellen“, teilt das Ministerium auf Twitter mit. Die Sicherheitslage in Kabul habe sich enorm verschärft. „Für uns beginnt jetzt die schwerste Phase. Vielen konnten wir helfen – allein gestern 983.“

Die USA hatten am Dienstag erklärt, dass sie an dem Plan festhielten, die amerikanischen Truppen bis zum 31. August aus Kabul abzuziehen. Ohne die Unterstützung der USA gilt auch eine Fortsetzung der Evakuierungsflüge anderer westlicher Staaten als undenkbar.

Am Mittwochmittag landete ein weiteres Flugzeug des Typs A400 M der Bundeswehr in Kabul. Wie die Bundeswehr auf Twitter mitteilte, startete die Maschine kurze Zeit später mit 153 schutzbedürftigen Personen in Richtung Taschkent in Usbekistan.

Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass sich in Kabul insgesamt noch eine „hohe vierstellige oder niedrige fünfstellige Zahl“ schutzbedürftiger Menschen befindet, die grundsätzlich für eine Evakuierung in Frage kämen.

Bundeswehr hat 4.650 Personen ausgeflogen

Insgesamt hat die Bundeswehr inzwischen auf gut 30 Flügen mehr als 4650 Bundesbürger, Afghanen und Bürger anderer Staaten aus Kabul evakuiert.

Darunter seien Menschen aus mehr als 40 Ländern, teilt das Verteidigungsministerium mit. Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte erklärt, die Bundeswehr werde Menschen ausfliegen „solange es geht, so viele wie möglich“.

In Kabul halten sich heute nach Angaben des Auswärtigen Amts noch mehr als 200 deutsche Staatsbürger auf. Die Zahl liege höher als noch am Dienstag, „weil sich weiterhin Menschen bei uns melden“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. 540 Deutsche seien bereits ausgeflogen worden.

US-Präsident Joe Biden will am Abzug der US-Truppen bis kommenden Dienstag festhalten, obwohl noch viele Tausend Afghanen auf eine Ausreise hoffen. Die Verbündeten sind auf die Sicherung des Flughafens durch US-Kräfte angewiesen.

Auch der Abzug der Soldaten selbst bis zum Stichtag ist im Zeitplan zu berücksichtigen. Offenkundig ist, dass danach weitere Evakuierungen stark vom Mitwirken der Taliban und dem Betrieb ziviler Fluggesellschaften abhängig sind.

Weiter Tausende Menschen am Flughafen

Nach den Worten des Chefs des Bundeswehrverbands wird die US-Entscheidzung die Lage in Kabul noch schwieriger machen.

„Das wird noch mal den Druck erhöhen“, sagte Verbandschef André Wüstner am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. Er wies auch darauf hin, dass in der von den militant-islamischen Taliban übernommenen Hauptstadt auch andere Terrorgruppen zunehmend aktiv seien.

Sie würden sicher versuchen, „nochmal auf sich aufmerksam zu machen“, erklärte André Wüstner. Die Europäer merkten, dass sie nun kleinere Truppenteile für den Abzug vorbereiten müssten. Natürlich plane auch die Bundeswehr Optionen für einen schnellen Abzug.

Rund um den Flughafen Kabul harren derweil weiter Tausende Menschen aus. So zeigen am Mittwoch in sozialen Medien geteilte Videos Hunderte Afghanen, die teils bis zu den Hüften in einem Wassergraben vor einer Wand zum Flughafengelände stehen und warten. Ein Mann, der den Wassergraben hochgeklettert ist, wird von zwei Soldaten zurückgedrängt.

Aufgrund der weiter desaströsen Lage rund um die Eingänge zum Flughafen haben Länder begonnen, ihre zu Evakuierenden anderweitig in den Flughafen zu bringen. Zwei Personen, die auf einer US-Liste zur Evakuierung standen, sagten, sie seien zu einem Ort in der Stadt gerufen worden und von dort mit in einem gepanzerten Konvoi in den Flughafen gebracht worden.

Taliban üben Druck auf Bevölkerung aus

Ein Taliban-Sprecher sagte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass aufgrund des Andrangs am Flughafen sich dort keine Afghanen ohne geeignete Dokumente für eine Ausreise ansammeln dürfen.

In einem in der Nacht zu Mittwoch versandten Landsleutebrief der deutschen Botschaft in Kabul hieß es, Deutschland plane weiterhin Evakuierungsflüge mit der Bundeswehr und zudem mit anderen befreundeten Staaten Flüge von Kabul ins Ausland. Gleichzeitig prüfe man weitere konkrete Maßnahmen zur Ermöglichung der Ausreise.

Aus Diplomatenkreisen hieß es in den vergangenen Tagen, nach Einstellung der Evakuierungsflüge könnten die zu Evakuierenden möglicherweise auf dem Landweg in Drittstaaten ausreisen und von dort nach Europa geflogen werden. Beide Grenzübergänge nach Pakistan etwa sind aktuell geöffnet, allerdings brauchen Afghanen Visa für das Nachbarland.

© dpa-infocom, dpa:210825-99-958371/7


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