Politik

Coronavirus: Forderungen nach längerfristiger Perspektive

Menschenleer ist eine der Haupteinkaufsstraßen in Wismar. Hier findet sonst jedes Jahr im Dezember der Weihnachtsmarkt statt. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Menschenleer ist eine der Haupteinkaufsstraßen in Wismar. Hier findet sonst jedes Jahr im Dezember der Weihnachtsmarkt statt. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Plötzlich sind sich alle einig – im Kampf gegen die Corona-Pandemie braucht es eine Notbremse. Nach den Beratungen zieht Vize-Kanzler Olaf Scholz einen Vergleich mit einem Vulkan, die Opposition will eine Perspektive für die Zeit nach dem Lockdown.

In Sachsen gilt ab sofort ein harter Lockdown – zwei Tage bevor das öffentliche Leben bundesweit drastisch heruntergefahren wird.

Neben den meisten Geschäften bleiben ab Montagmorgen auch Kitas, Schulen und Horte zu, für Kinder von Eltern systemrelevanter Berufe gibt es wie schon im Frühjahr eine Notbetreuung. Die neuen Schutzmaßnahmen hatte das Land bereits am Freitagabend getroffen – zwei Tage bevor am Sonntag der bundesweite Lockdown beschlossen wurde.

Grund sind – egal ob im Land oder bundesweit – die drastisch gestiegenen Corona-Zahlen, die Gefahr eines Kontrollverlusts. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Sonntag bei RTL-‚Aktuell‘: „Tatsächlich ist das eine Naturkatastrophe, mit der wir konfrontiert sind. Das ist wie, wenn der Vesuv ausbricht. Da kann man nur noch sehen, dass man sich in Sicherheit bringt – und das ist das, was wir tun.“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) rief die Bürger dazu auf, am Montag und am Dienstag wegen der Infektionsrisiken ganz auf den Einkauf von Weihnachtsgeschenken zu verzichten.

„Ich wünsche mir und ich hoffe, dass die Menschen nur das Allernötigste besorgen, was sie wirklich brauchen an Lebensmitteln“, sagte Altmaier am Sonntagabend im ‚Bild‘-Politik-Talk. Es gehe um die Gesundheit von ganz Vielen. „Je schneller wir diese Infektionen unter Kontrolle bekommen, desto besser ist es für alle.“

Opposition wünscht langfristige Planung

Auch aus der Opposition kommt Zustimmung für die Maßnahmen – man wünscht sich aber eine langfristigere Planung für die Zeit nach dem Lockdown – der Stand jetzt am 10. Januar enden soll.

Grünen- Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der ‚Rheinischen Post‘: „Für die nächsten Monate brauchen wir planvolles Handeln und eine längerfristige Perspektive. Ich erwarte, dass wir im Januar endlich ein Gesetz mit einem bundesweit verbindlichen Stufenplan verabschieden, durch den klar ist, wann und wo welche Maßnahmen gelten.“

FDP-Chef Christian Lindner sagte am Sonntagabend in einem ZDF-‚Spezial‘: „Wir müssen nach vorne schauen und fragen, was wird die dauerhaft durchhaltbare Strategie sein.“ Die Notbremse könne man angesichts ihrer Folgen nicht bis in den März verhängen. Lindner warb erneut dafür, Risikogruppen besser zu schützen.

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sagte am Sonntagabend in einem ARD-‚Extra‘: „Ein Lockdown ist natürlich keine nachhaltige Strategie – insofern stellt sich die Frage, wie wir dann die Kinder wieder sicher in die Schulen zurückkehren lassen können.“

Auch dort spielten Tests eine entscheidende Rolle. „Nur wir brauchen das Personal und natürlich auch die entsprechenden Tests, die man dann dort einsetzen kann – das sind wichtige Punkte an denen man hart arbeiten muss“, sagte Schmidt-Chanasit. Mit der Erarbeitung einer langfristigen Strategie müsse sofort begonnen werden.

Steigende Zahlen

Am Sonntagmorgen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 20.200 neue Corona-Infektionen und 321 neue Todesfälle. Am Sonntag vor einer Woche waren es noch 17.767 neue Fälle und 255 Todesfälle gewesen.

Am vergangenen Freitag war der bisherige Höchststand der Neuinfektionen (29.875) und Todesfälle (598) erreicht worden. Kanzlerin Angela Merkel ging davon aus, dass die Zahlen zunächst noch steigen werden.

Um die Welle zu brechen sollen ab Mittwoch bundesweit Geschäfte schließen, Ausnahmen gibt es für Lebensmittelläden, Drogerien und andere Läden des täglichen Bedarfs. Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseursalons und Kosmetikstudios werden ebenfalls geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physiotherapien bleiben möglich.

Der Einkauf in den Zentren werde fast zum Erliegen kommen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Einschränkungen für Gastronomie, Hotels, Sport und Kultur waren bereits schmerzhaft und dauern an. Doch es gibt jetzt keine Alternative dazu, Kontakte zu reduzieren. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Wir lassen uns durch Corona nicht die Innenstädte kaputt machen.“

Kontaktbeschränkungen im Fokus

Politiker warnten vor einem Run auf die Einkaufsstraßen am Montag und Dienstag – den letzten beiden Tagen mit offenen Geschäften. Die Corona-Infektionszahlen seien jetzt so hoch, „dass wir unmittelbar die Kontakte reduzieren müssen“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun am Sonntagabend in der ARD. Die verbleibenden zwei Tage am Montag und Dienstag vor dem Lockdown sollten nicht so genutzt werden, dass es in den Innenstädten übervoll werde.

Auch an den Schulen sollen vom 16. Dezember bis 10. Januar Kontakte deutlich eingeschränkt werden. Daher werden in diesem Zeitraum Schulen grundsätzlich geschlossen, oder die Präsenzpflicht wird ausgesetzt. Eine Notfallbetreuung wird sichergestellt, dazu wird Distanzlernen angeboten.

Es dürfen sich weiterhin nur maximal fünf Verwandte, Freunde oder Bekannte aus höchstens zwei Hausständen privat treffen. Kinder bis 14 Jahre sind ausgeschlossen. Für Weihnachten sollen abhängig vom Infektionsgeschehen Ausnahmen zugelassen werden.

Mit Blick auf die Feiertage und auf Silvester warnte der Düsseldorfer Virologe Jörg Timm vor einer Zunahme der Corona-Fälle: „Ich hoffe sehr, dass die Menschen auch über die Weihnachtstage auf private Feiern und Familienbesuche weitgehend verzichten werden. Bei den aktuellen Infektionszahlen ist sonst mit einer drastischen Zunahme der Covid-19 Fälle im neuen Jahr zu rechnen, die uns vor enorme Probleme stellen wird“, sagte der Mediziner der Düsseldorfer ‚Rheinischen Post‘.

© dpa-infocom, dpa:201214-99-681584/2


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