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Krieg von Russland in der Ukraine: Die aktuelle Lage

Zerstörte russische Panzer in Irpin: Vor wenigen Tagen haben ukrainische Truppen wieder die Kontrolle übernommen. Foto: Laurel Chor/SOPA/ZUMA/dpa
Zerstörte russische Panzer in Irpin: Vor wenigen Tagen haben ukrainische Truppen wieder die Kontrolle übernommen. Foto: Laurel Chor/SOPA/ZUMA/dpa

Kiew warnt vor neuen Offensiven russischer Truppen in der Ukraine. Auch deswegen will die Nato noch stärker als bislang mit Waffenlieferungen helfen. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Nach dem russischen Abzug aus Irpin hat der Bürgermeister der ukrainischen Stadt Russland schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen.

In der Kiewer Vorstadt hätten russische Truppen die Männer von Frauen und Kindern getrennt, sagte Olexander Markuschyn der Zeitung Ukrajinska Prawda zufolge.

„Diejenigen, die ihnen nicht gefielen – und das sind Fakten, es gibt Zeugen -, haben sie erschossen. Diejenigen, die nicht gehorchten, haben sie erschossen“, sagte Markuschyn. Die Toten seien dann absichtlich von Panzern überrollt worden. „Wir haben die Leichen mit Schaufeln vom Asphalt gekratzt.“

Ukrainische Soldaten begutachten ein schwer beschädigtes Wohnhaus in Irpin. Foto: Felipe Dana/AP/dpa
Ukrainische Soldaten begutachten ein schwer beschädigtes Wohnhaus in Irpin. Foto: Felipe Dana/AP/dpa

Olexander Markuschyn sagte, außerdem hätten die russischen Soldaten Frauen vergewaltigt. „Die russischen Invasoren töteten und demütigten nicht nur Frauen, sondern raubten auch gnadenlos die Wohnungen der Irpiner aus“, sagte Markuschyn. Gestohlen worden sei alles – von Waschmaschinen bis Unterwäsche.

Aus den nahe gelegenen Städten Butscha und Hostomel waren ebenfalls Gräueltaten gemeldet worden. Dort sollen die Truppen aus Russland Hunderte Zivilisten ermordet haben.

Selenskyj will noch schärfere Sanktionen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen unterdessen zu härteren Sanktionen gegen Russland aufgerufen. Er forderte ein Embargo auf russisches Erdöl und einen vollständigen Ausschluss des russischen Bankensystems vom internationalen Finanzwesen.

Sollte es kein „wirklich schmerzhaftes Sanktionspaket“ und keine Lieferungen der von Kiew geforderten Waffen an die Ukraine geben, werde Russland dies als „Erlaubnis zum Vormarsch“ sehen, sagte Selenskyj in einer in der Nacht veröffentlichten Videoansprache.

Zugleich warnte Selenskyj vor einer großen Offensive des russischen Militärs im Osten der Ukraine. Moskau baue weiter Kampfkraft auf, um seine Ambitionen im Donbass-Gebiet zu verwirklichen. Die Regierung in Kiew rief Menschen in den Gebieten Luhansk, Donezk und Charkiw bereits zur Flucht auf.

Sie rechnet damit, dass von der Hauptstadt Kiew abgezogene russische Truppen im Osten eingesetzt werden. Selenskyj betonte: „Wir werden kämpfen und uns nicht zurückziehen“. Das ukrainische Militär meldete weitere Kämpfe und Angriffe aus dem Osten des Landes.

Russische Armee beschießt weitere Ziele in der Ukraine

Russische Truppen haben nach Angaben aus Moskau weitere 29 Militärobjekte in der Ukraine bombardiert.

Dabei seien Luftabwehrsysteme, Artilleriegeschütze, mehrere Kommando- und Stützpunkte der ukrainischen Streitkräfte sowie Munitions- und Treibstofflager vernichtet worden, sagte der russische Militärsprecher Igor Konaschenkow.

Eine Fregatte der Schwarzmeerflotte habe „eine Salve mit vier ballistischen Raketen vom Typ Kalibr auf Bodenziele auf dem Territorium der Ukraine abgegeben“.

Selenskyj liefert erschütternden Bericht zur Mariupol

Selenskyj hat Griechenland eindringlich darum gebeten, den verbliebenen rund 100.000 Menschen in der südostukrainischen Stadt Mariupol zu helfen.

„Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir es in der europäischen Geschichte nicht mehr erlebt, dass eine Stadt in Schutt und Asche gelegt wird“, sagte Selenskyj in einer Live-Schalte vor dem griechischen Parlament. „Die Menschen dort sterben an Hunger und Durst.“ 

Während Selenskyjs Videoansprache wurden auch zwei ukrainische Kämpfer griechischer Herkunft aus Mariupol zugeschaltet. Sie berichteten, dass Menschen nicht aus Trümmern gerettet und Tote nicht beerdigt würden, weil es niemanden mehr gebe, der das noch tun könne.

Widersprüchliche Darstellungen zu Kontrolle über Mariupol

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben eigenen Angaben zufolge mithilfe russischer Truppen weitgehend die Kontrolle über das Stadtzentrum von Mariupol erlangt.

„Man kann sagen, dass im zentralen Teil der Stadt die Hauptkämpfe beendet sind“, sagte der Sprecher der prorussischen Kräfte im Gebiet Donezk, Eduard Bassurin, im russischen Staatsfernsehen. Die ukrainische Seite bestätigte diese Darstellung nicht. „Mariupol hält sich“, sagte Präsidentenberater Olexeij Arestowytsch.

In der seit Wochen belagerten Hafenstadt werden viele zivile Opfer nach russischen Angriffen befürchtet.

„Waffen, Waffen, Waffen“

Ein ukrainischer Soldat steht in Butscha neben zerstörten russischen Panzern. Foto: Felipe Dana/AP/dpa
Ein ukrainischer Soldat steht in Butscha neben zerstörten russischen Panzern. Foto: Felipe Dana/AP/dpa

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat zum Auftakt von Beratungen mit Kollegen der Nato-Staaten die Forderungen nach Waffen zur Verteidigung gegen Russland bekräftigt und dabei zu lange Entscheidungsprozesse in Deutschland beklagt.

Seine Agenda für das Treffen habe drei Punkte, sagte Kuleba in Brüssel: „Es sind Waffen, Waffen, Waffen.“ Der beste Weg, der Ukraine nun zu helfen, sei, dem Land alles Notwendige zu stellen, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Schranken zu weisen und die russische Armee in der Ukraine zu besiegen, damit der Krieg nicht weiter ausufere.

Die Nato-Staaten planen eine deutliche Ausweitung der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Bei dem Außenministertreffen wurde ein radikaler Kurswechsel in der Frage der Lieferung von schweren Waffen an das von Russland angegriffene Land deutlich. So bestätigten mehrere Teilnehmer im Hintergrund, dass das Nato-Land Tschechien bereits Kampfpanzer auf den Weg in die Ukraine gebracht hat.

Man schaue sich mit den Partnern an, wie man die Ukraine zukünftig intensiver und koordinierter unterstützen könne, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. Die Ukraine habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Ähnlich äußerten sich zum Beispiel auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und die britische Außenministerin. Liz Truss sagte: „Wir intensivieren unsere Waffenlieferungen an die Ukraine.“

USA liefern weitere Panzerabwehrwaffen und Drohnen

Die USA wollen die Ukraine besonders mit weiteren Panzerabwehrwaffen vom Typ Javelin unterstützen wollen. Dazu sollen 100 Millionen Dollar (91,3 Mio Euro) genutzt werden, die die US-Regierung für weitere Waffenlieferungen genehmigt hatte, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby.

Man sei außerdem mit den Ukrainern im Gespräch über die Lieferung weiterer Drohnen vom Typ Switchblade. Davon seien bereits 100 geschickt worden. Die Switchblades sind Mini-Drohnen, die lange über dem Boden kreisen können, um dort auf ein Ziel zu lauern und gezielt anzugreifen. Dabei zerstören sie sich dann selbst.

„Borodjanka eine der am stärksten zerstörten Städte“

Frauen tragen ihre Lebensmittel an einem zerstörten Wohnhaus in Borodjanka vorbei. Foto: Vadim Ghirda/AP/dpa
Frauen tragen ihre Lebensmittel an einem zerstörten Wohnhaus in Borodjanka vorbei. Foto: Vadim Ghirda/AP/dpa

Der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj hat von großen Zerstörungen in der Kleinstadt Borodjanka bei Kiew berichtet.

„Derzeit ist die Stadt Borodjanka eine der am stärksten zerstörten Städte in der Region Kiew“, sagte Monastyrskyj, wie ukrainische Medien am Donnerstagmorgen berichteten. Einwohner hätten erzählt, dass russische Truppen in den ersten Kriegstagen aus geringer Höhe mit Flugzeugen Raketen auf ihre Häuser abgeworfen hätten. 

Anschließend seien auch Rettungskräfte beschossen worden und hätten deshalb vorerst ihre Arbeit einstellen müssen. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

Ukraine: Elf Leichen in Kiewer Vorort gefunden

Polizisten arbeiten auf einem Friedhof in Kiew an der Identifizierung von Toten. Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa
Polizisten arbeiten auf einem Friedhof in Kiew an der Identifizierung von Toten. Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa

In einer Garage im Kiewer Vorort Hostomel wurden nach dem Abzug russischer Truppen ukrainischen Angaben zufolge elf Leichen gefunden.

Die Polizei habe diese am Mittwoch entdeckt, berichtete die Ukrajinska Prawda und berief sich auf einen Telegram-Eintrag des ehemaligen Innenministers Arsen Awakow. Demnach soll es sich bei den Getöteten um Zivilisten handeln, die von russischen Soldaten getötet worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Das nordwestlich der Hauptstadt gelegene Hostomel mit dem nahen Flugplatz war seit Beginn des Kriegs schwer umkämpft. Der Großteil der ursprünglich 16.000 Einwohner floh. Der lokalen Militärverwaltung zufolge wurden rund 400 Bewohner von Hostomel vermisst.

© dpa-infocom, dpa:220407-99-826736/18


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