Frankfurt/Main (dpa) – Jeden Morgen beim Zähneputzen noch fix zu Hause einen Corona-Test machen – das wird so schnell nicht möglich sein. Die neuen Schnelltests sind trotzdem ein Fortschritt.
Sie haben Schwächen, aber auch Vorteile. Unternehmen und Veranstalter setzen große Hoffnungen in sie. Die Behörden bemühen sich um Regulierung. Auch Wissenschaftler sehen großes Potenzial – aber auch Grenzen.
Wie funktionieren Antigen-Tests?
Antigen-Tests suchen in Abstrich-Proben nicht aufwendig nach dem Erbgut des Virus, sondern nach Molekülen, die charakteristisch für die Viren sind. Ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest wird das Ergebnis auf einem Teststreifen angezeigt. Nicht verwechseln darf man Antigen-Tests mit Antikörper-Tests. Letztere weisen nach, dass jemand eine Infektion überstanden und Antikörper gebildet hat.
Was sind die Vorteile und Nachteile?
Antigen-Tests reagieren weniger empfindlich als die bisher üblichen PCR-Tests, liefern aber schneller ein Ergebnis – in der Regel nach 15 bis 30 Minuten. Sie erkennen eine Infektion nicht so gut im Anfangsstadium und im späteren Verlauf. In der Phase, in der ein Patient besonders ansteckend ist, können die Schnelltests das Virus aber recht sicher erkennen. Wenn der Test positiv ausfällt, ist die Testperson mit ziemlicher Sicherheit infiziert. Ein negatives Ergebnis aber schließt eine Infektion nicht aus – besonders, wenn eine niedrige Viruslast vorliegt.
Welche Tests gibt es?
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)listet alle Antigen-Tests auf, die laut Herstellerangaben bestimmte Mindestkriterien erfüllen. Bis zum Wochenende waren dort bereits mehr als 200 Produkte erfasst. In den letzten Wochen sei die Zahl der Anbieter „explodiert“, berichtet die Deutsche Stiftung Patientenschutz. „Die Qualität der Tests zeigt deutliche Unterschiede“ sagt der Virologe Hans-Georg Kräusslich vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Gibt es Studien zur Wirksamkeit?
Ein Forscherteam der Berliner Charité hat sieben Anbieter getestet. Dabei ging es vor allem um zwei Größen: Die Sensitivität gibt an, wie zuverlässig der Test Erkrankte als solche erkennt. Die Spezifität zeigt, ob der Test Nicht-Infizierte tatsächlich als gesund erkennt. Die Spezifität der untersuchten Tests lag zwischen 88,24 Prozent und 100 Prozent. Die Sensitivität „überlappt mit den Virenkonzentrationen“, heißt es in der Studie. Das heißt: Je infektiöser der Patient ist, desto besser kann der Test das erkennen.
Wie bewerten Virologen die Antigen-Tests?
Antigen-Tests eröffneten „neue Handlungsoptionen in der Pandemie“, schreiben die Autoren der Studie. Sie könnten zum Beispiel dabei helfen, zu entscheiden, wann eine Quarantäne aufgehoben werden kann. Die Autoren gehen zudem davon aus, dass sich die Qualität der Antigen-Tests in Zukunft weiter verbessern wird.
Am Eingangstor von Seniorenwohnheimen könnten sie „unglaublich viel Gutes“ leisten, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“. Voraussetzung sei jedoch ein Test, der die Infektion zuverlässig anzeige. Auch die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek plädierte dort für einen breiten Einsatz. Die derzeit verfügbaren Tests würden zwar auf absehbare Zeit nicht für alle Menschen ausreichen. Man könne damit aber „mehr Bereiche, die uns wichtig sind, absichern“, zum Beispiel Altenheime oder Schulen.
„Antigen-Tests sind eine sinnvolle Unterstützung, sie können aber die PCR-Tests nicht ersetzen“, sagt Martin Stürmer, Laborleiter im Medizinischen Versorgungszentrum in Frankfurt.
Welche Rolle spielen Antigen-Tests derzeit?
Im Oktober wurde die Nationale Teststrategie um Antigen-Tests erweitert. Einer Verordnung zufolge, die seit Mitte Oktober gilt, sollen Schnelltests vor allem in Kliniken und Pflegeheimen zum Einsatz kommen, etwa für Bewohner, Personal und Besucher. Ziel ist es, vor allem asymptomatische Menschen mit einer Sars-CoV-2-Infektion aufzuspüren. Die Einrichtungen müssen dazu ein Test-Konzept erstellen. Dann legt das Gesundheitsamt fest, wie viele Tests gekauft und auf Kassenkosten finanziert werden können. In Pflegeheimen sind bis zu 20 Tests pro Monat pro Bewohner möglich.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
In manchen Ländern werden mit Antigen-Schnelltests bereits Massenuntersuchungen der Bevölkerung organisiert. Den Anfang machte die Slowakei, wo fast alle Bürger über zehn Jahre getestet wurden. Danach durften Kirchen, Kinos, Theater, Fitnesszentren und Schwimmbäder – mit beschränkten Besucherzahlen – wieder öffnen. Die Regierung plant weitere dieser Testaktionen. In Südtirol lief am vergangenen Wochenende ein Massentest mit Antigen-Schnelltests. Rund zwei Drittel der Bürger konnten kostenlos und freiwillig daran teilnehmen. Spanien plant Ähnliches in der Region um Madrid mit 6,6 Millionen Einwohnern.
Wer prüft, ob die Tests halten, was sie versprechen?
Patientenschützer verlangen geprüfte Angaben zur Zuverlässigkeit von Corona-Schnelltests. Bisher verlasse man sich dabei allein auf die Angaben des jeweiligen Herstellers, kritisiert der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Unabhängige Labore müssten die Qualität evaluieren. Auch die EU-Staaten wollen gemeinsame Standards für solche Tests. Die Kommission kündigte an, die verschiedenen Tests auf dem Markt zu bewerten.
Gibt es Tests für zu Hause?
Heimtests für Laien zu entwickeln oder zu verkaufen ist in Deutschland nicht erlaubt – anders als in den USA. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat einen Corona-Test für den Hausgebrauchzugelassen. Ein Arzt muss ihn allerdings verschreiben. Virologe Stürmer sieht das kritisch: Ein schlechter Abstrich führe zu schlechten Ergebnissen, auch beim Ablesen könnten Fehler entstehen. Die Gefahr sei: „Man wiegt sich eventuell in falscher Sicherheit oder man macht Panik.“
In Hessen soll die Studie „Safe School“ die Anwendung der Tests durch Laien erforschen. Rund 1000 Lehrer sollen jeden zweiten Tag selbst Abstriche bei sich vornehmen und diese mittels Schnelltest untersuchen. Auch die italienische Provinz Venetien erprobt Heimtests. Die Studie soll rund einen Monat laufen. Parallel sollen Abstriche vorgenommen werden, die im Labor untersucht werden, um die Treffsicherheit zu überprüfen.
Was sagen die Kliniken?
„Antigen-Tests helfen uns sehr viel“, sagt der Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Steffen Gramminger. „Sie sind ein zusätzlicher und ein wichtiger Puzzlestein im Kampf gegen das Virus.“ Der Vorteil sei vor allem die Geschwindigkeit: Man kann Besucher und ambulante Patienten vor Betreten der Klinik testen, um zu verhindern, dass sie in Haus jemanden infizieren. Auch für Tests beim Klinikpersonal seien sie hilfreich. „Und sie entlasten unsere Labore“.
Was sagen die Heime?
Hier gibt es auch kritische Stimmen. Der Geschäftsführer der Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg, Alexander Schraml, sieht Schnelltests in Pflegeheimen „mit äußerst gemischten Gefühlen“. Die Tests seien noch zu unzuverlässig. Er befürchtete, dass ein negatives Testergebnis Besucher „in falscher Sicherheit wiegt und dann Umsicht und Vorsicht verloren gehen.“ Außerdem sei der Aufwand für die Tests hoch, man brauche dafür geschultes Personal „und unser Fachpersonal brauchen wir eigentlich für unsere Bewohner“.
Sind Schnelltest eine Chance für die Wirtschaft?
Die Lufthansa hat 250.000 Schnelltests gekauft. „Erfolgreiches Testen ganzer Flüge kann der Schlüssel zum Wiederbeleben des internationalen Flugverkehrs werden“, sagt Vorstandsmitglied Christina Foerster. Erste Probeläufe laufen, dabei werden sämtliche Passagiere vor Flugantritt getestet. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Peter Gerber, fordert mehr Tempo bei der Einführung von Corona-Schnelltests für Flugreisende. Auch erste Hotels bieten inzwischen Schnelltests an.
Sind Antigen-Tests eine Option für die Kultur?
Derzeit eher nicht, glaubt Virologe Stürmer. Ein Antigen-Test weise nur nach, ob jemand gerade infektiös sei oder nicht. Falle er negativ aus, so sei der Mensch „grob geschätzt mindestens 2 bis 6 Stunden nicht ansteckend“, sagt er. In bestimmten Situationen könne ein Test das Leben etwas einfacher machen. Das gelte für Besuche in Altenheimen oder Kliniken, für Konzerte aber eher nicht. Dort benötige man sehr viel medizinisches Personal in kurzer Zeit, das Abstriche nehmen und Tests auswerten müsse.
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