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Wann sicherheitshalber gegen Tollwut geimpft wird

Gegen Tollwut gibt es eine Impfung - die beiden auf dem Markt verfügbaren Impfstoffe gelten laut Experten als gut verträglich. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn
Gegen Tollwut gibt es eine Impfung - die beiden auf dem Markt verfügbaren Impfstoffe gelten laut Experten als gut verträglich. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Bei Hunden und Wildtieren ist Tollwut hierzulande eliminiert. Theoretisch sind Übertragungen aber möglich – durch Fledermäuse oder aus Tollwutgebieten importierte Tiere. Was ist bei Verdacht zu tun?

Lörrach (dpa/tmn) – Es passiert, als mein Sohn nach dem Unterricht sein Rad auf einem steilen Stück des Nachhausewegs bergan schiebt. Plötzlich springt ihn ein nicht angeleinter Hund an und beißt ihn durch die Jeans in den Oberschenkel. Die Halterin entfernt sich, ohne ihre Daten zu hinterlassen.

Zuhause angekommen, berichtet er weinend davon. Die Wunde blutet nicht. Alles halb so wild – trotzdem bin ich alarmiert, denn: Tollwut wird durch Tierbisse auf Menschen übertragen.

Das Tückische: Nach der Infektion kann die Inkubationszeit zwischen einigen Tagen und mehreren Jahren liegen. Bricht die Krankheit aus, verläuft sie immer tödlich.

Erreger der Tollwut sind verschiedene Lyssaviren. Die Wahrscheinlichkeit, sich in Deutschland mit Tollwut zu infizieren, verläuft gegen null. Der Grund: Seit 2008 gilt Tollwut hierzulande dank aufwendiger Impfkampagnen als eliminiert. Bei Hunden und Wildtieren wie Füchsen kommen Lyssaviren sogar in der gesamten Europäischen Union fast nicht mehr vor.

Eine Ausnahme: Bei teils illegal importierten und daher häufig nicht geimpften Hunden aus Tollwutgebieten besteht die geringe Gefahr, dass sie mit Tollwut infiziert sein könnten.

Genau so einen Fall gab es 2008 bei uns im badischen Lörrach. „Damals musste ich zwei Kinder, die Kontakt mit einem tollwütigen Hund hatten, nachträglich impfen“, erinnert sich die Kinderärztin Verene Huber, die ihre Praxis in Lörrach hat.

Tierärzte und Wildbiologen gefährdet

Auch Fledermäuse können Überträger von Tollwut sein. „Fledermäuse gelten historisch gesehen als das eigentliche Reservoir von Lyssaviren“, erklärt Thomas Müller, Fachtierarzt für Virologie und Epidemiologie am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald.

Laut Müller sind in den rund 35 bis 40 verschiedenen Fledermausarten europaweit bislang sechs verschiedene Lyssaviren entdeckt worden, in Deutschland seien davon drei in nur wenigen Fledermaus-Spezies präsent. Besonders gefährdet seien Tierärzte, ehrenamtliche Fledermausschützer und Wildbiologen.

Daher sprechen Experten wie Müller davon, dass die „terrestrische“, also erdgebundene Tollwut in Deutschland eliminiert ist. Fledermäuse leben als Flugtiere nicht auf dem Boden. Damit fällt ihre Infektion nicht unter die terrestrische Tollwut.

Fledermäuse als mögliche Überträger

Dass Fledermäuse mit Tollwut infiziert sein können, sei vielen Menschen nicht bewusst, sagt Benno Kreuels, Facharzt für Innere Medizin und Tropenmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf und am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: „Wir erhalten in unserer Ambulanz im Schnitt zum Thema Tollwut pro Woche eine Notfall-Anfrage.“

Oft handle es sich um Fledermausbisse, aber natürlich auch um Bisse von Hunden, Katzen, Mäusen, Ratten und Kaninchen.

Die Klassiker: Eine verletzte oder kranke Fledermaus wird von einem Kind aufgehoben und das Tier beißt zu. Oder jemand wacht morgens auf und in seinem Schlafzimmer flattert eine Fledermaus oder da liegt ein verletztes oder totes Tier. Das Problem: Fledermäuse haben sehr feine Zähnchen. Ihre Bisse bleiben häufig unbemerkt und sind im Gegensatz zu anderen Tierbissen manchmal nicht sichtbar. Im letztgenannten Fall aus dem Schlafzimmer wäre es also empfehlenswert, sich zumindest einmal beim Arzt vorzustellen und das Geschehene zu schildern.

Fünf Impfdosen bei Verdachtsfällen

Bei offensichtlichen Verletzungen liegt der Fall etwas anders: Zwar tragen nur wenige Fledermausarten Lyssaviren in sich, allerdings können betroffene Hausärzte, Kinderärzte und Notfallambulanzen nach einem Biss die genaue Art der Fledermaus oft nicht feststellen. Deshalb ist bei Bissen oder Kratzverletzungen durch Fledermäuse immer eine sogenannte Postexpositionsprophylaxe (PEP) ratsam.

Für bislang nicht geimpfte Personen bedeutet dies fünf Impfdosen nach dem sogenannten Essen-Schema. Das heißt konkret: Die erste Impfung so schnell wie möglich. Dieser Tag zählt als Tag null, die weiteren vier Impfdosen erfolgen – von der ersten Gabe an gerechnet – dann an den Tagen 3, 7, 14 und 28.

Ich entscheide mich am Tag nach dem Hundebiss im Gespräch mit dem Kinderarzt für die PEP. Denn die Halterin und damit der Impfstatus und die Herkunft des Hundes sind nicht mehr zu ermitteln. So bleibt eine, wenn auch extrem geringe Wahrscheinlichkeit, dass der Hund mit Tollwut infiziert gewesen sein könnte.

Derzeit sind zwei Impfstoffe auf dem Markt, die nach Benno Kreuels Angaben beide sehr gut verträglich sind. Auch mein Sohn zeigt bei allen fünf Impfdosen keine Nebenwirkungen.

© dpa-infocom, dpa:210223-99-557383/4

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