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Schwitzen im Freien: Corona lässt Outdoor-Sport boomen

Rudern und Fitnesstraining: Immer mehr Menschen nutzen das Mainufer als Freiluftalternative zum Fitnessstudio. Foto: Hannes P. Albert/dpa
Rudern und Fitnesstraining: Immer mehr Menschen nutzen das Mainufer als Freiluftalternative zum Fitnessstudio. Foto: Hannes P. Albert/dpa

Drinnen einsam Hanteln stemmen ist out. Angesagt ist dagegen Sporttreiben an frischer Luft – und zwar so sehr, dass an schönen Tagen Parks und andere Freiflächen schon fast überquellen.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) – „Schön tief in die Hocke gehen, dann macht das noch mehr Spaß!“, ruft Trainer Jochen Bender seinen Schützlingen zu. Diese quälen sich mit Kniebeugen ab, dazwischen laufen sie zu ihren Matten und begeben sich schwitzend in den Unterarmstütz.

Auf die sechs Teilnehmer eines Bootcamps am Frankfurter Mainufer wartet noch ein anstrengendes Zirkeltraining – um kurz nach sieben Uhr morgens. Dazu schallt antreibende Musik aus einem Lautsprecher.

Das Training im Freien und in der Gruppe mache Spaß, sagt eine Teilnehmerin. Die 57-Jährige ist schon seit drei Jahren bei dem Outdoor-Training dabei. Den Sport schon vor der Arbeit zu erledigen findet sie praktisch. Die Bootcamp-Angebote hätten mehr und mehr Zulauf, sagt Trainer Bender. Besonders nach den Corona-Lockdowns sei die Nachfrage gestiegen.

Corona befeuert den Trend

Die Pandemie habe einen bereits vorhandenen Trend hin zum Outdoor-Training befeuert, sagt der Frankfurter Sportpsychologe Chris Englert. Das zeigten großangelegte Studien. Schon vor Corona hätten auch Fitnessstudios begonnen, draußen Kurse anzubieten. Die Lockdown-Erfahrungen hätten diese Entwicklung verstärkt.

Sehen und gesehen werden ist dabei ein wichtiger Faktor: „Wir zeigen gerne, was wir alles können“, sagt der Experte. Es sei gesellschaftlich auch deutlich wichtiger geworden, gerade in Deutschland, den Körper noch mehr zu formen, als das früher der Fall war. Menschen wollten zusammen Sport treiben und Teil einer Gruppe sein. Das hebe die Stimmung, wie bei vielen Green Exercisers – Menschen, die draußen Sport treiben – zu beobachten sei.

Stellenweise kaum ein Durchkommen

Ein Haupt-Anziehungspunkt für Freiluftsportler in Frankfurt ist das Mainufer. Die Stadt hat den Bereich beiderseits des Flusses in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kräftig herausgeputzt. An schönen Tagen ist stellenweise kaum ein Durchkommen, so viele Jogger, Rad- und E-Scooterfahrer, Power-Walker, Spaziergänger und Inline-Skater sind auf den Wegen unterwegs. Dazwischen watscheln Nil- und andere Wildgänse.

Auf den Wiesen drängeln sich Sonnenanbeter, Hundebesitzer und abends Partyvolk. Auch der eine oder andere Anhänger des Slacklining ist beim Versuch zu beobachten, auf einem Gummiband zwischen zwei Bäumen zu balancieren. Junge Mütter treffen sich zum Stretching mit Kinderwagen, Anhänger des Yoga oder Tai Chi sind bei Entspannungsübungen zu beobachten.

Rudervereine führen Wartelisten

Viel los ist auch auf dem Wasser. Wegen der großen Beliebtheit führt der älteste unter den Frankfurter Rudervereinen, der 1865 gegründete FRV, eine Warteliste. „Die Anfänger-Ausbildungsangebote sind regelmäßig überbucht“, sagt Sprecher Daniel Pankatz. Die Corona-Pandemie habe einen leichten Rückgang an Mitgliedern gebracht, doch das sei verkraftbar. Der Verein ist seit der Jahrtausendwende stark gewachsen, von 120 auf mehr als 300 Mitglieder.

Anfänger müssen zunächst einen Lehrgang absolvieren, neben der Technik und der Frage, wie das Boot aus und ins Wasser zu bringen ist, geht es dabei um Sicherheit. Denn auf dem Main ist auch viel Berufsschifffahrt mit Touristen oder Gütern an Bord unterwegs. Auch Spaß-Boote mit Junggesellen-Abschieden schippern am Ufer entlang, ebenso wie Wasser-Fahrräder, eine Art Trimm-Dich-Rad auf zwei aufblasbaren Kufen. Für Ruderer problematisch sind zudem Motorboote, die mit immer höherer Leistung über den Fluss rasten, sagt Pankatz.

Teamevents und Yoga-Kurse auf dem Brett

Gegenseitige Rücksichtnahme ist auch im Fall der Stand-Up-Paddler (SUP) wichtig. Die Bretter, auf denen man sich stehend voran paddelt, verleiht beispielsweise Robin Kassel von Main-SUP an seiner Station beim Rudererdorf am südlichen Flussufer. Im Angebot befinden sich auch Yoga-Kurse auf dem Brett oder ganze Junggesellenabschiede und Teamevents für Firmen. Bei Hochbetrieb an schönen Wochenenden seien es bis zu 80 Leute, die auf ein SUP-Brett steigen wollen.

Ohne Anfängerkurs gibt Kassel allerdings keines heraus. Das liege auch am Schiffsverkehr: „In der Schifffahrtsrinne haben wir nichts zu suchen“, lautet eine der wichtigsten Regeln. Teilnehmer lernen auch, wie sie sich unter Brücken verhalten und wo das Wasser tief und wo es flach ist. Und dass sie die Stege der benachbarten Rudervereine nicht benutzen dürfen.

Nutzungskonflikte bleiben nicht aus

Konflikte gibt es nicht nur auf dem Wasser. So hatte sich etwa eine Salsa-Gruppe zum gemeinschaftlichen Tanz in der Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB) getroffen. Da sich unmittelbar daneben eine Holocaust-Gedenkstätte befindet, zog die Stadt die Notbremse und verbot Musik und Tanz an dem Ort. Wo es attraktiv sei, gebe es Nutzungskonflikte, heißt es im Planungsdezernat. Die Stadt will den Uferbereich in den kommenden Jahren im Westen weiter ausdehnen.

Im Osten lockt neben der EZB der Hafenpark mit Sportplätzen für Fußball, Volleyball, Basketball und Badminton, Skate- und BMX-Anlage und Fitnessparcours. Auch hier sind immer wieder Bootcamps zu beobachten, bei denen die Teilnehmer Treppenstufen einer Mainbrücke auf allen Vieren erklimmen – vor- und rückwärts, angefeuert von lauter Musik und ihrem Trainer.

© dpa-infocom, dpa:220620-99-727744/5



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