Prien am Chiemsee (dpa/tmn) – Licht hellt die Stimmung auf und vertreibt trübe Gedanken, sagt man. Dass da etwas dran ist, spüren manche Menschen jeden Winter aufs Neue. Sie fühlen sich nicht so gut in der dunklen Jahreszeit, sind antriebsarm, die Stimmung ist gedrückt. Umgangssprachlich hat sich dafür der Begriff „Winterblues“ eingebürgert.
„Das ist ein uraltes Thema und findet sich schon in der antiken Literatur“, erzählt der Psychiater Prof. Andreas Hillert, Chefarzt für Psychosomatik und Psychotherapie an der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. „Wir würden bei ausgeprägten Fällen dieser Art heute von einer saisonal bedingten Depression sprechen.“
Dunkelheit als Nebenaspekt
Wobei der saisonale Aspekt, in dem Fall also der Winter mit seiner Dunkelheit und Kälte, nur ein Nebenaspekt sei. Um zu beurteilen, ob eine Depression vorliegt und behandlungsbedürftig ist, schauen die Mediziner auf Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessen- sowie Freudlosigkeit, erhöhte Ermüdbarkeit und weitere Anzeichen – Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten etwa.
„Es gibt aber auch nicht wenige Menschen, die fühlen sich in der dunklen Jahreszeit etwas weniger gut“, sagt Hillert. „Ohne dass es Krankheitswert hätte oder behandlungsbedürftig wäre.“
Wenn fehlendes Licht eine Ursache für diesen Blues ist, könnten Therapieleuchten mit künstlichem Tageslicht doch helfen, oder?
Tatsächlich wird die Lichttherapie bei der Behandlung von Depressionen eingesetzt – und kann auch selbst ausprobiert werden. Zu viel darf man aber nicht erwarten. Damit es einen Effekt hat, ist außerdem eine gewisse Disziplin gefragt.
Längere Tageslichtdauer simulieren
Dabei kommt eine Lichttherapielampe zum Einsatz, die recht helles weißes Licht abgibt. Dadurch soll möglichst intensives Tageslicht imitiert werden, sagt Hillert. Der Hintergedanke ist einleuchtend: Zu viel Dunkelheit sorgt dafür, dass der Körper größere Mengen des „Schlaf-Hormons“ Melatonin ausschüttet. Die Folge kann unter anderem anhaltende Müdigkeit sein – also das, was man möglicherweise als Winterblues empfindet.
Mit Hilfe des Lichts wird die Tageslichtdauer quasi künstlich verlängert. Die Ausschüttung von Melatonin soll damit am Morgen reduziert, Stimmung und Antrieb gleichzeitig besser werden.
Bei sensiblen Menschen könnte schon nach einigen Tagen eine leichte Verbesserung der Befindlichkeit zu spüren sein, so Hillert. Zugleich betont er aber: Wunderdinge seien von den Lampen nicht zu erwarten. „In den meisten Fällen, übrigens auch bei anderen Formen der Depression, ist Lichttherapie wenn dann eine ergänzende therapeutische Maßnahme, die für sich genommen meist nicht ausreicht, entsprechende Störungen zu behandeln.“
Früh aufstehen für sinnvolle Anwendung
Wer die Melatonin-Ausschüttung des Körpers mit Hilfe der Lampe effektiv beeinflussen möchte, darf sich nicht nach Lust und Laune irgendwann tagsüber davor setzen. Man sollte es idealerweise am frühen Morgen machen, erläutert Hillert. Und zwar für mindestens eine halbe Stunde täglich, über mehrere Wochen hinweg.
Hillert erzählt davon, dass in seiner Klinik auch Lichttherapien angeboten werden. Viele Patienten stünden dem Angebot aber zwiegespalten gegenüber. Der Grund ist das frühe Aufstehen. „Sie müssen dann 7 Uhr, eben wenn es draußen noch dunkel ist, vor der Lampe sitzen und nicht erst um 11 Uhr. Ein Spaziergang wäre im letzteren Fall absehbar die effektivere – weil aktivere – Methode.“ Nach seinen Worten führe die Lichttherapie „derzeit eher ein Schattendasein im therapeutischen Kontext“.
Dennoch: Wer ausprobieren möchte, ob es einem hilft, kann es praktisch bedenkenlos machen. Lichttherapeutische Lampen gibt es in verschiedenen Preisklassen im Handel zu kaufen. „Das Nebenwirkungsrisiko ist gering“, sagt der Experte. „Man kann nicht viel falsch machen, schlimmstenfalls funktioniert es halt nicht.“
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