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Prozess Ghislaine Maxwell: Sexualverbrecherin oder Opfer?

Gerichtszeichnung von Ghislaine Maxwell zu Beginn ihres Prozesses. Die Staatsanwaltschaft beschreibt Maxwell als «rechte Hand» des in höchsten US-Kreisen verkehrenden Jeffrey Epsteins-. Foto: Elizabeth Williams/AP/dpa
Gerichtszeichnung von Ghislaine Maxwell zu Beginn ihres Prozesses. Die Staatsanwaltschaft beschreibt Maxwell als «rechte Hand» des in höchsten US-Kreisen verkehrenden Jeffrey Epsteins-. Foto: Elizabeth Williams/AP/dpa

Die Anklage bezeichnet sie als „rechte Hand“ von Sexualverbrecher Jeffrey Epstein, die Verteidigung stellt Ghislaine Maxwell als dessen Opfer dar. Zu Prozessbeginn werden die Zeuginnen attackiert.

Zu Beginn des Missbrauchsprozesses gegen Jeffrey Epsteins Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung sehr unterschiedliche Versionen über die Rolle der 59-Jährigen gezeichnet.

Die Staatsanwaltschaft beschrieb Maxwell als „rechte Hand“ des in höchsten US-Kreisen verkehrenden Epsteins und als rücksichtlose Komplizin bei der Beschaffung minderjähriger Opfer für ihn. Die Verteidigung dagegen porträtierte sie ihrerseits als Opfer eines narzisstischen Mannes“, der die Welt um sich herum manipuliert habe – inklusive Maxwell.

Anklage in sechs Punkten

Staatsanwältin Lara Pomerantz sagte bei ihrem Eröffnungsplädoyers in dem New Yorker Gericht, Maxwell habe in dem von Epstein betriebenen Missbrauchsring eine entscheidende Rolle gespielt. 

Sie habe das Vertrauen von Mädchen gewonnen und sie dann ihrem ehemaligen Partner zugeführt. „Sie wusste genau, was passieren würde.“ Maxwell ist in sechs Punkten angeklagt, ihr drohen im Falle einer Verurteilung viele Jahre Haft.

Die Verteidigung bestritt die Darstellung der Anklage am Montag in ihrem Eröffnungsplädoyer vehement. Es gehe um Verbrechen des 2019 gestorbenen Epsteins, mit denen Maxwell nichts zu tun habe.

„Sie ist nicht wie Jeffrey Epstein“, sagte Maxwells Anwältin Bobbi Sternheim. Epstein galt als charismatischer Mann und wortgewandter Blender, der seine Gegenüber immer wieder in die Irre führte und für seine Zwecke benutzte.

Maxwell ernst und konzentriert

Maxwells Anwältin griff die vier Hauptzeuginnen an. Die mutmaßlichen Verbrechen seien 15 bis 25 Jahre her: „Wie wir alle wissen, verblassen Erinnerungen mit der Zeit.“

Auch hätten sie nach dem mutmaßlichen Missbrauch teils weiter Kontakt zum schwerreichen Epstein gehalten oder seien nicht glaubwürdig, weil sie selbst durch Geld und Karriereförderung von diesem profitiert hätten. „Die Geschichte jeder Beschuldigerin ist dünn, es fehlt ihnen an Rückhalt“.

Maxwell war am Morgen mit einem hellen Pullover und einer schwarzen Hose bekleidet in den Gerichtssaal in Manhattan gekommen, die kinnlangen Haare trug sie offen. Sie wirkte ernst, konzentriert und zeigte wenig Regung. Einige Male beugte sie sich flüsternd zu ihrem Anwalt. 

Es sind Eindrücke, die den Fotos vom früheren Luxus-Leben der Frau diametral gegenüber zu stehen scheinen: der mächtige Epstein, wie er seinen Arm um Maxwell legt und sie an sich drückt, während sie in die Kamera lacht. Maxwell mit Tesla-Geschäftsmann Elon Musk nach den Oscars. Maxwell mit Donald Trump.

In höchsten Kreisen

Maxwells Ex-Partner Epstein war der Aufbau eines Prostitutionsrings mit Dutzenden minderjährigen weiblichen Missbrauchsopfern vorgeworfen worden. Ein Prozess im Jahr 2008 endete mit einem vorteilhaften Deal für Epstein, den viele für einen Skandal hielten.

Zu einem erneuten Prozess in New York gegen den bestens vernetzten Multimillionär – und Bekannten unter anderem von Bill Clinton, Donald Trump, Bill Gates oder dem britischen Prinz Andrew – kam es nie, weil Epstein 2019 tot in seiner Gefängniszelle gefunden wurde. Gerichtsmediziner kamen zu dem Schluss, dass es Suizid gewesen sei. Im vergangenen Jahr war dann Maxwell verhaftet worden. Viele sehen das Verfahren gegen sie als Stellvertreterprozess.

Die Staatsanwaltschaft bemühte sich am Montag, Maxwell als zentrale Komplizin für Epstein darzustellen. Sie habe die Mädchen angeheuert, auf Epstein vorbereitet, sie ihm „täglich“ für sogenannte Massagen zugeführt, bei denen dieser sie sexuell missbraucht habe. Einige Male sei Maxwell bei solchen Übergriffen sogar anwesend gewesen.

Zudem habe sie eine „Kultur des Schweigens“ in Epsteins Anwesen aufgebaut, um die Taten geheim zu halten und sei in jedes Detail in Epsteins Leben eingeweiht gewesen. Ihr Motiv sei gewesen, ihr eigenes Luxusleben in seinem Dunstkreis aufrecht zu erhalten. Am ersten Verhandlungstag blieb dabei offen, ob Maxwell im Laufe des Prozesses selbst aussagen wird.

Angestellte und beste Freundin

Ghislaine Maxwell ist die Tochter des legendären britischen Verlegers Robert Maxwell (1923-1991) und kam Anfang der 90er Jahre nach New York.

Sie traf Jeffrey Epstein auf einer der zahlreichen Promi-Partys und war damals zeitweise seine Freundin. Das Umfeld Epsteins beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter und bester Freundin.

Der Prozess gegen Maxwell wird schätzungsweise sechs Wochen dauern, die Staatsanwaltschaft stützt sich auf vier Hauptzeuginnen. Die zu verhandelnden Fälle reichen von 1994 bis 2004, die mutmaßlichen Verbrechen sollen in Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und London begangen worden sein.

© dpa-infocom, dpa:211130-99-193822/2

➡️ Pressemeldung zur Bundesanklage



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