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Unwetter in Deutschland: Bis zu 40 Verletzte in Paderborn, Toter in Wittgert

Eine Dachlatte steckt in der Windschutzscheibe eines parkenden Autos. Ein Unwetter hat auch in Paderborn große Schäden angerichtet. Foto: Lino Mirgeler/dpa
Eine Dachlatte steckt in der Windschutzscheibe eines parkenden Autos. Ein Unwetter hat auch in Paderborn große Schäden angerichtet. Foto: Lino Mirgeler/dpa

Am Nachmittag hat ein mutmaßlicher Tornado in NRW massive Schäden verursacht. Schuld ist ein Tief namens „Emmelinde“. Unwetter dürften vielerorts in Deutschland den Start ins Wochenende vermasseln.

Mit Blitz, Donner und heftigem Regen sind von Westen her die für weite Teile Deutschlands erwarteten Unwetter aufgezogen. Gewitter, Starkregen und Orkanböen haben in Teilen Deutschlands schwere Schäden verursacht.

In Nordrhein-Westfalen sorgten Starkregen und Orkanböen vor allem in Lippstadt und Paderborn für Chaos. Bei dem schweren Unwetter am Freitag sind im Raum Paderborn 30 bis 40 Menschen verletzt worden, davon mindestens zehn schwer.

„Im Zuge eines Gewitters hat eine Windhose am Freitagnachmittag eine Schneise der Verwüstung von West nach Ost mitten durch Paderborn in Richtung der östlichen Stadtteile gezogen“, erklärte die Polizei am frühen Abend.

Die Beamten berichteten von Millionenschäden. In einem Gewerbegebiet seien Dächer von Hallen angerissen worden. Bleche, Dämmung und andere Materialien seien kilometerweit geflogen.

Mutmaßlicher Tornado in Lippstadt

Umgestürzte Bäume nach einem mutmaßlichen Tornado in der nordrhein-westfälischen Stadt Lippstadt. Foto: Ina Jütte/dpa
Umgestürzte Bäume nach einem mutmaßlichen Tornado in der nordrhein-westfälischen Stadt Lippstadt. Foto: Ina Jütte/dpa

Auch im etwa 35 Kilometer entfernten Lippstadt meldete die Feuerwehr einen mutmaßlichen Tornado, der schwere Schäden angerichtet habe.

Es habe zerstörte Dächer und umgestürzte Bäume im gesamten Stadtgebiet gegeben, sagte ein Feuerwehrsprecher. Fensterscheiben platzten und Autos wurden durch herabfallende Äste zerstört. Teils seien die Bäume schon am Stamm umgeknickt, berichtete die Gemeinde Altenbeken bei Paderborn – wie von der Hand eines Riesen getroffen.

Wegen Ästen und Bäumen auf den Gleisen musste die Bahnstrecke zwischen Paderborn und Altenbeken gesperrt werden. Betroffen seien der Regional- und Fernverkehr, Züge würden umgeleitet, sagte ein Bahnsprecher. Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums sagte, neben Paderborn und Lippstadt seien keine weiteren Orte bekannt, die es ähnlich getroffen habe.

Verletzte oder gar Tote wurden aus Lippstadt zunächst nicht gemeldet. Hilfsorganisationen sowie Drohnen seien in Lippstadt im Einsatz, teilte der Kreis Soest mit. Es gebe noch „unzählige“ offene Einsatzstellen im Stadtgebiet.

Im Lippstadter Freizeitbad Cabrioli wurden zeitweise etwa 120 Badegäste eingeschlossen, weil umgestürzte Bäume den Eingang blockierten. Später seien die Eingeschlossenen befreit worden, berichtete die Feuerwehr.

Im Ortsteil Hellinghausen sei durch den Sturm die Spitze einer Kirche heruntergestürzt. Etwa 200 bis 300 Kräfte der Feuerwehr seien im Einsatz. Die Lippstadter Feuerwehr werde dabei von Kräften mehrerer Nachbarorte unterstützt.

In Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben trotz massiver Gewitter größere Schäden bis zum Abend aus. Polizei und Rettungskräfte meldeten vereinzelt umgestürzte Bäume, Hagelschäden an Autos sowie die Überflutung von Kellern. Meldungen über Verletzte gab es aber zunächst nicht.

Hütte bei Unwetter eingestürzt – 14 Verletzte

Beim Einsturz einer Holzhütte bei einem Unwetter in Mittelfranken sind 14 Menschen verletzt worden, darunter mehrere Kinder. Foto: Haubner/vifogra/dpa
Beim Einsturz einer Holzhütte bei einem Unwetter in Mittelfranken sind 14 Menschen verletzt worden, darunter mehrere Kinder. Foto: Haubner/vifogra/dpa

Beim Einsturz einer Holzhütte bei einem Unwetter in Mittelfranken sind 14 Menschen verletzt worden, darunter mehrere Kinder.

Eine 37 Jahre alte Frau sei mit schwersten Verletzungen in eine Klinik geflogen worden, sagte eine Polizeisprecherin. Auch eines der Kinder sei per Hubschrauber in ein Krankenhaus gekommen.

Das Unglück ereignete sich am Freitagabend in Spalt (Landkreis Roth) nahe dem Großen Brombachsee. Der Polizeisprecherin zufolge hatten angesichts des in Bayern aufziehenden Unwetters offenbar mehrere Urlauber in der rund 105 Quadratmeter großen Hütte Schutz gesucht.

Aus ungeklärter Ursache sei diese dann zur Seite gekippt und zusammengefallen. Ersthelfer hätten noch vor Eintreffen der Rettungskräfte sämtliche Personen aus den Trümmern geborgen.

Der Kriminaldauerdienst sicherte den Angaben nach Spuren und übernahm die Ermittlungen zur Unglücksursache. Die Staatsanwaltschaft ordnete zudem an, dass ein Sachverständiger hinzugezogen wird.

Toter in Wittgert

In einem unter Wasser stehenden Keller ist ein 38-Jähriger beim Unwetter in Rheinland-Pfalz am Freitag ums Leben gekommen.

Der Mann habe beim Betreten des Kellers einen Stromschlag erlitten, sei dadurch zu Fall gekommen und vermutlich mit dem Kopf aufgeschlagen, teilte die Polizei mit.

Das Unglück passierte im Anwesen einer Familie in Wittgert (Kreis Westerwald), der 38-Jährige war ein Bekannter. Die Reanimation des Mannes sei erfolglos geblieben, er starb noch vor Ort, hieß es weiter. Die genauen Abläufe seien Gegenstand der kriminalpolizeilichen Ermittlungen.

NRW zuerst betroffen

Verwüstete Häuser stehen nach dem Unwetter an einer Straße in Paderborn. Foto: Lino Mirgeler/dpa
Verwüstete Häuser stehen nach dem Unwetter an einer Straße in Paderborn. Foto: Lino Mirgeler/dpa

Die durch Tief „Emmelinde“ bedingten Gewitter trafen zuerst Nordrhein-Westfalen. Für Teile des Bundeslandes gab der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine erste amtliche Unwetterwarnung wegen schwerer Gewitter heraus. Die Meteorologen weiteten die Warnung später auf Rheinland-Pfalz, Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg aus.

Schon vor Beginn der Unwetter kam es zum Start ins Wochenende vielerorts in Deutschland zu Beeinträchtigungen. Im Regierungsbezirk Köln endete der Schulunterricht nach Angaben der Bezirksregierung um 11.30 Uhr, damit die Schülerinnen und Schüler sicher nach Hause kommen konnten.

In Rheinland-Pfalz blieben alle Schulen in Trägerschaft des Kreises Ahrweiler geschlossen. Im Ahrtal wurden Mitte Juli 2021 bei einem Hochwasser nach extremem Starkregen 134 Menschen getötet und Tausende Häuser verwüstet. Bis heute leben viele Menschen in Ausweichquartieren.

Zahlreiche Veranstaltungen wurden vorsichtshalber abgesagt. So fiel eine in Bad Münstereifel mit Kardinal Rainer Maria Woelki geplante Dankfeier für Helfer der Flutkatastrophe vom vergangenen Juli aus.

In Köln wurden unter anderem der Zoo und der Forstbotanische Garten geschlossen, auch die Friedhöfe sollten ab dem Nachmittag für Besucherinnen und Besucher geschlossen bleiben. Kurios: In Solingen soll ein coronabedingt ausgefallener Weihnachtsmarkt nun erst ab Samstag und somit einen Tag später als geplant nachgeholt werden.

Unwetter beeinträchtigt Fernverkehr vor allem im NRW

Feuerwehrleute beseitigen in Ahaus (NRW) einen durch Gewitterböen umgestürzten Baum von einem Auto. Foto: Bernd März/B&S/dpa
Feuerwehrleute beseitigen in Ahaus (NRW) einen durch Gewitterböen umgestürzten Baum von einem Auto. Foto: Bernd März/B&S/dpa

Infolge der schweren Unwetter müssen sich Reisende derzeit auch auf Einschränkungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn einstellen.

Insbesondere in Nordrhein-Westfalen entfallen mehrere Halte, wie der Konzern am Freitagabend mitteilte. Demnach werden etwa auf der Strecke Köln – Wuppertal – Dortmund/Hamm die ICE- und IC-Züge zwischen Köln und Dortmund über Düsseldorf umgeleitet.

„Die Halte Solingen, Wuppertal und Hagen entfallen“, hieß es. Empfohlen wird der Umstieg auf Regionalzüge. Tief „Emmelinde“ hat in Teilen des Landes mit Starkregen, Gewittern und Orkanböen starke Schäden angerichtet.

Schon am Donnerstag waren schwere Gewitter über den Westen Deutschlands gezogen, die Schäden waren aber etwas weniger schwer als befürchtet. Zeitweise war der Bahnverkehr in die Niederlande unterbrochen. Auch im Norden kam es zu heftigen Unwettern. Gewitter und Sturmböen lösten in Niedersachsen Hunderte Einsätze der Feuerwehr aus.

Gewitter ziehen Richtung Mitte Deutschlands

Eine Frau schaufelt nach dem Unwetter in Paderborn Ziegel vom abgedecken Dach eines Hauses in eine Mülltonne. Foto: Lino Mirgeler/dpa
Eine Frau schaufelt nach dem Unwetter in Paderborn Ziegel vom abgedecken Dach eines Hauses in eine Mülltonne. Foto: Lino Mirgeler/dpa

Den Meteorologen zufolge sollten die Gewitter im Westen beginnen und sich später auf die Mitte Deutschlands ausdehnen.

Dabei seien „lokal extrem heftiger Starkregen um 40 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit, großer Hagel bis fünf Zentimeter und schwere Sturm- bis Orkanböen mit Geschwindigkeiten zwischen 100 und 130 Stundenkilometern“ zu erwarten, hieß es im DWD-Warnlagebericht. „Vereinzelte Tornados nicht ausgeschlossen.“

Der Deutsche Wetterdienst rechnet für die Nacht zum Samstag im Süden noch mit teils unwetterartigen Gewittern. Sonst sollen die Gewitter Richtung Polen abziehen, das Wetter sich von Westen beruhigen. Am Samstag könnte es dann im Nordosten noch ganz vereinzelt kurze Gewitter mit stürmischen Böen geben, die am Nachmittag nachlassen.

Vollgelaufene Keller in Hamburg

Feuerwehrleute pumpen in Hamburg Wasser aus einer überfluteten Tiefgarage ab. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Feuerwehrleute pumpen in Hamburg Wasser aus einer überfluteten Tiefgarage ab. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Auch im Norden kam es zu heftigen Unwettern. Gewitter und Sturmböen lösten in Niedersachsen Hunderte Einsätze der Feuerwehr aus.

In der Nähe von Eydelstedt wurde eine Person durch einen Baum verletzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden, wie die Kreisfeuerwehr mitteilte. Mehrere Gebäude seien stark beschädigt worden. Zahlreiche Bäume stürzten um, Keller liefen voll.

In Hamburg sei die Feuerwehr zwischen 18.00 und 21.30 Uhr 34-mal ausgerückt, sagte ein Sprecher der Feuerwehr Hamburg am Freitagmorgen. Hauptsächlich ging es um vollgelaufene Keller und abgebrochene Äste, teilweise standen auch Straßen unter Wasser.

Eine vollgelaufene Tiefgarage musste von der Feuerwehr leer gepumpt werden. In Lübeck verzeichnete die Feuerwehr 20 Einsätze innerhalb von zwei Stunden. Dort führte ein Blitzeinschlag zu einem Dachstuhlbrand.

In Baden-Württemberg im Landkreis Ludwigsburg räumte die Feuerwehr schlammbedeckte Straßen. Auch in Bayern rückte die Feuerwehr aus – wegen umgestürzter Bäume, umgeknickter Verkehrsschilder und vollgelaufener Keller.

Und so soll es weitergehen:

Blitze entladen sich aus einer Gewitterwolke über der Pfarrkirche im bayrischen Straubing. Foto: Armin Weigel/dpa
Blitze entladen sich aus einer Gewitterwolke über der Pfarrkirche im bayrischen Straubing. Foto: Armin Weigel/dpa

Für Freitagabend und in der Nacht wurden auch in Süddeutschland Gewitter erwartet. „Die Unwettergefahr ist hier allerdings meist nur noch lokal und geht im Laufe der Nacht zurück“, sagte DWD-Meteorologe Altnau.

Sonst sollen die Gewitter Richtung Polen abziehen, das Wetter sich von Westen durch das Hoch „Zeus“ beruhigen. Am Samstag könnte es dann im Nordosten noch ganz vereinzelt kurze Gewitter mit stürmischen Böen geben, die am Nachmittag nachlassen.

Am Sonntag scheint vielerorts die Sonne, nur an den Alpen sind noch Gewitter möglich. „Am Montag kündigt sich dann mit einem neuerlichen Tief von Südwesten her die nächste Gewitterlage an“, blickte Altnau voraus. Diese Gewitter treffen dann wahrscheinlich eher die Südhälfte Deutschlands.

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