Berlin (dpa) – Essen soll vor allem lecker schmecken. Da sind sich die Menschen in Deutschland einig: 99 Prozent der Befragten des diesjährigen „Ernährungsreports“ des Bundesernährungsministeriums geben an, dass es ihnen beim Essen vor allem auf den Geschmack ankommt.
Der Gesundheitsaspekt von Lebensmitteln ist der am Montag vorgestellten Umfrage zufolge für 89 Prozent der Befragten wichtig. Und auch Klima- und Umweltaspekte spielen beim Essen für viele Menschen in Deutschland eine wichtige Rolle. Oder spielten? Denn steigende Lebensmittelpreise seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben einen Einfluss darauf, was bei den Menschen in Deutschland auf den Teller kommt. Das ist im Report noch nicht berücksichtigt.
98.000 Tonnen Fleischersatz im letzten Jahr
Mit rund 84 Prozent findet eine deutliche Mehrheit der Ende Februar und Anfang März für den „Ernährungsreport“ befragten Menschen die Beachtung von Auswirkungen auf Klima und Umwelt bei der Ernährung sehr wichtig (36 Prozent) oder wichtig (48 Prozent) – unabhängig von Geschlecht oder Alter. Umgesetzt werden kann dies den Befragten zufolge etwa durch wenig Lebensmittelverschwendung und den Kauf regionaler Produkte. Wie der Report zeigt, ist auch der tägliche Konsum von Fleisch und Wurst seit Beginn der Befragungen vor sieben Jahren gesunken, nur noch ein Viertel der Befragten isst dies täglich (2015: 34 Prozent; 2022: 25 Prozent).
Beliebter hingegen sind vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte. Im Vergleich zum Vorjahr haben mehr Menschen solche Produkte schon mindestens einmal gekauft (2021: 43 Prozent; 2022: 47 Prozent). Bei den Gründen für den Kauf dominiert Neugier (75 Prozent). Doch der Anteil derer, die dies aus Tierschutzgründen tun, ist im Vergleich zu 2021 deutlich gestiegen (2021: 59 Prozent; 2022: 71 Prozent). Auch bei der Motivation, ein Produkt aus Umwelt- und Klimaschutzgründen zu kaufen, ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen (2021: 54 Prozent; 2022: 64 Prozent).
Die Daten des Statistischen Bundesamtes unterstreichen den Trend: 2021 wurden in Deutschland 98.000 Tonnen Lebensmittel hergestellt, die Fleisch oder Fleischprodukte mit pflanzlichen Alternativen ersetzten, wie die Behörde Anfang Mai mitteilte. Ein Plus von 17 Prozent.
Tendenzen könnten sich durch die Ukraine-Krise verändern
44 Prozent der Befragten ernähren sich den Angaben des Ernährungsreports nach flexitarisch, essen also gelegentlich Fleisch. Weitere 7 Prozent ernähren sich vegetarisch und 1 Prozent ernährt sich vegan. Weiterhin geben viele Befragte an, auf die Haltungsbedingungen von Tieren (80 Prozent), fairen Handel (76 Prozent) umwelt- und ressourcenschonende Produktion (73 Prozent) sowie eine ökologische Erzeugung (72 Prozent) zu achten.
87 Prozent der Befragten ist eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung wichtig (34 Prozent) oder sogar sehr wichtig (53 Prozent). Für mehr Tierwohl wären die Verbraucher auch bereit, mehr zu zahlen, wie aus dem Report hervorgeht.
Seit 2015 veröffentlicht das Ernährungsministerium jährlich den Ernährungsreport und beleuchtet damit die Ess- und Einkaufsgewohnheiten der Menschen in Deutschland. 1000 Menschen in der Bundesrepublik wurden so von Ende Februar bis Anfang März auch in diesem Jahr befragt. Allerdings: Die Veränderungen des Kauf- und Konsumverhaltens aufgrund der Preissteigerungen seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht messbar gewesen, wie es hieß.
Handel spürt Umdenken bei Kunden
Doch die Veränderungen sind nicht von der Hand zu weisen. Lebensmittel sind zuletzt deutlich teurer geworden, im Juni stiegen die Preise laut Statistischem Bundesamt um 12,7 Prozent. Und diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Wochen und Monaten fortsetzen. Das hat Folgen: Aus einer Umfrage des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik (DIL) in Quakenbrück und der Landesinitiative Ernährungswirtschaft Niedersachsen etwa ging Ende Juni hervor, dass die Befragten beim Einkauf vor allem auf Sonderangebote oder auf günstige Lebensmittel achten. Für einen Teil der Menschen seien Klima- und Umweltschutzaspekte in den Hintergrund gerückt, hieß es. Dagegen seien während der Corona-Pandemie für viele Menschen besonders die Nachhaltigkeitsaspekte deutlich wichtiger gewesen.
Auch der Handel spürt, dass sich das Einkaufsverhalten vieler Menschen in den vergangenen Monaten drastisch verändert hat. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres verzeichneten die Supermärkte nach Zahlen des Marktforschers GfK von Anfang Juli Umsatzeinbußen von vier Prozent. Laut GfK wird häufiger zu Sonderangeboten gegriffen, es wird öfter beim Discounter geshoppt und statt Markenartikeln liegen gerne wieder die Eigenmarken der Handelsketten in den Einkaufswagen. Auf den einen oder anderen Einkauf werde auch schlicht verzichtet, um Geld zu sparen, beobachteten die Marktforscher.
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