Der sportlichen Kampfansage folgten die verbalen: Jahrelang zauderte Bayer Leverkusen, wenn sich große Chancen boten. Diesmal geht die Werkself forsch und frech in den Bundesliga-Hit am Samstag gegen den FC Bayern München. Als Tabellenführer gegen den Zweiten. Es ist quasi ein Endspiel um die inoffizielle Weihnachts-Meisterschaft.
„Das wird ein geiles Spiel. Alle schauen zu. Und natürlich ist Bayern schlagbar“, sagte Nationalspieler Nadiem Amiri nach dem 4:0 (2:0) beim 1. FC Köln, dem höchsten Derby-Auswärtssieg überhaupt. Und der frühere Bayern-Profi Mitchell Weiser erklärte: „Wir haben gerade einen Lauf, den wollen wir fortsetzen. Wenn wir schon oben stehen und so ein Duell haben, wollen wir auch drei Punkte.“
Trainer Peter Bosz verfolgte die ungewohnt mutigen Aussagen seiner Spieler mit einem wohlwollenden Schmunzeln. „Ich werde sicher nicht versuchen, sie zu bremsen“, sagte der Niederländer: „Es ist immer gut, wenn Spieler ein gutes Gefühl, Selbstvertrauen und gute Laune haben.“ Und dann ergänzte der 57-Jährige lachend: „Aber ich werde ihnen auch sagen, dass Bayern München eine gute Mannschaft ist.“
Zwei 2:4 im Frühjahr
Das musste Bayer im Vorjahr leidvoll erfahren. Schon im Frühjahr schien das Team reif für den ersten Titel seit 27 Jahren. Doch zwei 2:4-Niederlagen gegen die Bayern in der Liga und im Pokal-Finale standen sinnbildlich für das, was noch fehlt. Zumal die Münchner in beiden Spielen überlegener waren als es das Ergebnis aussagt.
Nun ist Leverkusen viele Schritte weiter. Die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt. Das plötzlich riesige Selbstvertrauen schwenkt nicht in Gefälligkeit um. Am Sonntag eroberte Bayer erstmals seit sechs Jahren die Tabellenführung, es folgte im Derby die wohl beste und reifste Saisonleistung. Auf die Frage, wie man die Bayern denn schlagen könne, antwortete Amiri: „Man braucht viel Herz und viel Wille. Die Qualität haben wir auf jeden Fall.“
Qualität, die die Verantwortlichen beisammen halten wollen. Mit Toptalent Florian Wirtz soll sich der Club nach kicker-Informationen auf eine langfristige Zusammenarbeit geeinigt haben. Als Vertragsende sei der Sommer 2025 oder sogar 2026 vorgesehen. Das Fachmagazin berichtet auch, dass Moussa Diaby seinen 2024 auslaufenden Kontrakt vorzeitig um ein Jahr ausgedehnt hat. Gleiches soll bei Verteidiger Edmond Tapsoba erfolgen, der 21-Jährige soll bis 2026 fest gebunden werden.
Der Kölner Trainer Markus Gisdol fühlte sich angesichts der Vorstellung der Werkself am Mittwochabend jedenfalls schon „ein bisschen erinnert an die Bayern“. Inmitten einer starken Serie verlor der FC im Vorjahr chancenlos 1:4 gegen die Münchner. „So ähnlich hat jetzt Leverkusen gespielt“, sagte Gisdol: „Mit unglaublichem Speed, Dynamik und Spielfreude. Das war top. Sie spielen im Moment herausragend. Man hat gesehen, warum sie auf Platz eins stehen.“
Faktor Bosz
Ganz sicher auch wegen des in Dortmund nach einem Raketen-Start 2017 womöglich zu früh entlassenen Bosz, der auch kaum spielende Profis bei Laune und unter Spannung hält.
Jüngstes Beispiel war Weiser. Der 26-Jährige war quasi schon aussortiert. Für die Europa League wurde er als einziger fitter Profi nicht nominiert. Am Mittwoch rückte er kurz vor dem Anpfiff ins Team, weil Lars Bender ausfiel. Und erzielte an alter Wirkungsstätte nach sieben Minuten das Führungstor.
„Der Trainer ist während des Aufwärmens zu mir gekommen. Ich war gerade am Ballhochhalten“, sagte Weiser: „Aber ich bin immer bereit, wenn ich gebraucht werde.“ Eine solche Einstellung, lobte Bosz, sei „genau das, was wir brauchen“. Und so ist Bayer das einzige noch ungeschlagene Team der Liga.
Kurzum: Es scheint genau der richtige Moment, um zum Jahresabschluss mal ein Zeichen gegen die Bayern zu setzen. „Danach ist Urlaub“, sagte Amiri: „Da können wir noch einmal alles reinhauen.“
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