Wegen des Einsatzes des russischen Raketenabwehrsystem S-400 verhängen die USA Sanktionen gegen den Nato-Bündnispartner Türkei. US-Außenminister Mike Pompeo teilte in Washington mit, Strafmaßnahmen würden gegen das Direktorat der Verteidigungsindustrie (SSB) verhängt.
Das Direktorat ist dem Amt von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstellt. Die Sanktionen beinhalteten ein Verbot aller US-Exportlizenzen und -genehmigungen für SSB, teilte Pompeo mit. Etwaige Vermögenswerte von SSB-Chef Ismail Demir und andere Führungskräfte in den USA würden eingefroren. Gegen sie würden außerdem Einreisebeschränkungen verhängt.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Tests des Systems durch das türkische Militär im Oktober bestätigt. Mit Blick auf Kritik aus Washington betonte Erdogan, man werde die USA dafür nicht um Erlaubnis bitten.
Pompeo teilte mit, man habe der Türkei mehrfach auf höchster Ebene deutlich gemacht, dass der Kauf des S-400-Systems die Sicherheit von US-Soldaten und von amerikanischer Militärtechnologie gefährde. Außerdem kämen dem russischen Verteidigungssektor dadurch erhebliche Finanzmittel zugute.
Russland erhalte darüber hinaus Zugang zu den türkischen Streitkräften und der Verteidigungsindustrie des Landes. Der türkische Regierung hätte alternative Systeme anschaffen können, die mit der Nato vereinbar gewesen wären, habe sich aber dagegen entschieden. Nach Darstellung Ankaras hatte die Türkei von Bündnispartnern dagegen kein taugliches Alternativangebot bekommen.
Kritik aus Türkei und Russland
Das türkische Außenministerium übte Kritik an den Sanktionen. In einer Mitteilung hieß es, die Türkei werde in angemessener Weise und Zeit die nötigen Schritte gegen diese „ungerechte“ Entscheidung unternehmen.
SSB-Chef Demir teilte auf Twitter mit: „Jegliche im Ausland getroffene Entscheidung gegen mich oder meine Institution wird meine Haltung und die meines Teams nicht ändern. Die türkische Verteidigungsindustrie kann in keiner Weise behindert werden.“
Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem „weiteren Ausdruck der arroganten Einstellung gegenüber internationalem Recht“ und von der „Anwendung illegitimer, einseitiger Zwangsmaßnahmen“ durch die USA. Eine Überraschung seien Sanktionen aber nicht, sagte Lawrow der russischen Agentur Interfax am Rande eines Besuchs in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo.
Caatsa-Gesetz Grundlage für Sanktionen
Die Regierung der USA hatte die Regierung in Ankara mehrfach vor dem Einsatz des russischen Raketenabwehrsystem S-400 in der Türkei gewarnt und mit Sanktionen gedroht. Das Pentagon hatte kritisiert, der Einsatz des Systems sei nicht mit den Verpflichtungen der Türkei als Nato-Partner vereinbar. Auch die Nato hatte gewarnt, das S-400-System könne nicht in das Luft- und Raketenabwehrsystem des Bündnisses integriert werden.
Grundlage für die US-Sanktionen ist das Caatsa-Gesetz (‚Countering America’s Adversaries through Sanctions‘) aus dem Jahr 2017. Demnach kann der US-Präsident Strafmaßnahmen gegen eine dritte Partei bei einer „bedeutenden Transaktion“ mit dem Verteidigungssektor der russischen Regierung verhängen.
Unter anderem kann der Präsident anordnen, dass Betroffenen US-Exportgenehmigungen verwehrt werden, dass US-Finanzinstitute keine Kredite an sie vergeben dürfen, dass ihr etwaiger Besitz in den USA eingefroren wird oder dass sie mit Einreisesperren in die USA belegt werden.
US-Außenminister Mike Pompeo teilte mit, die jüngsten Sanktionen sendeten ein klares Signal aus, dass die USA solche Transaktionen nicht dulden würden.
USA-Befürchtungen wegen F-35
Die USA befürchten, dass Russland über das empfindliche Radar des S-400-Waffensystems an Daten über die Tarnkappenfähigkeiten des F-35-Jets gelangt. Ankara war Partner beim Bau des F-35-Kampfjets und wollte zahlreiche der Flugzeuge kaufen.
Wegen des Rüstungsdeals mit Moskau haben die USA die Türkei bereits aus dem F-35 Programm ausgeschlossen. Die republikanischen Senatoren Lindsey Graham und James Lankford hatten vor wenigen Tagen in einem Gastbeitrag für das Wall Street Journal geschrieben, der Einsatz russischer „Berater“ und des S-400-Radars in der Nähe von F-35-Kampfjets sei nicht hinnehmbar.
Im US-Kongress gab es seit langem parteiübergreifend Forderungen nach Sanktionen gegen die Türkei wegen des Kaufs des S-400-Systems. US-Präsident Donald Trump – der ein gutes Verhältnis zu Erdogan pflegt – hatte bislang aber keine Strafmaßnahmen erlassen. Sowohl das Repräsentantenhaus und der Senat wollten mit dem Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA) für nächstes Jahr Caatsa-Sanktionen erzwingen. Dem ist Trump nun zuvorgekommen.
Ankara und Moskau hatten den Vertrag über den Kauf des S-400-Systems durch die Türkei im September 2017 unterzeichnet. Die erste Lieferung erfolgte im vergangenen Jahr. Erdogan argumentiert, die Türkei brauche eine eigene Raketenabwehr gegen Bedrohungen aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien, aber auch aus dem Inland. Nach Darstellung Ankaras hat die Türkei von Bündnispartnern kein vernünftiges Alternativangebot bekommen.
Die S-400 ist ein mobiles Luftabwehrsystem, das Flugzeuge, Geschosse und andere Objekte vom Himmel holen kann. Die Einheiten, die üblicherweise aus mehreren Raketen, einem Radar und einem Gefechtsstand bestehen, können per Lastwagen transportiert werden. Die S-400 kann mit Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen arbeiten.
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