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Gutachten: Ungarn könnten schnell EU-Mittel gekürzt werden

Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, hat Ärger mit der EU-Kommission. Foto: Olivier Matthys/Pool AP/dpa
Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, hat Ärger mit der EU-Kommission. Foto: Olivier Matthys/Pool AP/dpa

Könnten Ländern wie Ungarn zügig EU-Gelder gekürzt werden? Ein Gutachten von drei Rechtsprofessoren beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. Europaabgeordnete machen nun Druck auf die EU-Kommission.

Gegen Ungarn könnte nach Ansicht von drei Rechtsprofessoren sofort ein Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln eingeleitet werden.

Wie aus einem von mehreren Europaabgeordneten in Auftrag gegebenen Gutachten hervorgeht, drohen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in dem Land den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union ernsthaft zu beeinträchtigen. Damit wäre die Voraussetzung für ein Verfahren erfüllt.

Konkret sehen die Rechtsprofessoren in Ungarn einen Mangel an Transparenz bei der Verwaltung von EU-Mitteln und das Fehlen einer effektiven nationalen Strafverfolgungsbehörde zur Ermittlung und Verfolgung von Betrug. Zudem gibt es ihrer Ansicht nach keine wirksame gerichtliche Überprüfung von Handlungen oder Unterlassungen der mit den finanziellen Interessen der Union befassten Behörden durch unabhängige Gerichte.

„Diese Studie bildet die rechtliche Grundlage für ein Sanktionsverfahren“, kommentierte Mitauftraggeber Daniel Freund von den Grünen. Die EU-Kommission brauche sie nur in einen Umschlag zu stecken und an den ungarischen Regierungschef Viktor Orban zu schicken. Die Voraussetzungen für Mittelkürzungen seien übererfüllt.

An dem Gutachten waren laut Freund die Professorin Kim Scheppele von der Universität Princeton sowie die Professoren Daniel Kelemen von der Universität Rutgers und John Morijn von der Universität Groningen beteiligt. Es soll an diesen Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Straßburg offiziell vorgestellt werden. Der Deutschen Presse-Agentur lag es vorab vor.

Untätigkeitsklage gegen EU-Kommission

Das Europaparlament kritisiert seit Monaten, dass die EU-Kommission das neue Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln bei Rechtsstaatsverstößen bislang nicht nutzt.

Zuletzt hat es deswegen bereits ein Verfahren für eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission eingeleitet. Mit dem Schritt soll die Behörde dazu gebracht werden, das neue Instrument unverzüglich anzuwenden. Es sieht vor, dass EU-Ländern Mittel aus dem Gemeinschaftsbudget gekürzt werden können, wenn wegen Rechtsstaatsverstößen ein Missbrauch der Gelder droht.

Brisant ist das Verfahren vor allem deswegen, weil die EU-Kommission nach einer Einigung der Staats- und Regierungschefs eigentlich erst dann tätig werden soll, wenn der Europäische Gerichtshof über eine Klage von Ungarn und Polen gegen die neue Regelung entschieden hat. Mit diesem Zugeständnis waren die Regierungen in Budapest und Warschau im vergangenen Jahr dazu gebracht worden, ihre Blockade von wichtigen EU-Haushaltsentscheidungen aufzugeben.

Ungarn und Polen gehen davon aus, dass der sogenannte Konditionalitätsmechanismus nicht mit dem geltenden EU-Recht vereinbar ist. So dürfen aus polnischer Sicht für die Vergabe von Geld aus dem EU-Haushalt einzig „objektive und konkrete Bedingungen“ gelten. Die EU habe keine Befugnis, den Begriff „Rechtsstaat“ zu definieren, heißt es.

Die EU-Kommission argumentiert, dass durch den zeitlichen Aufschub kein einziger Fall verloren gehen werde. Als Land, dem wegen der neuen Regelung Mittelkürzungen drohen könnten, gilt neben Ungarn zum Beispiel Polen. Der Regierung in Warschau wird seit langem vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz in unzulässiger Weise auszubauen.

© dpa-infocom, dpa:210707-99-285392/5


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