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G20-Gruppe verspricht Klimaschutz und streitet über Ziele

Der G20-Gipfel findet Rom statt. Foto: Johannes Neudecker/dpa
Der G20-Gipfel findet Rom statt. Foto: Johannes Neudecker/dpa

Die Industrienationen sind für drei Viertel der globalen Emissionen verantwortlich. Auf dem G20-Gipfel könnte es nur Versprechen im Kampf gegen die Klimakrise geben. Nötig wäre mehr, sagen Experten.

Die großen Industrienationen (G20) wollen auf ihrem Gipfel am Wochenende in Rom neue Versprechen im Klimaschutz abgeben, sind aber noch uneins über konkrete Ziele.

In einem Entwurf des Abschlusskommuniqués, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag, wird zu „sofortigem Handeln“ aufgerufen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Strittig ist aber, ob sich die G20 auch zu einem gemeinsamen Ziel für Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen oder Kohlendioxid-Neutralität bis 2050 bekennen wird. Klimaschützer zeigten sich enttäuscht von dem Textentwurf: Dieser bleibe zu vage.

In dem Dokument steht das Zieljahr 2050 noch in Klammern. So hat sich auch China als der mit Abstand größte Produzent von Kohlendioxid bisher nur dazu bekannt, bis 2060 kohlendioxidneutral werden zu wollen.

Netto-Null bedeutet, dass alle Treibhausgas-Emissionen durch Maßnahmen zur Reduktion wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. Damit wäre die Menschheit klimaneutral und die globale Temperatur würde sich Forschern zufolge vermutlich stabilisieren. Die G20-Staaten sind für mehr als 75 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.

Die Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Gipfel in Rom auch das Weltklimatreffen (COP26) vorbereiten, das am Sonntag im schottischen Glasgow beginnt. Dort soll darüber beraten werden, wie das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die gefährliche Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Kritik am Entwurf

Entwicklungsorganisationen forderten neue Zusagen der G20. „Wir brauchen ein starkes Signal, damit die Weltklimakonferenz auf das richtige Gleis kommt und nicht gleich in einer Sackgasse endet“, sagte Jörn Kalinski von Oxfam. „Wir müssen runter mit den Emissionen und rauf mit der Klimafinanzierung.“

Friederike Meister von der Bewegung Global Citizen sagte, „der G20-Gipfel stellt die Weichen für Erfolg oder Misserfolg der Klimakonferenz“. Als „weltweit größte Umweltverschmutzer“ trügen die G20-Staaten besondere Verantwortung.

Strittig ist in dem Entwurf auch, ob sich die G20 dazu verpflichten will, schon „in den 2020er Jahren“ weitere Maßnahmen zu ergreifen, nationale Aktionspläne zu formulieren, umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen. Aus Sicht von Klimaschützern wäre solch ein beschleunigtes Handeln erforderlich.

„Der Textentwurf drückt leider nicht die notwendige Entschlossenheit aus“, kritisierte der Klimaexperte Jan Kowalzig von Oxfam. „Die G20-Staaten sollten alle Alarmglocken läuten, dass ihre eigene Zögerlichkeit den Planeten zu verbrennen droht.“ Zwar werde die Lücke zwischen dem 1,5-Grad-Ziel und den Aktionsplänen anerkannt, „aber der Aufruf zu mehr Klimaschutz ist zu unverbindlich und zu unkonkret“.

Der Gipfel müsse eigentlich „das deutliche Signal“ senden, dass alle G20-Staaten verbindlich bis nächstes Jahr ihre Klimaschutzbeiträge noch einmal gründlich nachbessern werden – und dafür dann auf der Weltklimakonferenz in Glasgow auch alle übrigen Länder gewinnen, so Kowalzig.

Abgeschwächte Ziele

In dem Entwurf bekräftigt die G20-Gruppe ihr Ziel eines „weitgehend“ kohlendioxidfreien Stromsektors in den 2030er Jahren.

Ursprünglich war nach dpa-Informationen allerdings von einer „überwältigenden“ Mehrheit des Stromsektors die Rede, der kohlendioxidfrei sein sollte. Die Staaten wollen demnach „ihr Äußerstes tun“, um den Bau neuer Kohlekraftwerke zu vermeiden, wobei aber Ausnahmen zugelassen werden, indem „nationale Umstände berücksichtigt werden“.

Anerkannt wird, dass „die Kluft“ zwischen den vorgelegten Aktionsplänen und den Zielen von Paris geschlossen werden müsse. So reichen die Anstrengungen der Staatengemeinde nach einem jüngsten UN-Bericht bei Weitem nicht dafür aus. Mit den jüngsten Klima-Versprechen der Länder würden die Treibhausgase bis 2030 nur um 7,5 Prozent verringert. Für das 1,5-Grad-Ziel würden aber 55 Prozent benötigt – für 2 Grad noch immer 30 Prozent.

Auch Deutschland bedroht

Der Klimawandel hat auch schwere Folgen für Deutschland und seine Wirtschaft.

Ohne eine drastische Verringerung der Treibhausgase drohten der Bundesrepublik und anderen G20-Staaten neue Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen, warnte eine Studie des italienischen Euro-Mittelmeer-Forschungszentrums für Klimawandel (CMCC) im Auftrag der europäischen Klimastiftung.

Die Wissenschaftler warnten, dass die G20-Staaten durch den Klimawandel 2050 im Schnitt mindestens vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung (BIP) pro Jahr einbüßen dürften. Bis 2100 wären es sogar acht Prozent, warnten die Wissenschaftler.

Könnten die Emissionen so gesenkt werden, dass die Erwärmung auf zwei Prozent begrenzt werde, müsste Deutschland 2050 immer noch ein Minus von 1,35 Prozent oder 45 Milliarden Euro hinnehmen. Im ungünstigen Fall müsste Deutschland 2050 auf 1,85 Prozent Wirtschaftsleistung jährlich verzichten – bis 2100 dann 2,95 Prozent. Landwirtschaft, Tourismus und Küstenregionen seien besonders bedroht.

Hitzewellen könnten in Deutschland zwischen 2036 und 2065 etwa 14 mal häufiger auftreten als heute, heißt es in dem Bericht weiter. Dürren in der Landwirtschaft dürften um 74 Prozent steigen. Ost- und Mitteldeutschland könnten am stärksten betroffen werden. „Eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen würde viele dieser Entwicklungen abschwächen“, hieß es weiter.

© dpa-infocom, dpa:211028-99-766110/3



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