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Spahn weist Vorwürfe um Masken für Benachteiligte zurück

Der Druck auf Gesundheitsminister Jens Spahn steigt nach dem Umgang mit angeblich minderwertigen Masken. Foto: Michael Sohn/POOL AP/dpa
Der Druck auf Gesundheitsminister Jens Spahn steigt nach dem Umgang mit angeblich minderwertigen Masken. Foto: Michael Sohn/POOL AP/dpa

Neue Kritik an Jens Spahn: Sein Ministerium soll vergangenes Jahr vorübergehend vorgehabt haben, schlecht geprüfte Corona-Masken an Benachteiligte zu geben. Spahn weist die Vorwürfe zurück.

Berlin (dpa) – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Vorwürfe um angeblich minderwertige Corona-Masken für Menschen mit Behinderung und Obdachlose strikt zurückgewiesen.

Spitzenvertreter des Koalitionspartners SPD und der Opposition hatten sich zuvor „schockiert“ und „zutiefst erschüttert“ über Spahns angebliches Fehlverhalten gezeigt. Der CDU-Politiker erwiderte, die Schutzmasken, um die es gehe, seien intensiv geprüft worden und hätten alle nötigen Eigenschaften. SPD und Opposition üben seit Monaten immer wieder teils heftige Kritik an Spahns Krisenmanagement.

Diesmal reagierten SPD und Opposition auf einen Bericht, nach dem Spahns Ministerium bestimmte Masken vorübergehend für Obdachlose und Menschen mit Behinderung vorgesehen hatte. Diese Masken seien nur wenig geprüft gewesen, hatte der „Spiegel“ berichtet.

Spahn erwiderte: „Dass einige nun bewusst Obdachlose und Menschen mit Behinderung verunsichern, um Stimmung zu machen, sagt mehr über den Zustand der SPD als über die Qualität der Masken aus.“ Die Sicherheit von Schutzmasken habe im Ministerium absolute Priorität. Die Vorwürfe des Koalitionspartners bezeichnete Spahn als „empörend“.

Was Spahn vorgeworfen wird

Der „Spiegel“ hatte berichtet, dass die Regierung im Frühjahr 2020 angesichts des großen Mangels an Schutzmasken nach Beginn der Pandemie Millionen Masken in China bestellt habe, die nicht nach hohen Standards getestet worden seien. Teils seien sie beim TÜV Nord mit einem Verfahren geprüft worden, bei dem auf bestimmte Prüfschritte verzichtet worden sei. Bei einem Schriftwechsel zwischen Gesundheitsressort und Arbeitsministerium habe Spahns Ministerium solche Masken auch für Menschen mit Behinderung und für Obdachlose vorsehen wollen.

SPD-Chefin Saskia Esken warf Spahn nun „beispiellose Verachtung“ für Teile der Gesellschaft vor. „Mit dieser menschenunwürdigen Haltung hat man in der Politik nichts verloren“, sagte sie dem „Tagesspiegel“. Der Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte der „Bild am Sonntag“, CDU-Chef Armin Laschet müsse sagen, „ob dieses skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlichen Etikett noch tragbar ist“.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte, dass Menschen mit Behinderung und Obdachlose „mit unzulänglichen Masken“ beliefert werden sollten, „erschüttert mich zutiefst“. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): „In der kommenden Woche erwarte ich eine Regierungserklärung zu diesem unfassbaren Vorgang und umgehend eine Positionierung der Bundeskanzlerin.“

Das sagt Spahns Ministerium

Das Bundesgesundheitsministerium betonte in einem „Faktenblatt“, für die Masken aus China sei ein für die Pandemie in der Notlage 2020 entwickelter Prüfmaßstab angewendet worden. Institute wie der TÜV Nord führten demnach ein mehrstufiges Prüfverfahren durch. Dass solche Masken für Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder Obdachlose vorgeschlagen wurden, bestreitet Spahns Ressort nicht. Doch sie hätten nachweislich die Anforderungen des Infektionsschutzes erfüllt.

In den fraglichen Einrichtungen sind die Masken aus China dann aber doch nicht gelandet. Stattdessen wurden dorthin FFP2-Masken versandt, die in Deutschland seit Sommer 2020 produziert wurden, wie das Gesundheitsressort mitteilte. Hintergrund waren den Darstellungen zufolge Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung. Das SPD-geführte Arbeitsministerium, das für Arbeitsschutz zuständig ist, und das Spahn-Ressort gerieten in Fragen von Prüfverfahren und -Standards offenkundig deutlich aneinander, wie vom „Spiegel“ zitierte Mails und die Darstellung des Gesundheitsressorts ahnen lassen.

Spahns Haus schreibt, wegen der damaligen Forderungen des Arbeitsressorts hätten die Masken aus China nachgeprüft werden müssen, was aber „extrem zeitaufwendig“ gewesen wäre. Das Arbeitsressort habe aber zugleich auf eine „zügige Belieferung“ der Einrichtungen für Obdachlose und Menschen mit Behinderung gedrängt. Also habe das Gesundheitsministerium selbst vorgeschlagen, die „mittlerweile ausreichend verfügbaren“ FFP2-Masken zu nehmen.

Die Unions-Gesundheitsexpertin Karin Maag (CDU) sagte dem „Handelsblatt“, Spahn habe alles aufgeklärt und ihm sei „nichts vorzuwerfen“. Die Vorwürfe der SPD seien schäbig.

Und was ist nun mit den Masken aus China?

Inzwischen wurde der in der Notlage 2020 entwickelte Prüfmaßstab zum Infektionsschutz, dem diese Masken genügten, im Infektionsschutzgesetz verankert. Spahns Ministerium betont, der Kabinettsbeschluss sei „einvernehmlich von allen Bundesministern“ gefällt worden. Diese Masken würden nun mit weiteren Masken in der vor rund einem Jahr vom Kabinett beschlossenen Nationalen Reserve Gesundheitsschutz eingelagert.

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink zeigte sich weiter unzufrieden. Es dürfe nicht versucht werden, „ungenügend“ getestete Masken über die Notfallreserve geräuschlos verschwinden zu lassen, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) – und schickte einen umfassenden Fragenkatalog an das Ministerium.

© dpa-infocom, dpa:210605-99-875847/6

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