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Brexit: Verhandlunge über Fischerei zwischen Briten und EU stecken fest

Die Verhandlungen über einen möglichen Brexit-Handelspakt gestalten sich sehr zäh. Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa
Die Verhandlungen über einen möglichen Brexit-Handelspakt gestalten sich sehr zäh. Foto: Yui Mok/PA Wire/dpa

Seit Monaten diskutieren die Brexit-Unterhändler immer dieselben Knackpunkte. Bewegung? Gibt es kaum. Fristen? Schon viele gerissen. Nun hat das Europarlament einen Stichtag genannt – und die Gespräche haben sich offenbar auf einen Punkt konzentriert.

Die Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt zwischen der EU und Großbritannien hängen am seidenen Faden beziehungsweise mit Blick auf der Fischerei die Gespräche an einer dünnen Angelschnur.

Die Brexit-Verhandlungen würden scheitern, wenn die EU ihre Position vor allem beim Knackpunkt Fischerei-Rechte nicht „wesentlich“ verändere, zitierten britische Medien Regierungskreise in London mit Blick auf die Gespräche.

Es werde wahrscheinlicher, dass kein Abkommen gelinge. Dennoch sollen die Verhandlungen auch am Montag weitergehen. Damit wird eine vom Europaparlament gesetzte Frist gerissen: Die Parlamentarier hatten einen fertigen Vertragstext bis Sonntag, Mitternacht gefordert.

Nach der erneuten Verzögerung gebe es nun keine Chance mehr, einen möglichen Vertrag förmlich im Parlament zu ratifizieren, sagte der Brexit-Beauftragte David McAllister (CDU) am Sonntagabend der Deutschen Presse-Agentur. Die Brexit-Gruppe des Parlaments werde am Montag besprechen, welche Optionen nun noch blieben.

Verhandlungen gehen am Montag weiter

Unterhändler hatten am Wochenende erneut ohne Ergebnis über den Vertrag verhandelt, der die wirtschaftlichen Beziehungen ab 1. Januar regeln soll.

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sprach am Sonntag von einem „entscheidenden Moment“. Die EU wolle weiter ein faires, auf Gegenseitigkeit bedachtes und ausgewogenes Abkommen.

Aus britischen Regierungskreisen hieß es: „Die Verhandlungen bleiben schwierig, und es gibt weiterhin deutliche Unterschiede.“ Doch werde erwartet, dass die Verhandlungen an diesem Montag weitergehen. Das bestätigte auch die EU-Kommission.

Fischereirechte als Streitpunkt

Zentraler Streitpunkt waren immer noch die künftigen Fangrechte von EU-Fischern in britischen Gewässern. Großbritannien habe ein Kompromissangebot der EU zurückgewiesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen.

Die EU-Küstenstaaten seien jedoch nicht bereit, noch weiter zu gehen. Darüber hinaus gebe es immer noch sehr umstrittene Punkte beim Thema gleiche Wettbewerbsbedingungen, hieß es weiter.

Beobachter fühlen sich an das Lied der deutschen Techno-Band Scooter erinnert: „How much is the fish?“ – wie teuer ist der Fisch? Bei Twitter gibt es auch Verweise auf den Band „Macht`s gut, und danke für den Fisch“ aus der Per Anhalter durch die Galaxis Reihe von Douglas Adams.

80% des britischen Fischfang in EU exportiert

Dabei ist der Industriezweig vergleichsweise klein: Das Münchner Ifo-Institut schätzt den Gesamtwert der EU-Fangmengen in britischen Gewässern auf etwa 520 Millionen Euro – ein Bruchteil des Handelsvolumens in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro.

Doch die Fischerei ist längst auf beiden Seiten – und im Staatenbund vor allem in Frankreich, das auf knapp ein Drittel des EU-Anteils kommt – zu einer hochpolitischer Frage in den Brexit-Verhandlungen geworden. „Wir können keinen Deal akzeptieren, der uns nicht die Kontrolle über unsere eigenen Gesetze oder Gewässer lässt“, hieß es dazu in London.

Premierminister Boris Johnson räumt dem Thema zentrale Bedeutung ein. Schließlich gilt die britische Fischerei als eine wichtige Antriebskraft des Brexits – auch wenn der EU-Markt 80 Prozent ihres Exports aufnimmt – und diese nach einem No-Deal-Brexit mit Steuern belegt werden dürften.

Das Ifo Institut betonte unterdessen: „Auch deutsche Fischer wären betroffen, da sie über die Hälfte ihrer Fänge in britischen Gewässern tätigten.“ Die Ökonomen schlugen vor, bei Verzicht auf Fischereirechte in britischen Gewässern die EU-Branche für ihre Verluste zu kompensieren. Denn bei einem Scheitern der Gespräche drohe ein deutlich höherer finanzieller Verlust.

No-Deal-Brexit rückt Tag für Tag näher

Großbritannien ist Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten, ist aber in einer Übergangsphase bis Jahresende noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Kommt kein Handelsvertrag zustande, treten am 1. Januar 2021 an Zölle und andere Handelshemmnisse in Kraft. Das wäre ein harter Schlag für die Wirtschaft.

Der Brexit ähnele einem schrecklichen Adventskalender, schrieb Experte Fabian Zuleeg vom European Policy Centre in Brüssel auf Twitter. „Neue unlösbare Probleme warten hinter jedem Türchen.“ Nur seien die Probleme dieselben wie immer.

Wegen der schleppenden Verhandlungen laufen auf beiden Seiten Vorbereitungen für einen No Deal. Doch dem Brexit-Ausschuss des britischen Parlaments gehen die Planungen der Regierung längst nicht weit genug.

Entscheidungen seien „zu spät“ getroffen worden, die Kommunikation mit Unternehmen sei „bestenfalls lückenhaft“, hieß es in einem am Samstag veröffentlichten Bericht des britischen Parlaments.

Am Freitag hatte das Europaparlament für Notfallmaßnahmen gestimmt, die bei einem No-Deal-Brexits Flug- und Straßenverkehr sowie Fischerei zumindest teilweise für einige Monate sichern sollen.

Die Ungewissheit über den Ausgang des Brexit-Dramas sorgt bereits für ein Verkehrschaos. Vor dem britischen Hafen Dover am Ärmelkanal sowie vor dem Eurotunnel stauten sich auch am Wochenende Lastwagen kilometerweit. Viele Häfen sind bereits wegen des Weihnachtsgeschäfts und Lieferungen medizinischer Gütern in der Corona-Pandemie überlastet.

© dpa-infocom, dpa:201220-99-763688/8

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