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„Es tut mir leid“: Kejeta verpasst Medaille im Marathon

Melat Kejeta (2. v.l.) beim olympischen Marathon in Sapporo. Foto: Shuji Kajiyama/AP/dpa
Melat Kejeta (2. v.l.) beim olympischen Marathon in Sapporo. Foto: Shuji Kajiyama/AP/dpa

Melat Kejeta hat in ihrer Jugend den Wettlauf um ihr Leben gewonnen. Beim olympischen Marathon in Sapporo wird die gebürtige Äthiopierin Sechste und ist nicht nur deshalb eine Gewinnerin.

Sapporo (dpa) – Im Ziel riss sie die Arme wie eine Siegerin hoch. Am Ende ist Melat Kejeta Olympia-Sechste im Frauen-Marathon in Sapporo und auch eine Gewinnerin geworden.

Aus ihrer Heimat Äthiopien musste die 28-Jährige als Teenager flüchten, um ihr Leben zu retten. 13 Jahre später ist sie im deutschen Nationaltrikot in der absoluten Weltspitze angekommen. „Mein Ziel war, eine Medaille zu bekommen für Deutschland“, sagte Kejeta und entschuldigte sich, dass es nicht geklappt hat: „Es tut mir leid.“

In 2:29:16 Stunden kam die schüchterne Athletin, die für das Laufteam Kassel startet, ins Ziel; lediglich 116 Sekunden langsamer als die Siegerin Peres Jepchirchir (Kenia/2:27:20). Das ist kein Grund, Abbitte zu leisten. Im Gegenteil: Die 42,195 Kilometer in der Winterspielestadt von 1972 boten das extreme Gegenteil von dem, was von einem Ort zu erwarten wäre, in dem einst auf Eis und Schnee um Medaillen gekämpft wurde. Es herrschen klimatische Bedingungen, über die selbst Kenias Wunder-Marathonläufer Eluid Kipchoge stöhnte: „Wir werden alle in der gleichen Bratpfanne schmoren.“

Kampf gegen die Hitze

„Es war unglaublich warm“, sagte Kejeta nach der Lauf-Tortur erschöpft. Morgens um sechs Uhr war es 29 Grad Celsius heiß bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Außerdem plagten sie während des Rennens Magenprobleme, die sie ebenso wie die Hitze niederkämpfe. „Ich habe geträumt, als Kind bei Olympia dabei zu sein“, sagte Kejeta, die 30 Kilometer in der Spitzengruppe mithalten konnte und feststellte: „Ich habe meinen Traum erfüllt und bin sehr, sehr zufrieden.“

Vielleicht ist das nur der Anlauf für Größeres in drei Jahren bei den Sommerspielen in Paris gewesen. 33 Jahre ist es her, dass Katrin Dörre-Heinig 1988 in Seoul Bronze gewann, 1996 wurde sie in Atlanta Vierte. Erst Kejeta sorgte wieder für eine ähnliche Topplatzierung bei Olympia wie die heutige Bundestrainerin.

„Melat hat ein großartiges Rennen gemacht mit dem sechsten Platz, was wir lange nicht hatten bei Olympischen Spielen“, sagte Dörre-Heinig und sprach davon, dass damit „Geschichte geschrieben“ worden sei.

Zweitbeste deutsche Läuferin in Sapporo war Deborah Schöneborn. Die Berlinerin erreichte den 18. Platz in 2:33:08 Stunden. Auf den 31. Rang kam die Tochter der Trainerin, Katharina Steinruck aus Frankfurt (2:35:00). „Alle Drei haben sich für diese wirklich sehr, sehr schwierigen Bedingungen hervorragend geschlagen“, betonte Dörre-Heinig. „Ich ziehe den Hut.“

Flucht aus Äthiopien

Den Durchbruch in die Weltelite schaffte Kejeta bei der Halbmarathon-WM 2020 und bewies mit einer Zeit von 65:18 Minuten, welches Potenzial sie auf der kompletten Marathondistanz haben könnte. Die gebürtige Äthiopierin ist Angehörige der Volksgruppe der Oromo, die in ihrer alten Heimat verfolgt wird. Auch sie musste um ihr Leben fürchten und entschloss sich nach einem Wettkampf in Italien 2013, nicht mehr nach Äthiopien zurückzukehren.

Sie fand schließlich in Kassel ein neues Zuhause und eine neue sportliche Chance. Seitdem ist ihr Ansporn, „eine Medaille für Deutschland nach Hause“ zu bringen“, sagte Kejeta, die vor Olympia in ihrer Karriere 2019 in Berlin erst einen einzigen Marathon gelaufen ist. Umso bemerkenswerter ist für die schmale Frau mit dem großen Kämpferherz („Laufen ist mein Leben“) die Leistung von Sapporo.

Doch von nichts kommt im Marathon gar nichts: Ein Trainingspensum von 170 Kilometern pro Woche ist die Grundlage, hinzu kommt Talent und unglaublicher Ehrgeiz. „Das war schon seit meiner Kindheit in mir drinnen“, sagte Kejeta einmal dem Sender n-tv. „Wenn es ums Laufen geht, bin ich wie drogensüchtig.“

© dpa-infocom, dpa:210807-99-750907/4

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