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RB Leipzig leidet, Mainzer Notelf feiert Sieg

Kapitän Moussa Niakhaté (M) brachte die ersatzgeschwächten Mainzer in Führung. Foto: Torsten Silz/dpa
Kapitän Moussa Niakhaté (M) brachte die ersatzgeschwächten Mainzer in Führung. Foto: Torsten Silz/dpa

Ein besseres Spiel hätten sich die Mainzer Fans für die Rückkehr nach der Corona-Pause nicht wünschen können. Das Duell mit Leipzig wird zum emotionalen Kampf, den der gebeutelte Außenseiter gewinnt.

Auf Rasen und Rängen begann mit dem Abpfiff sofort die große Fußball-Party: Während die Profis von Titelanwärter RB Leipzig missmutig und bedient vom Platz trotteten, glichen die Szenen bei den Mainzern schon am ersten Bundesliga-Spieltag einer wilden Feierei wie für den geschafften Klassenerhalt.

Grund dazu gab es allemal, schließlich schlug die von zehn Quarantäne-Ausfällen gebeutelte Notelf beinahe sensationell den Vize-Meister mit 1:0 (1:0). Chefcoach Bo Svensson stürmte mit ausgebreiteten Armen auf seine Helden zu.

„Das ist wieder Fußball, das ist wieder Mainz, das ist wunderschön!“, sagte der euphorische Sportdirektor Martin Schmidt nach dem Coup mit ganz viel Moral. „Wir waren ein riesenglücklicher Sieger heute. Jeder ist noch mal über sich hinausgewachsen, eine Riesengeschichte.“

Marsch: „Nicht unser bester Tag“

Als die 05-Profis mitten im Block die „Humba“-Gesänge anstimmten, war der Eindruck einer völlig verkehrten Fußball-Welt inmitten von 10.500 Zuschauern perfekt.

„Es war einfach geil! Am Ende zählt, was jeder Einzelne auf dem Platz gezeigt hat. Das war überragend“, sagte der starke Torhüter Robin Zentner an einem für Mainz perfekten Sommertag.

Die großen Verlierer waren die Leipziger um Trainer Jesse Marsch, dessen Bundesliga-Debüt misslang. „Es ist früh in dem Prozess für unsere Gruppe. Es war nicht unser bester Tag“, sagte der Amerikaner, bei dem der Pannen-Sonntag in der Pressekonferenz nahtlos weiterging, als mit Beginn seines Statements das Mikrofon ausfiel.

Das Starensemble um 28-Tore-Mann André Silva und den von Wechselgerüchten umgebenen Kapitän Marcel Sabitzer muss aber nicht nur einen Liga-Fehlstart befürchten, sondern auch einen Abgang von Sabitzer selbst. Der Österreicher saß bei der Pleite über eine Stunde lang auf der Bank, es wirkte auch wie ein Signal vor den beiden verbleibenden Transferwochen.

Mainz ohne zehn Profis

Kurz vor dem Anpfiff war es kurz still geworden auf den Rängen in Mainz. Die beiden Clubs hatten spontan eine Schweigeminute für die am Sonntag gestorbene deutsche Fußball-Legende Gerd Müller organisiert.

Erst danach legten die Fans bei bestem Sommerwetter so los, wie sie es coronabedingt lange nicht mehr durften. Und die stark dezimierten Mainzer gaben ihrem Auftritt mit einem leidenschaftlichen Start allerlei Grund zur Begeisterung.

Schon nach fünf Minuten setzte Jae Sung Lee einen Kopfball an den Pfosten, beim folgenden Nachschuss zielte Paul Nebel nur haarscharf daneben. Zunächst war überhaupt nicht zu merken, wer hier der ambitionierte Champions-League-Starter mit dem 28-Tore-Mann André Silva und wer der gerupfte Abstiegskandidat ist.

„Der Nachteil ist riesig“, befand Chefcoach Svensson, nachdem insgesamt 14 Personen des Teams in dieser Woche in Quarantäne geschickt worden. Das Chaos schweißte die Mainzer aber offenbar nur noch stärker zusammen.

Niakhaté mit Führungstor

So war das Führungstor durch Kapitän Niakhaté nur folgerichtig, nachdem Leipzig bei hohen Temperaturen uninspiriert und fehlerhaft kickte. Nach einer Ecke leistete sich Nordi Mukiele im Strafraum einen verhängnisvollen Querschläger, am zweiten Pfosten musste der bestens postierte Niakhaté nur noch vollenden.

Das 05er-Publikum feierte fortan jede gelungene Aktion und vor allem eine wagemutige Grätsche von Niklas Tauer, der Tempodribbler Christopher Nkunku im letzten Moment und mit höchstem Risiko vom Abschluss in bester Position abhielt.

Das Halbzeitfazit des Vize-Meisters aus Sachsen fiel dementsprechend ernüchternd aus. Ohne Kapitän Sabitzer und Spaniens Dauerspieler Dani Olmo fehlten die kreativen Momente, Neuzugang Silva war bis dato nur in das temporeiche Fußballspiel involviert, wenn er für Mainzer Standards in den eigenen Sechzehner zurückeilen musste.

Nach dem Wechsel drückten die Gäste ihren Gegner mehr und mehr in die Defensive, doch dem Offensivtrio mit Silva, Nkunku und Schwedens EM-Star Emil Forsberg fehlte schlichtweg die Räume. Gelang der seltene Durchbruch doch mal, war immer wieder 05-Schlussmann Robin Zentner zur Stelle.

Erst in der 64. Minute brachte Jesse Marsch bei einem Dreifachwechsel seinen Kapitän. Kurz danach kam Silva (72.) zu seiner ersten richtigen Chance, doch Zentner reagierte glänzend. In der Nachspielzeit köpfte der Portugiese nur knapp übers Tor – danach war Schluss.

Svensson „sehr stolz“

„Ich bin sehr stolz auf die Gruppe“, sagte Chefcoach Svensson. Als die ganze Mannschaft schon in der Kurve abgefeiert worden war, hatte es lautstark gehallt: „Wir woll’n den Trainer seh’n, wir woll’n den Trainer seh’n.“ Die schwer enttäuschten Leipziger, die anders als Rivale Borussia Dortmund (5:2) patzten, waren da längst verschwunden.

Während die Mainzer ohne zehn Profis in Isolation ein echtes Rumpfteam auf den Platz schickten und erst ganz spät ihre wenigen Reservisten einwechselten, verfügte RB Leipzig über ein Topteam mit zahlreichen Alternativen, die deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben und das Duell „fitter Meisterkandidat gegen gerupften Abstiegsanwärter“ verdient verloren.

„Das war eine gute Erinnerung für uns, ja: Wir müssen mehr arbeiten“, sagte Jesse Marsch, der als Nachfolger von Julian Nagelsmann ein sehr schweres Erbe antritt.

Sabitzer auf dem Sprung nach München?

Spannend dürfte nun auch die Sabitzer-Frage werden. Die Führungsfigur aus Österreich wird permanent mit Rekordmeister FC Bayern in Verbindung gebracht, ein Wechsel zeichnet sich angesichts der Vertragssituation bis Sommer 2022 immer mehr ab.

Es sei „schwierig, einen Spieler zu halten, wenn er nicht bleiben will“, sagte Marsch der Süddeutschen Zeitung. In München könnte Sabitzer in zentraler Rolle zum ersten Herausforderer der beiden Stars Joshua Kimmich und Leon Goretzka werden.

Umstritten war vor dem Spiel die Ausrichtung der Partie, in dessen Vorlauf die Mainzer massiv von ihrer Corona-Situation mit vier Positivfällen (darunter drei Spieler) beeinträchtigt waren.

Der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel sagte bei DAZN: „Sicherlich ist es kein sportlich fairer Wettbewerb – Wettbewerbsverzerrung hört sich ja fast kriminell an, das würde ich so überhaupt nicht in den Mund nehmen. Aber ich glaube, das hat jetzt nichts mit fairem Sport zu tun.“ Am Beispiel Mainz dürfte diese Diskussion nach dem Coup nun wohl an Fahrt verlieren, vor dem nächsten Corona-Herbst aber bestimmt nicht ganz verschwinden.

© dpa-infocom, dpa:210815-99-851333/3
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