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Flicks Sehnsuchtsort im Wüstensand

Bundestrainer Hansi Flick hofft auf eine starke WM 2022 in Katar. Foto: Christian Charisius/dpa
Bundestrainer Hansi Flick hofft auf eine starke WM 2022 in Katar. Foto: Christian Charisius/dpa

Die Fußball-Nationalelf beendet das Jahr auf Weltranglistenplatz zwölf. Ein echter WM-Titelkandidat ist Deutschland damit 2022 nicht. Hansi Flick hat mit seinem Rekordstart aber eine Aufbruchstimmung erzeugt. Der Weg nach Katar beginnt mit einem speziellen Projekt.

München (dpa) – Der Sehnsuchtsort von Hansi Flick liegt mitten in der Wüste. Im 80.000 Zuschauer fassenden Lusail Stadium im Emirat Katar wird am 18. Dezember 2022 der nächste Fußball-Weltmeister gekürt.

Das WM-Finale ist das Ziel des Bundestrainers – acht Jahre nach seinem ersten Titelgewinn mit der deutschen Nationalmannschaft im legendären Maracanã von Rio, damals noch als Assistent von Joachim Löw.

„Liefern dann, wenn es zählt“ – diesen Leitsatz wird Flick den Nationalspielern im neuen Jahr bei jeder Zusammenkunft einimpfen. Eine verschworene Einheit will der 56-Jährige formen, Teamgeist vorleben: „Erfolg hast du nur gemeinsam. Und so agiere ich auch.“

Weiße Weste als Bundestrainer

Als Trainer steht Flick seit dem ruhmreichen Wirken beim FC Bayern für attraktiven Fußball, Siege und Titel. Gleich sieben sammelte er in nicht mal zwei Jahren in München: Deutscher Meister, Pokalsieger, Champions-League-Sieger, Club-Weltmeister – Flick räumte auf Vereinsebene alle Trophäen ab. Und als Bundestrainer legte er mit sieben Siegen in sieben Länderspielen gleich einen Rekordstart hin.

Dennoch mag Flick für die erste Winter-WM der Fußball-Geschichte nur eines garantieren: Er will das DFB-Team um Kapitän Manuel Neuer bestens auf ein Turnier vorbereiten, bei dem das Gastgeberland Katar etwa wegen der Menschenrechtssituation oder der Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen massiv in der Kritik steht.

Flick: „Titel kann man nicht garantieren“

Zum Jahreswechsel ist auch sportlich vieles diffus. Es stehen noch gar nicht alle WM-Teilnehmer fest, die Gruppengegner erfährt Flick erst bei der Auslosung am 1. April in Doha. Das ändert aber nichts an seiner grundsätzlichen Einschätzung: „Wer am besten vorbereitet ist, wird auch die beste WM spielen.“ Ein WM-Turnier mitten in der Saison ist eine komplett neue Herausforderung für die letztmals 32 Teams.

Flick mag den Fans, die dem DFB-Team nach den Enttäuschungen in der Endphase der Ära Löw angesichts seines Topstarts wieder zugetan sind, lieber nicht zu viel versprechen: „Titel kann man nicht garantieren.“

Die letzte FIFA-Weltrangliste 2021 listet den viermaligen Weltmeister Deutschland auf Platz zwölf, hinter den USA und vor der Schweiz. „Wir sind der Herausforderer, der etwas gewinnen will“, sagt Flick. Auf den Spitzenplätzen stehen andere: Belgien, Brasilien, Frankreich, England, Argentinien, Italien, Spanien. Die EM-Finalisten des vergangenen Sommers, Italien und England, werden in der Nations League wichtige Prüfsteine auf dem Weg nach Katar sein.

„Da müssen wir den nächsten Schritt machen“, fordert Flick. Ungarn ist der dritte Gruppengegner. „Top, ideal, reizvoll“, nennt Flick das schwierige Los: „Wir können uns mit den Besten Europas messen.“

Nations League als WM-Formbarometer

Die Nationenliga wird vor der Kadernominierung zum aufschlussreichen WM-Formbarometer. Vor dem großen Länderspielblock mit vier Partien Anfang Juni würde Flick gerne ein Trainingslager absolvieren. „Wir sind da vom Goodwill der Vereine abhängig“, weiß er jedoch.

„Zurück in die Weltspitze“ – das war und ist die Vorgabe, die Flick von DFB-Direktor Oliver Bierhoff beim Amtsantritt im August nach dem EM-Achtelfinal-K.o. gegen England gestellt bekam. Team-Senior Neuer rief noch vor Flicks Debüt den WM-Titel als persönliches Ziel aus. „Wir wollen nun angreifen“, sagte auch Angreifer Serge Gnabry nach der erfolgreichen WM-Qualifikation gegen zweitklassige Gegner.

Flick ist ein Turnierexperte. Er weiß, wie man rund um ein Team eine Atmosphäre schafft, in der ein Erfolgsgeist entstehen kann. Aus den acht Jahren als Löw-Assistent kennt er die Dynamik einer WM. Ein Turnier habe verschiedene Phasen, sagt Flick. Ab dem Viertelfinale gehe es erst richtig los: „Wenn man unter den letzten Acht steht, ist der riesige Druck weg. Alles, was danach kommt, sind Zugaben.“

Nächstes Länderspiel erst Ende März

Über Weihnachten wollte Flick daheim „auf der Couch runterfahren“. Das Hochfahren nach Neujahr muss in Etappen erfolgen. Auf die ersten Arbeitstage auf dem Trainingsplatz muss der Bundestrainer bis zum Frühlingsanfang warten. Erst am 26. März laufen Leroy Sané und Kollegen in Sinsheim gegen Israel wieder im Nationaltrikot auf.

Untätig werden Flick und sein Trainerstab davor nicht sein. Zur ständigen Beobachtung der WM-Kandidaten in den Bundesligastadien kommen Arbeitsaufträge aus dem Homeoffice. „Kontakt halten mit den Spielern auch zwischen den Lehrgängen, dass ist ein Projekt von uns“, sagt Flick. Er beschreitet neue Wege. Die WM zur Adventszeit soll schon lange vor dem Anpfiff in Katar in den Köpfen der Spielern sein.

31 Akteure hat Flick in seinen ersten sieben Spielen eingesetzt, darunter die vier Debütanten Florian Wirtz (Bayer Leverkusen), David Raum (Hoffenheim), Karim Adeyemi (RB Salzburg) und Lukas Nmecha (VfL Wolfsburg). Erfolgreichste Torschützen waren die drei Turbostürmer Timo Werner (5), Gnabry und Sané (je 4).

23 WM-Tickets kann der Bundestrainer verteilen. Flick setzt auf eine Mixtur aus Erfahrung und jugendlicher Unbekümmertheit – und auf einen starken Bayern-Block um die Leitfiguren Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller und inzwischen auch Sané. „Die WM ist das absolute Highlight 2022“, sagt Flick. Zum Jahreswechsel äußerte der Bundestrainer in einem DFB-Video aber erstmal diese Sehnsucht: „Für 2022 wünsche ich, dass wir Corona und die Pandemie in den Griff kriegen, dass wir das Leben zurück zur Normalität bekommen.“

© dpa-infocom, dpa:211230-99-542287/3


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