Politik

Gerichtsentscheid: Andreas Kalbitz darf vorerst in AfD bleiben

Andreas Kalbitz darf seine Rechte als Parteimitglied und als Mitglied im Bundesvorstand bis zur Entscheidung des AfD-Bundesschiedsgerichts wieder ausüben. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa
Andreas Kalbitz darf seine Rechte als Parteimitglied und als Mitglied im Bundesvorstand bis zur Entscheidung des AfD-Bundesschiedsgerichts wieder ausüben. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

Juristische Pleite für Parteichef Meuthen: Der mit knapper Mehrheit geschasste Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz darf erstmal in der Partei bleiben. Wie geht es nun weiter?

Vor einem nicht-öffentlichen Bundeskonvent seiner Partei an diesem Samstag sieht sich AfD-Chef Jörg Meuthen trotz des Urteils um den Ausschluss des bisherigen Brandenburger Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz nicht geschwächt. „Ich habe zunächst einmal klare Mehrheitsverhältnisse im Bundesvorstand“, sagte er im ZDF heute journal. Und er wisse auch die Mehrheit der Partei hinter sich.

Die Entscheidung fiel in einem Eilverfahren, das Kalbitz angestrengt hatte. Die Vorsitzende Richterin Meline Schröer begründete das Urteil damit, dass nach dem Parteiengesetz für die Beendigung einer Mitgliedschaft das Partei-Schiedsgericht zuständig sei. In diesem Fall habe der Bundesvorstand als Exekutive unzulässigerweise die Mitgliedschaft des 47-Jährigen für nichtig erklärt. Wegen dieses Verfahrensfehlers müsse Kalbitz Rechtsschutz gewährt werden.

Kalbitz selbst sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Ich freue mich über diese rechtsstaatliche Entscheidung. Es obliegt nun Teilen des Bundesvorstandes zu überlegen, einen selbstzerstörerischen Spaltungskurs weiter zu verfolgen, um sich das Lob eines instrumentalisierten Verfassungsschutzes und des politische Gegners zu erheischen oder sich endlich wieder auf politische Sacharbeit für unser Land zu konzentrieren.“

Meuthen bezeichnete das Urteil als „eine Art Gnadenfrist“ und fügte an: „Es wird darauf ankommen, wenn in der Sache entschieden wird. Und in der Sache ist heute nicht entschieden worden.“

Gauland sieht sich bestätigt

Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, der gegen den Rauswurf war, sieht sich nun bestätigt. „Als Jurist habe ich dieses Ergebnis befürchtet. Ich kann daher jetzt nur an die knappe Mehrheit im Bundesvorstand appellieren, sich zu überlegen, ob sie den Weg der juristischen Auseinandersetzung weiterführen will.“ Gauland warnte vor „Kollateralschäden“ in Partei und Bundestagsfraktion.

Fraktionschefin Alice Weidel nannte den Rechtsstreit „ein unschönes Signal, das nicht hätte sein müssen“. Sie hatte gemeinsam mit Co-Parteichef Tino Chrupalla gegen die Aberkennung der Mitgliedschaft gestimmt.

„Der nun öffentlich ausgetragene juristische Streit ist das Ergebnis überhasteten Handelns“, sagte Weidel dem RND. Chrupalla erklärte: „Nach der richtungsweisenden Entscheidung des Gerichts können wir uns nun wieder ganz auf unsere vernunftorientierte Politik mit Augenmaß konzentrieren.“

AfD-Vize Beatrix von Storch, die für den Ausschluss plädiert hatte, verwies darauf, dass Kalbitz‘ Hauptantrag abgewiesen worden sei, weil das Gericht die Entscheidung dem parteiinternen Schiedsgericht überlassen habe. „Lediglich auf den Hilfsantrag hin und bis das Schiedsgericht der Partei entscheiden hat, darf Kalbitz kurzfristig bestimmte Mitgliederrechte wahrnehmen.“

Mitgliedschaft verschwiegen?

AfD-Chef Jörg Meuthen hatte den Ausschluss von Andreas Kalbitz im Mai betrieben. Parteiintern führte dies zu schweren Querelen. Kalbitz war einer der Wortführer des rechtsnationalen „Flügels“ um den Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Die Gruppierung hat sich nach einem Ultimatum des Bundesvorstands inzwischen offiziell aufgelöst. Zuvor hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz den „Flügel“ im März als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft.

Der Anwalt des AfD-Bundesvorstands, Joachim Steinhöfel, hatte laut dpa in der mündlichen Verhandlung auf die Satzung der Bundespartei verwiesen. Dort sei seit Februar 2013 festgelegt, dass Mitglieder bei einem Aufnahmeantrag bestehende oder frühere Mitgliedschaften in vom Verfassungsschutz beobachteten extremistischen Organisationen angeben müssten. Dies habe auch in dem Online-Aufnahmeantrag gestanden, den Kalbitz nach eigener Aussage am 8. März 2013 gestellt habe.

In diesem Fall hätte es eine Einzelfallentscheidung des Bundesvorstands geben müssen. „Aber es gab keine Einzelfallentscheidung zu Herrn Kalbitz, weil er seine Mitgliedschaften nicht angegeben hat“, betonte Steinhöfel. Daher habe der Bundesvorstand um Jörg Meuthen die Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz in der AfD für nichtig erklärt – „wegen arglistiger Täuschung und Verschweigens der Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen, bei den Republikanern und der HdJ“.

Dagegen erklärte Kalbitz‘ Prozessvertreter Andreas Schoemaker laut dpa, sein Mandant habe eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass er nicht in der HdJ Mitglied gewesen sei. Dies könne der Bundesvorstand auch nicht belegen, weil der Verfassungsschutz die angebliche Mitgliederliste der HdJ nicht herausgebe. Zur Mitgliedschaft bei den Republikanern habe sich Kalbitz 2017 öffentlich bekannt.

Steinhöfel kündigte an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Dies ist nach Angaben des Gerichtssprechers in einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils möglich.

An diesem Samstag trifft sich die AfD unterdessen zu einem Bundeskonvent. Dieser war zunächst abgesagt worden. Das Hotel, in dem die Veranstaltung ursprünglich stattfinden sollte, hatte eigenen Angaben zufolge die Veranstaltung aufgekündigt. Mittlerweile gibt es wohl ein Ausweichquartier.

Nach Angaben eines Sprecher der AfD sollen an der Veranstaltung rund 70 Delegierte und der Bundesvorstand teilnehmen. Unter anderem gehe es um die Verabschiedung des Haushalts. Und auch die Personalie Kalbitz wird sicher zur Sprache kommen.

weiterführende Informationen:
➡️ Pressemeldung des Landgericht Berlin

Reaktionen von CDU, SPD, Linke und Grüne

Der brandenburgische SPD-Generalsekretär Erik Stohn warf dem AfD-Bundesvorstand vor, die politisch-inhaltliche Auseinandersetzung zu scheuen. Der „Flügel“ stehe kurz davor, die Gesamtpartei zu übernehmen.

CDU-Kollege Gordon Hoffmann sagte, die AfD in Brandenburg habe zuvor schon gezeigt, dass es es ihr egal sei, ob sich der Bundesvorstand von Kalbitz trennen wolle oder nicht. „Sie halten fest an jemandem, der erwiesenermaßen Rechtsextremist ist.“

Die Linke-Fraktionsvorsitzenden Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter erklärten: „Kalbitz bleibt ein Nazi, ob mit oder ohne Parteibuch.“ Die AfD sei rassistisch und rechtsextrem dominiert, „als Flügel oder ganzer Vogel“.

In der Brandenburger AfD sei Kalbitz lediglich ein Rechtsextremist unter vielen, betonten die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Grüne, Julia Schmidt, und Fraktionschef Benjamin Raschke.

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor zehn Tagen entschieden, das Horst Seehofer auch als Bundesinnenminister das Verhalten der AfD als „staatszersetzend“ und „schäbig“ kritisieren durfte, dieser Medienbericht aber nicht über die Homepage des Ministerium hätte verbreitet werden dürfen.

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