AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hat sich nach dem Ausschluss von Andreas Kalbitz besorgt über den Zustand seiner Partei gezeigt, erhoffe, dass daraus kein Zerfall wird. Eine neuerliche Kandidatur für den Bundestag stellte er infrage.
„Ich kann die Partei nicht zusammenhalten, wenn sie sich auf diese Weise auseinanderdividiert“, sagte Gauland der Welt am Sonntag mit Blick auf den Machtkampf nach dem Rauswurf von Brandenburgs früherem AfD-Landeschef Andreas Kalbitz. Das sei der Vorwurf, den er Parteichef Jörg Meuthen mache.
Gauland erwägt, 2021 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren: „Ich habe immer gesagt, dass ich das erst im Winter entscheide. Wenn ich das hier so sehe, bin ich eher skeptisch“, sagte der 79-Jährige. „Ich fürchte, die Partei geht schwierigen Zeiten entgegen, und ich sehe im Moment kaum Möglichkeiten, sie davor zu bewahren.“
Mitgliedschaft von Kalbitz annulliert
Der AfD-Bundesvorstand hatte die Parteimitgliedschaft von Kalbitz im Mai auf Antrag Meuthens mehrheitlich annulliert. Er gab als Grund an, dieser habe eine frühere Mitgliedschaft bei den Republikanern sowie seine Zugehörigkeit zur rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) verschwiegen.
Kalbitz bestreitet die HDJ-Mitgliedschaft. Das Bundesschiedsgericht bestätigte den Beschluss vor rund einer Woche. Kalbitz wehrt sich dagegen mit juristischen Mitteln. Er stellte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Landgericht Berlin.
Der Rauswurf von Kalbitz hat die Grabenkämpfe in der AfD verschärft: „Ich will nicht hoffen, dass daraus ein Zerfall der Partei wird“, sagte Gauland der Welt am Sonntag. Er hatte sich gegen die Annullierung der Mitgliedschaft von Kalbitz ausgesprochen. Gauland wirft der Vorstandsmehrheit um Meuthen vor, mit einem Trick gearbeitet zu haben, da die HDJ-Mitgliederliste des Verfassungsschutzes bisher nicht vorliege.
„Wenn man denn meint, Andreas Kalbitz sei ein Extremist und schade der Partei, muss das in einem regulären Parteiausschlussverfahren belegt werden“, sagte er. „Ich kann bei Andreas Kalbitz, seit ich ihn kenne, keinen Rechtsextremismus feststellen.“
Meuthen hofft auf „kooperative Zusammenarbeit“
AfD-Chef Meuthen äußerte die Hoffnung, bald wieder zu einer „kooperativen Zusammenarbeit“ in der Parteispitze zurückkehren zu können. „Das meiste, was wir im Vorstand beschließen, geschieht einvernehmlich oder mit großer Mehrheit“, sagte er der Saarbrücker Zeitung.
In dieser speziellen Frage gebe es grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten, so Meuthen. Der Fall Kalbitz sei aber mit dem Spruch des Bundesschiedsgerichts „innerparteilich abgeschlossen“.
Erstmals seit der Entscheidung des Bundesschiedsgerichts trifft sich die Brandenburger AfD-Landtagsfraktion am Dienstag. Kalbitz will als Parteiloser an der Spitze der Fraktion bleiben. Meuthen hatte aber betont, dies sei nicht hinnehmbar.
Kalbitz kann die Fraktion weiter führen, weil diese nach dem Rauswurf die Geschäftsordnung geändert hatte. Nach der Bestätigung durch das Schiedsgericht forderte der stellvertretende Fraktionschef Steffen Kubitzki, die Fraktion müsse über die Konsequenzen beraten, damit die Partei nicht weiter Schaden nehme.
Kalbitz war einer der Wortführer des offiziell aufgelösten „Flügels“ in der Partei um den Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Strömung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ und Höcke sowie Kalbitz als „rechtsextremistische Führungspersonen“ ein. Der Brandenburger Verfassungsschutz erklärte den AfD-Landesverband im Juni zu einem rechtsextremistischen Verdachtsfall.
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➡️ Interview Alexander Gauland in der „Welt am Sonntag“
➡️ Informationen zu Andreas Kalbitz bei wikipedia.de