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Karl Lauterbach fordert Fokus auf möglichst viele Corona-Erstimpfungen

«Wenn wir jetzt unsere Strategie wechseln (...), wird kein vierter Lockdown mehr nötig sein», sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Foto: Michael Kappeler/dpa
«Wenn wir jetzt unsere Strategie wechseln (...), wird kein vierter Lockdown mehr nötig sein», sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Foto: Michael Kappeler/dpa

Der SPD-Politiker plädiert dafür, reservierte Zweitdosen jetzt zu verimpfen und so Millionen Menschen vor schweren Verläufen zu schützen. Gesundheitsminister Spahn warnt indes: Impfen werde die dritte Welle nicht verhindern.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert einen Kurswechsel in der Corona-Impfstrategie hin zu möglichst vielen kurzfristigen Erstimpfungen.

Wenn der Abstand zur Zweitimpfung bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna von sechs auf zwölf Wochen verlängert würde, könnten bis Juli über 60 Millionen Menschen in Deutschland erstgeimpft und so gegen schwere Krankheitsverläufe geschützt sein, sagte er der Augsburger Allgemeinen.

„Wenn wir jetzt unsere Strategie wechseln und auf möglichst viele Erstimpfungen ausrichten, wird kein vierter Lockdown mehr nötig sein“, plädierte Karl Lauterbach für ein Umdenken und verwies auf Erfahrungen aus Großbritannien sowie Modellrechnungen unter seiner Beteiligung, wonach so „weit über 10.000“ Todesfälle verhindert werden könnten.

„Studienergebnisse aus Australien weisen darauf hin, dass der Schutz der mRNA-Impfstoffe auch zwischen der sechsten und der zwölften Woche nach der Impfung so stark ausgeprägt ist, dass bei einer Corona-Infektion das Risiko schwerer Verläufe mit Klinikaufenthalten oder tödlichem Ausgang extrem gering ist“, so Karl Lauterbach.

Gesellschaft für Immunologie stimmt zu

Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, stützte den Vorschlag und forderte, keine Dosen für Zweitimpfungen mehr zurückzulegen.

„Wir haben derzeit über 1,2 Millionen Dosen Biontech und eine halbe Million von Moderna auf Lager in den Gefrierschränken liegen“, sagte Carsten Watzl der Augsburger Allgemeinen. „Wir müssen jetzt aber pragmatisch sein und alles verimpfen, was geliefert wird.“

Möglich sei, dass der Schutz zwischen Woche sechs und zwölf etwas nachlasse. Doch: „Selbst wenn der Impfabstand etwas länger als sechs Wochen ist, retten wir dadurch möglicherweise mehr Menschenleben als wir schwere Erkrankungen riskieren“, so Watzl.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut hatte zunächst für das Biontech/Pfizer-Mittel einen Abstand von drei bis sechs Wochen empfohlen, für den Moderna-Impfstoff einen Abstand von vier bis sechs Wochen.

In einem Beschlussentwurf vom 1. April zu einer Aktualisierung der Empfehlungen heißt es nun: „Die Gabe der zweiten Impfstoffdosis soll für die mRNA-Impfstoffe nach sechs Wochen und für den Astrazeneca-Impfstoff nach zwölf Wochen erfolgen, da dadurch sowohl eine sehr gute individuelle Schutzwirkung als auch ein größerer Effekt der Impfung auf Bevölkerungsebene zu erzielen ist.“

Spahn warnt vor Ansteckungen

CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn warnt indes vor einer anhaltenden Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus – trotz aller Impfbemühungen.

„Impfen verhindert nicht die dritte Welle, die dritte Welle wächst“, sagte der Politiker in Berlin während eines Besuches im Impfzentrum Messe. Länder mit bereits höherer Impfquote wie Chile, Großbritannien oder die USA zeigte, dass Kontaktbeschränkungen weiter notwendig seien.

Jens Spahn nannte die Situation auf den Intensivstationen und in den Kliniken angesichts steigender Auslastungszahlen besorgniserregend. „Wir müssen diese dritte Welle miteinander brechen und Kontakte reduzieren“, sagte er. „Vor allem im privaten Bereich, in den Schulen, auf Arbeit, wo es eben geht.“

Weiterer Lockdown?

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet spricht sich derweil für einen harten und kurzen Lockdown im April aus.

Mit einem solchen „Brückenlockdown“ müsse die Zeit überbrückt werden, bis viele Menschen geimpft seien, sagte der CDU-Bundesvorsitzende nach einem Besuch des Impfzentrums der Städteregion Aachen gemeinsam mit dem Präsidenten der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx.

Vor diesem Hintergrund sprach sich Armin Laschet für ein Vorziehen der für den 12. April geplanten Runde von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder auf die kommenden Tage aus.

Die Lage erfordere es, „dass wir nochmal in vielen Bereichen nachlegen und uns Richtung Lockdown bewegen“, sagte Laschet. Er sei sich bei seiner Einschätzung mit vielen Ministerpräsidenten, der Kanzlerin und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einig. Es seien nun mehr Tempo und klare Entscheidungen notwendig.

Die Runde der Ministerpräsidenten mit Angela Merkel müsse in dieser Woche in Präsenz tagen, so Armin Laschet, der anfügt: „Wir dürfen nicht wieder eine Ministerpräsidentenkonferenz erleben wie beim letzten Mal. Mit stundenlangen Diskussionen, mit stundenlangen Auszeiten.“

Gebraucht würden weniger private Kontakte, sagte Laschet mit Blick auf seine Forderung nach einem „Brücken-Lockdown“. Das könnten auch Ausgangsbeschränkungen in den Abend- und Nachtstunden bedeuten. Diese seien ein effektives Mittel, um Kontakte im privaten Raum zu reduzieren. Zudem müsse man sich auf das Notwendige bei Kitas- und Schulen fokussieren – bei gleichzeitiger Absicherung durch flächendeckende und eng getaktete Tests.

Mehr müsse zudem im Bereich Homeoffice getan werden. „Es sind immer noch viel zu viele Menschen in Bewegung zum Arbeitsplatz“, sagte Laschet. In den zwei bis drei Wochen des Lockdowns müsse die Homeoffice-Offensive der Wirtschaft nochmals vorankommen. Dazu werde die Bundesregierung diese Woche nochmals mit den Wirtschaftsverbänden auch über Testungen sprechen.

Es müsse, so Armin Laschet, zudem bei der Schließung der Gastronomie bleiben, außerdem müsse es im gesamten Freizeitbereich nochmals eine Reduzierung geben.

© dpa-infocom, dpa:210405-99-88957/5

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