Politik

Heiko Maas in Israel: Freundschaftliche Kritik statt Drohungen

Außenminister Heiko Maas (l, SPD) und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Foto: Florian Gaertner/Photothek.Net/dpa
Außenminister Heiko Maas (l, SPD) und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Foto: Florian Gaertner/Photothek.Net/dpa

Dieser Israel-Besuch ist eine Gratwanderung für Außenminister Maas: Einerseits liegt ihm das besondere Verhältnis am Herzen. Andererseits sieht er die neue Regierung im Nahost-Konflikt auf einem falschen Weg. Maas versucht es mit sanftem Druck.

Bundesaußenminister Heiko Maas hat bei einem Besuch in Israel die geplante Annexion palästinensischer Gebiete als Rechtsbruch kritisiert, aber auf eine Drohung mit Konsequenzen verzichtet.

Der SPD-Politiker warb am Mittwoch in Jerusalem für eine Wiederaufnahme der vor sechs Jahren ausgesetzten direkten Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern über eine Lösung des Nahost-Konflikts.

Auf den sonst üblichen Besuch bei der palästinensischen Regierung in Ramallah verzichtet Maas unter Verweis auf die „erschwerten Bedingungen“ wegen der Corona-Pandemie. Es ist allerdings ein Gespräch per Video mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje von Jordanien aus geplant, der zweiten Station der Reise.

Die neue israelische Regierung ist am 17. Mai nach einer beispiellosen politischen Hängepartie mit drei Wahlen innerhalb eines Jahres vereidigt worden. Maas ist der erste hochrangige Regierungsvertreter aus dem Ausland, der die neue Regierung besucht. US-Außenminister Mike Pompeo war allerdings schon kurz vor der Vereidigung im Mai trotz Corona-Pandemie dort.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, betonte die Bedeutung des Besuches des deutschen Außenministers trotz der widrigen Umstände.

„Er spiegelt die Tiefe und Bedeutung der deutsch-israelischen Beziehungen für beide Länder wider“, sagte Issacharoff der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin sicher, dass dieser Dialog unsere bilateralen Beziehungen und unser Verständnis für die vor uns liegenden Herausforderungen weiter stärken wird.“

Moderatorenrolle für Deutschland

Israels erst vor drei Wochen vereidigte neue Regierung will auf Grundlage eines Nahost-Plans von US-Präsident Donald Trump bis zu 30 Prozent des besetzten palästinensischen Westjordanlands annektieren. Die ersten Schritte könnten am 1. Juli eingeleitet werden. Am selben Tag übernimmt Deutschland die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union und den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Annexionspläne sind international hoch umstritten.

Die Bundesregierung hat damit eine wichtige Moderatorenrolle bei der Frage, ob die EU mit Sanktionen auf eine Annexion der Gebiete durch Israel reagieren soll. Bei einer Videokonferenz der Außenminister im Mai gab es dazu unterschiedliche Meinungen. Die nächsten Beratungen auf dieser Ebene sind für kommenden Montag geplant.

Maas sagte dazu: „Ich halte überhaupt nichts davon, in Zeiten, in denen Entscheidungen überhaupt noch nicht getroffen sind, mit Drohungen Politik zu machen.“ In seinem Gespräch mit Außenminister Gabi Aschkenasi habe er „überhaupt keine Preisschilder aufgestellt“. Er habe aber die „ehrlichen und ernsthaften Sorgen“ Deutschlands dargelegt.

Maas machte auch noch einmal die rechtliche Position der Bundesregierung deutlich: „Gemeinsam mit der Europäischen Union sind wir der Ansicht, dass eine Annexion nicht mit internationalem Recht vereinbar wäre.“ Aschkenasi versicherte, seine Regierung werde den Trump-Plan auf verantwortungsvolle Weise umsetzen. Er nannte die umstrittene Initiative einen „wichtigen Meilenstein für die Region“.

Maas traf in Jerusalem und Tel Aviv auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Benny Gantz. Netanjahu erläuterte Maas den Trump-Plan und sagte anschließend, zu den „grundlegenden Interessen“ Israels zähle die Notwendigkeit einer „vollen Sicherheitskontrolle westlich des Jordans“, also auch in den palästinensischen Gebieten. Man werde keine israelischen Siedlungen räumen.

Siedler-Gesetz in Israel gekippt

Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat – mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Israel sieht in seiner Siedlungspolitik anders als die EU keinen Rechtsbruch.

Israels Oberstes Gericht kippte am Dienstag aber ein umstrittenes Siedler-Gesetz. Es beeinträchtige die Rechte der palästinensischen Bevölkerung und sei nicht verfassungsgemäß, teilte das Gericht mit.

Das israelische Parlament hatte das Gesetz 2017 verabschiedet, es wurde aber kurz darauf auf Eis gelegt. Das Gesetz sah die rückwirkende Legalisierung von Tausenden Siedlerwohnungen im besetzten Westjordanland vor. Mehrere Länder, darunter Deutschland, hatten es damals verurteilt.

Maas und Aschkenasi unterzeichneten auch eine Vereinbarung, wonach die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem aus Deutschland bis 2031 weiter mit einer Million Euro pro Jahr finanziell unterstützt werden soll. Das Geld wird vor allem für die Digitalisierung von Dokumenten und für pädagogische Arbeit eingesetzt. Maas betonte, es sei nötig, neue Wege zu gehen: Die Generation der Zeitzeugen wird bald nicht mehr direkt von ihren Erlebnissen berichten können.“

Am Tag vor dem Ministerbesuch telefonierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin. Zu genauen Inhalten wurde nichts bekannt. Rivlin twitterte lediglich, dass es neben einem wegen Corona ausgefallenen Besuch Steinmeiers in Israel auch um „Themen auf der regionalen Agenda“ ging.

Maas schwebt Rolle eines „ehrlichen Maklers“ vor

Die Palästinensischen Gebiete besuchte Maas anders als sonst üblich diesmal nicht. Begründet wurde das mit der Corona-Pandemie. Die palästinensischen Regierung machte die israelischen Behörden für das verkürzte Besuchsprogramm verantwortlich.

„Das ist kein gutes Zeichen“, sagte der palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje. Israel sollte Heiko Maas „nicht seine politische Agenda diktieren“.

Statt eines persönlichen Treffens kamen Schtaje und Maas zu einer Videokonferenz zusammen, an der Maas vom jordanischen Amman aus teilnahm, der zweiten Station seiner Reise.

Der deutsche Außenminister zeigte sich anschließend bereit, während der EU-Ratspräsidentschaft eine stärkere Rolle bei der Lösung des Nahost-Konflikts einzunehmen.

„Wir werden ganz sicher eine Vermittlerrolle spielen, aber vor allen Dingen erst einmal innerhalb der Europäischen Union und innerhalb des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“, sagte Maas.

Es werde schon „schwer genug werden“, dort die unterschiedlichen Interessen zusammen zu bringen. Ihm schwebe in diesen Gremien die Rolle eines „ehrlichen Maklers“ vor. Er könne sich aber auch vorstellen, hilfreich zu sein, wenn es darum gehe, Israel und die Palästinenser wieder an einen Tisch zu bringen.

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