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Kanzlerkandidat Laschet räumt Fehler in eigenem Buch ein

Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: -/WDR/dpa
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: -/WDR/dpa

Es ist noch nicht lange her, als Plagiats-Vorwürfe auf Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock niederprasselten. Nun kommen urheberrechtliche Zweifel auch bei einem Buch von Armin Laschet auf.

Düsseldorf/Nürnberg (dpa) – Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl hat Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) Fehler in seinem Buch „Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance“ aus dem Jahr 2009 eingeräumt und dafür um Entschuldigung gebeten.

Zuvor war auf Twitter eine Gegenüberstellung des Plagiatsprüfers Martin Heidingsfelder veröffentlicht worden, die auf auffallende Ähnlichkeiten zwischen einer Passage des Laschet-Buchs und einem anderen Text hinweist.

„Mindestens ein Urheber des im Buch verwendeten Materials wird weder im Fließtext noch im Quellenverzeichnis genannt“, räumte Laschet am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur ein. „Dafür möchte ich ausdrücklich um Entschuldigung bitten, denn sorgfältiges Arbeiten beim Verfassen von Werken und die Achtung des Urheberrechts sind für mich auch eine Frage des Respekts vor anderen Autoren. Um zu klären, ob es weitere Fehler gibt, werde ich unverzüglich die Prüfung des Buchs veranlassen.“

Die Scherereien treffen Laschet zu einem sensiblen Zeitpunkt. Zwar liegt die CDU/CSU in Umfragen mit zuletzt 26 bis 30 Prozent weiterhin unangefochten auf Platz eins. Laschet selbst jedoch kämpft mit sinkenden Zustimmungswerten als potenzieller Bundeskanzler. In zwei aktuellen Umfragen wurde er gerade erst vom SPD-Anwärter Olaf Scholz überrundet, auch wenn dessen Partei erst hinter den Grünen auf dem dritten Platz liegt.

Das dürfte nicht zuletzt mit dem unglücklichen Agieren Laschets während der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands zusammenhängen, die auch Nordrhein-Westfalen traf. Er geriet in die Kritik, als er bei einem gemeinsamen Besuch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Erftstadt scherzte und lachte, während Steinmeier an jene erinnerte, die in der Flut vieles verloren haben.

CSU-Chef Markus Söder, mit dem Laschet heftig um die Unions-Kanzlerkandidatur gerungen hatte, lässt derweil immer wieder öffentliche Manöverkritik zum Wahlkampf hören. Gerade erst verlangte er im „Spiegel“ von Laschet mehr inhaltliche Aktivität und eine klarere Besetzung von Zukunftsthemen, damit die Union nach der Wahl nicht in der Opposition lande. Das Umfragehoch der Union der vergangenen Wochen sei vorwiegend durch Fehler der anderen Parteien entstanden.

Nun kommt die fragwürdige Passage in Laschets Buch hinzu, die Karsten Weitzenegger in der Nacht zum Freitag auf Twitter öffentlich machte. Heidingsfelder bestätigte der dpa, dass die Gegenüberstellung von ihm stammt. Am Abend äußerte sich dann der betroffene Weitzenegger entspannt: „Es handelt sich inhaltlich eher um Allgemeinwissen. Ich strenge dafür keinen Urheberrechtsprozess an“, sagte er der dpa auf Anfrage. Bei der infrage stehenden Veröffentlichung handele es sich um einen Beitrag, den er im Juli 2008 bei einem soziologischen Migrationskongress in Bielefeld eingebracht habe, berichtete Weitzenegger.

Bei Weitzenegger heißt es dort: „Brain Gain ist für Herkunftsländer vor allem dann möglich, wenn qualifizierte Arbeitskräfte nicht dauerhaft abwandern, sondern temporär in einem anderen Land Erfahrungen sammeln, die dann bei der Rückkehr eingesetzt werden können.“

Laschet wiederum schreibt in seinem Buch: „Brain-Gain durch Migration ist auch für die Herkunftsländer möglich, dann nämlich, wenn qualifizierte Arbeitskräfte nicht dauerhaft abwandern, sondern in einem anderen Land Erfahrungen sammeln und danach in ihr Heimatland zurückkehren.“ Auch ein kurz danach folgender Satz liest sich in der Gegenüberstellung ähnlich.

Das erinnert an die Kontroverse um das Buch von Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“. In ihrem Fall machte der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber in einer Reihe von Fällen sprachliche Ähnlichkeiten zu anderen Texten publik – bei Laschet ist bislang indes nur eine auffällige Passage bekannt.

Und: Der NRW-Regierungschef reagierte deutlich entschiedener als die grüne Konkurrenz. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hatte die Vorwürfe gegen Baerbock als „Rufmord“ bezeichnet und den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zurückgewiesen. Später erst kündigte der Verlag an, Baerbocks Werk im Falle einer möglichen nächsten Auflage im E-Book um „zusätzliche Quellenangaben“ zu ergänzen.

Laschet verbreitete per Twitter am Freitag sogar einen Link zu einer Online-Version seines mittlerweile vergriffenen Buchs. In seinem etwa 300 Seiten starken Werk forderte der heutige NRW-Ministerpräsident und damalige Integrationsminister 2009 eine „dritte deutsche Einheit“: Nach der Eingliederung der Vertriebenen und der Wiedervereinigung stehe jetzt die Integration der Zuwanderer an.

Es ist nicht das erste Mal, dass Laschet (60) durch Ungenauigkeiten auffällt. So gab es 2015 Klärungsbedarf mit dem Finanzamt. Der heutige NRW-Ministerpräsident saß damals in Düsseldorf noch auf der Oppositionsbank und wollte Hannelore Kraft (SPD) 2017 als Regierungschef ablösen. Doch 2015 kam ans Licht, dass steuerlich beim Honorar für sein nun wieder in den Fokus geratenes Buch nicht alles korrekt gelaufen war.

Sein Buchhonorar von 4000 Euro hatte Laschet an das Integrationsprojekt „Coach e.V.“ gespendet. Den Bucherlös versteuerte er nicht als Einnahme, setzte die Spende aber dennoch von der Steuer ab. Nachdem sich der CDU-Politiker zu den Vorwürfen zunächst nicht geäußert hatte, wuchs der Druck auf den Landesparteichef. In einer schriftlichen Erklärung gab Laschet den Fehler dann zu. Da hatten sich aber die Wogen in seiner „Noten-Affäre“ noch nicht einmal richtig geglättet.

Sogar der Wissenschaftsausschuss des Landtags befasste sich im Sommer 2015 mit der Panne um verschwundene Klausuren. Laschet hatte als Lehrbeauftragter der RWTH Aachen Studenten mit Hilfe von persönlichen – dann nach seiner Darstellung später entsorgten – Notizen nachträglich Noten vergeben. Denn die Klausuren waren vorher dubioserweise verschwunden. Es bekamen dann aber am Ende mehr Studierende eine Note als mitgeschrieben hatten. Die Noten wurden annulliert.

Auf Twitter war die Kontroverse um Laschets Buch mit dem Hashtag #Laschetschreibtab zwar eines der Topthemen am Freitag, die politischen Reaktionen fielen aber insgesamt verhalten aus. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte im „Spiegel“ erwartungsfroh: „Ich bin gespannt, was da bei Laschet nach seiner Entschuldigung noch alles kommt.“ CDU-Parteikollege Friedrich Merz zollte Laschet Respekt für die prompte Entschuldigung und die Transparenz.

Aus der SPD-Landtagsfraktion in NRW wurde die Landesregierung per Kleiner Anfrage des Abgeordneten Alexander Vogt zur Auskunft aufgefordert, ob und inwieweit Mitarbeiter der Düsseldorfer Staatskanzlei in die Kommunikation rund um die aktuellen Vorwürfe involviert waren und womöglich an der angekündigten Prüfung des Buches auf weitere „Fehler“ beteiligt sind.

© dpa-infocom, dpa:210730-99-617700/9

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