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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Nach einem russischen Raketeneinschlag in einem belebten Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk wird befürchtet, dass zahlreiche Zivilisten getötet oder verletzt wurden. Foto: Viacheslav Priadko/AP/dpa
Nach einem russischen Raketeneinschlag in einem belebten Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk wird befürchtet, dass zahlreiche Zivilisten getötet oder verletzt wurden. Foto: Viacheslav Priadko/AP/dpa

Russland schlägt nach dem Angriff auf ein ukrainisches Einkaufszentrum massive Kritik entgegen. Kiew bittet erneut mit Nachdruck um moderne Luftabwehr-Technik. Die Entwicklungen im Überblick.

Kiew/Elmau (dpa) – Russland steht nach dem Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der Ostukraine mit mindestens 18 Todesopfern international am Pranger.

So sprachen die Teilnehmer des G7-Gipfels im bayerischen Elmau von einem Kriegsverbrechen und drohten Kremlchef Wladimir Putin mit Konsequenzen. Präsident Wolodymyr Selenskyj bat nachdrücklich um moderne Luftabwehr-Systeme. Derweil stellte die Ratingagentur Moody’s wegen nicht beglichener Schulden bei internationalen Investoren einen Zahlungsausfall Russlands fest.

Am frühen Dienstagmorgen wurden Explosionen in der Stadt Mykolajiw gemeldet, wie Bürgermeister Olexander Senkewitsch im Nachrichtendienst Telegram schrieb. Über Schäden und Opfer wurde noch nichts bekannt. Er rief die Einwohner auf, sichere Orte aufzusuchen.

Brand zerstört Einkaufszentrum nach Raketeneinschlag

In dem Einkaufszentrum in der Stadt Krementschuk hielten sich Selenskyj zufolge mehr als 1000 Menschen auf. Nach dem Raketeneinschlag wurde das Gebäude von Flammen erfasst und brannte weitgehend aus. Auf Videos war zu sehen, dass hauptsächlich nur Betonpfeiler und Metallkonstruktionen stehen blieben. Die Zahl der bestätigten Toten stieg laut dem Gouverneur des Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, bis Dienstagmorgen auf 18 an. Rund 60 Menschen seien verletzt worden, davon die Hälfte schwer, teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft mit. Sie berichtete auch von mehr als 40 Vermisstenmeldungen. Nach Angaben des staatlichen Rettungsdienstes sollen die Aufräumarbeiten am Dienstag weitergehen. Dazu solle auch schweres Gerät eingesetzt werden.

Mehr als die Hälfte der Trümmer in Krementschuk sind laut Angaben des Gouverneurs des Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, inzwischen geräumt. Zudem wurde eine dreitägige Trauer ausgerufen. Die Staatsanwaltschaft nahm unterdessen Ermittlungen wegen eines möglichen russischen Kriegsverbrechens auf. Nach Angaben des Bürgermeisters von Krementschuk, Witalij Malezkyj, wird zudem gegen das Management des Zentrums ermittelt. Dieses habe angeordnet, den Luftalarm zu ignorieren – weswegen das Gebäude nicht geräumt worden sei.

Russische Truppen stürmen Siedlung bei Lyssytschansk

Im Osten der Ukraine gehen nach Angaben aus Kiew die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk weiter. Der Feind stürme die Siedlung Wowtschojariwka südwestlich der Stadt, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstagmorgen in seinem Lagebericht mit. Russische Einheiten stehen im Süden bereits am Stadtrand. Gekämpft werde zudem an einer Ölraffinerie.

Lyssytschank ist die letzte große Stadt in der Region unter ukrainischer Kontrolle. Dort sollen noch mehrere Tausend ukrainische Soldaten stationiert sein. Nach ukrainischen Angaben haben russische Truppen neben dem Einsatz von Mörsern und Artillerie auch Luftangriffe in Richtung der Stadt geflogen.

Selenskyj bekräftigt Bitte um Luftabwehr-Systeme

Der Präsident erinnerte daran, dass die Ukraine bereits vor dem Krieg und direkt nach der russischen Invasion um Luftabwehr-Systeme gebeten habe. „Die Leute im Einkaufszentrum in Krementschuk verdienten die gleiche Sicherheit wie Leute in jedem Einkaufszentrum der Welt, ob irgendwo in Philadelphia oder Tel Aviv, oder in einer Einkaufspassage in Dresden“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

Selenskyj: Russland „größte Terrororganisation der Welt“

Selenskyj bezeichnete Russland nach dem Angriff als „größte Terrororganisation der Welt“. Das müsse auch rechtlich festgestellt werden. „Und jeder auf der Welt muss wissen, dass es bedeutet, Terroristen Geld zu geben, wenn man russisches Öl kauft oder transportiert, Kontakte mit russischen Banken unterhält oder dem russischen Staat Steuern oder Zollabgaben zahlt“, sagte Selenskyj.

G7: Putin wird Rechenschaft ablegen müssen

„Willkürliche Angriffe auf unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Der russische Präsident Putin und die Verantwortlichen werden dafür Rechenschaft ablegen müssen“, stellten die Teilnehmer des G7-Gipfels am Montagabend fest. „Der Angriff Russlands auf Zivilisten in einem Einkaufszentrum ist grausam“, schrieb US-Präsident Joe Biden bei Twitter. „Dieser entsetzliche Angriff zeigt erneut, zu welchem Ausmaß an Grausamkeit und Barbarei der russische Staatschef fähig ist“, sagte der britische Premierminister Boris Johnson am Rande des G7-Gipfels.

Russischer UN-Diplomat spricht von „Provokation“

Der stellvertretende UN-Botschafter Russlands, Dmitri Poljanski, sprach im Zusammenhang mit dem Angriff von einer „neuen ukrainischen Provokation im Stil von Butscha“. Moskau hat die vielfach dokumentierten Tötungen ukrainischer Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha durch russische Truppen stets als angebliche Inszenierung abgetan. Zu Krementschuk behauptete Poljanski bei Twitter ohne nähere Erläuterung, es gebe „zu viele auffällige Unstimmigkeiten“.

Acht Menschen in Schlange für Trinkwasser getötet

In einer Schlange vor einem Tankwagen mit Trinkwasser in der ukrainischen Stadt Lyssytschansk wurden bei einem russischen Raketenangriff nach Behördenangaben acht Menschen getötet. Weitere 21 seien verletzt worden, schrieb der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, beim Nachrichtendienst Telegram. Lyssytschank ist die letzte große Stadt in der Region unter ukrainischer Kontrolle. In der Stadt Charkiw wurden nach Angaben des regionalen ukrainischen Befehlshabers Oleg Sinegubow bei russischem Beschuss 5 Zivilisten getötet und 22 weitere verletzt. Unter den Verletzten seien fünf Kinder, schrieb Sinegubow bei Telegram.

Medwedew: Krim ist für immer ein Teil Russlands

Der frühere russische Präsident und heutige Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, bekräftigte den russischen Anspruch auf die annektierte Halbinsel Krim. „Für uns ist die Krim ein Teil Russlands. Und das ist für immer“, sagte Medwedew der Zeitung „Argumenty i Fakty“. Jeder Versuch, die Krim Russland streitig zu machen sei „eine Kriegserklärung an unser Land“. Und wenn darin ein Nato-Land involviert wäre: „Dritter Weltkrieg. Totale Katastrophe.“ Die zur Ukraine gehörende Krim wurde von Russland 2014 besetzt. Die Annexion wird international nicht anerkannt.

Ukraine erhält mehr als 40 Leichen gefallener Soldaten

Die Ukraine erhielt nach eigenen Angaben erneut Leichen gefallener Soldaten aus den eigenen Reihen von Russland. „Die Ukraine hat die Körper von 46 heldenhaften Verteidigern für ihre würdige Bestattung zurückgeholt“, teilte das Ministerium für Reintegration in Kiew am Dienstag mit. 21 der Leichen seien von Verteidigern des Stahlwerks Azovstal aus dem von russischen Truppen eroberten Mariupol in der Ostukraine.

© dpa-infocom, dpa:220628-99-825703/8

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