Umwelt Wirtschaft

Deutschland soll Wasserstoff-Land werden

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wirbt für Wasserstoff. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa Pool/dpa
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wirbt für Wasserstoff. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa Pool/dpa

Wenn es um die Energie der Zukunft geht, fällt immer das Zauberwort Wasserstoff. Er soll die Wirtschaft am Laufen halten und zugleich das Klima schützen. Nun hat Deutschland dafür eine Strategie. Worum es geht – und warum das Thema so wichtig, aber auch so umkämpft ist.

Bis 2050 soll Deutschland „klimaneutral“ sein, ein Schlüssel soll dabei Wasserstoff werden: Mit einem Plan den Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Umweltministerin Svenja Schulze sowie Forschungsministerin Anja Karliczek, Verkehrsminister Andreas Scheuer und Entwicklungsminister Gerd Müller gemeinsam vorstellten, soll die deutsche Wirtschaft eine Vorreiter-Rolle einnehmen.

Klimaneutral bis 2050 – das klingt nach ferner Zukunft. Aber wenn in 30 Jahren wirklich Fabriken produzieren, Autos und Lkw fahren, Flugzeuge fliegen und Heizungen laufen sollen, ohne dass zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, dann ist dafür ein kaum vorstellbarer Wandel notwendig – und zwar zügig.

Es reicht nicht, Kohlekraft durch Windräder und Solaranlagen zu ersetzen oder E-Autos auf die Straße zu bringen. Experten sind einig, dass es ohne eine Technologie nicht geht: Wasserstoff als Energieträger. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett deswegen eine Wasserstoffstrategie für Deutschland.

Dass diese Strategie mehr als ein halbes Jahr später kommt als geplant, ist eigentlich kein Wunder: Es geht nicht nur um sehr viel Geld, sondern so ziemlich jeder Wirtschaftszweig will ein Stück vom Kuchen abhaben. Dazu kommt, dass Energie auf Wasserstoff-Basis den Klimaschutz voranbringen kann – aber nicht muss. Und dass Deutschland alleine bei dem Thema nicht sehr weit kommen kann. Der Reihe nach.

Wie Wasserstoff das Klima retten soll

Wenn weniger Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen soll, muss weniger Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt werden. Nicht immer kann Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse fossile Brennstoffe so direkt ersetzen, wie wenn ein E-Auto mit Strom statt mit Sprit fährt.

Hier kommt Wasserstoff ins Spiel. Die technischen Details sind eher etwas für Chemie-Interessierte: Wasserstoff entsteht zum Beispiel durch Elektrolyse von Wasser, das in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Dafür braucht es elektrischen Strom.

Wasserstoff kann Brennstoffzellen betreiben, etwa für Lastwagen. Aus Wasserstoff können gasförmige und flüssige Kraft- und Brennstoffe gemacht werden. Man spricht dabei oft von Power-to-X: Aus Strom, Power, entsteht etwas anderes, X.

Und er speichert Energie, was wichtig ist, wenn der Strom komplett aus Erneuerbaren kommen soll. Im Gegensatz zu Ladevorgängen für Batterien kann er – wie Benzin oder Diesel – direkt in einen Tank gefüllt werden.

Grün, grau, blau: Warum nicht jeder Wasserstoff dem Klima hilft

Je nachdem, aus was Wasserstoff gewonnen wird und woher der Strom kommt, gibt es unterschiedliche Namen:

Grüner Wasserstoff entsteht mit erneuerbaren Energien aus Wasser und ist der Liebling der Klimaschützer.

Grauer Wasserstoff dagegen wird aus fossiler Energie hergestellt, etwa aus Erdgas. Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2 – kein guter Deal für das Klima.

Blauer Wasserstoff wird das Element genannt, wenn das CO2 gespeichert wird, also nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Methoden dafür sind umstritten.

Türkiser Wasserstoff wird aus Methan gewonnen.

Was die Bundesregierung plant

Der Bund hat schon viele Hundert Millionen Euro in die Forschung zum Wasserstoff in Deutschland gesteckt, weitere, milliardenschwere Förderprogramme laufen.

Im großen Konjunkturpaket gegen die Corona-Krise sind weitere 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien vorgesehen und 2 Milliarden für internationale Partnerschaften.

Denn es wird längerfristig so viel Wasserstoff gebraucht, dass Deutschland den nicht alleine produzieren kann – allein schon wegen der enormen Strommengen, die dafür notwendig sind.

Bis 2030 sollen in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung entstehen, heißt es in der Strategie, samt der dafür notwendigen zusätzlichen Ökostrom-Anlagen, vor allem Windräder auf See.

Das soll etwa ein Siebtel des erwarteten Bedarfs decken. Der Rest muss importiert werden. Die SPD, aber auch das CDU-geführte Forschungsministerium wollten doppelt so viel Kapazität.

Umstritten war auch, welche Rolle nicht-grüner Wasserstoff spielen soll. In der Strategie heißt es nun, dass nur grüner Wasserstoff „auf Dauer nachhaltig“ sei – aber auf dem weltweiten und europäischen Markt auch blauer oder türkiser Wasserstoff gehandelt werde, der daher auch in Deutschland „eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt“ werde.

Ziel ist es, neben der Förderung von Investitionen auch einen Markt für Wasserstoff zu schaffen, damit Unternehmen überhaupt im großen Stil auf Wasserstoff-Produktion setzen. Denn bisher ist oft die Rede von einem „Henne-Ei-Problem“: Es ist nicht genug Wasserstoff da, um ihn anzuwenden – und es gibt nicht genug Nachfrage, um in die Produktion einzusteigen.

Im Gespräch ist unter anderem eine Quote für Kerosin, also Flugzeug-Treibstoff, in Höhe von mindestens zwei Prozent für das Jahr 2030, oder eine Quote für klimafreundlichen Stahl. Beschlossen ist das aber nicht. Die Produktion von grünem Wasserstoff soll zudem über eine Befreiung von der Ökostrom-Umlage gefördert werden, die Bürger mit der Stromrechnung zahlen.

Wofür der Wasserstoff verwendet werden soll

Klar ist, dass etwa die Stahl-, Chemie- und Zementbranche ihn braucht, um CO2-Emissionen zu drücken. Auch „Teile des Wärmemarkts“ hat die Regierung „im Blick“, wie es in der Strategie heißt.

Und wie sieht es beim „Klimaschutz-Sorgenkind“ Verkehr aus? „Sowohl im Luft- als auch im Seeverkehr sind für die Dekarbonisierung klimaneutrale synthetische Kraftstoffe erforderlich“, heißt es in der Strategie. Das bezweifelt keiner, auch Brennstoffzellen in Bussen, Zügen und Lkw sind ziemlich unstrittig.

Der Satz „Auch in bestimmten Bereichen bei PKWs kann der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein“, kommt dagegen bei Umweltschützern eher schlecht an: Sie werfen der Branche vor, nicht auf batterieelektrische Fahrzeuge umsteigen zu wollen, in denen Strom effizienter genutzt wird als über der Wasserstoff-Umweg.

weiterführende Informationen:
➡️ Nationale Wasserstoff-Strategie auf der BMWI-Homepage
➡️ Pressemeldung Umweltministerium mit Zitaten der Minister
➡️ „Farbenlehre Wasserstoff“ des Forschungsministeriums
➡️ Umweltbundesamt zu E-Mobilität und Wasserstoff im Verkehr
➡️ Dossier des Wirtschaftsministeriums zum Thema Wasserstoff

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