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Regierung ringt um weitere Entlastung beim Tanken und Heizen

Die Heizkosten explodieren dieser Tage. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Die Heizkosten explodieren dieser Tage. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

So kann es nicht weitergehen – das ist allen klar. Die hohen Kosten beim Tanken und Heizen sollen abgefedert werden. Doch über das Wie ist sich die Ampel-Regierung kaum einig.

Berlin (dpa) – Die Bundesregierung ringt angesichts der explodierenden Preise weiter um eine Entlastung der Bürger beim Tanken und Heizen. Eine neunköpfige Kommission mit Vertretern der Ampel-Fraktionen soll die Vorstellungen von SPD, Grünen und FDP nun vereinen.

SPD-Vizechefin Anke Rehlinger drängte am Dienstag auf eine schnelle Entscheidung. „Der Bund sollte noch in dieser Woche ein konkretes Signal an die Bürger senden, dass sie bei den steigenden Preisen für Heizen und Tanken entlastet werden“, sagte die saarländische Wirtschaftsministerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schlug vor, die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag zu einem Energie-Gipfel auszuweiten. „Wir müssen die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine für Autofahrer, Privathaushalte und Unternehmen in Deutschland abmildern“, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk. Hans sprach sich erneut für eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Sprit und Heizöl aus. Rehlinger, die Mitglied der Regierungskommission ist, nannte dagegen einen Tankzuschuss, einen höheren Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher, Auszubildende und Studierende sowie eine höhere Pauschale für Grundsicherungsempfänger.

Zuschuss an der Tankstelle

Finanzminister Christian Lindner hatte den befristeten staatlichen Zuschuss ins Spiel gebracht. Er will den Spritpreis damit auf unter zwei Euro pro Liter Diesel oder Benzin drücken. Die konkrete Ausgestaltung ist offen. In der „Rheinischen Post“ rechnete der FDP-Politiker vor, 40 Cent Entlastung pro Liter für drei Monate würden den Staat 6,6 Milliarden Euro kosten.

Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland halten einen solchen Zuschuss einer Umfrage des Instituts YouGov zufolge für angemessen. Denn trotz sinkender Ölpreise sind die Spritpreise in Deutschland auf Rekordniveau. Während Rohöl fast wieder auf das Preisniveau vor Beginn des Ukraine-Kriegs zurückgekehrt ist, bleibt Superbenzin rund 45 Cent teurer und Diesel sogar rund 64 Cent.

Der große Reibach?

„Mein Eindruck ist, dass ein paar Ölmultis gerade den großen Reibach machen“, schrieb der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) auf Twitter. Auch beim ADAC sieht man die ungewöhnliche Diskrepanz zwischen Ölpreis und Spritpreis. „Trotz aller kriegsbedingter Sondereffekte und Erklärungen für die hohen Spritpreise – irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen“, sagte Kraftstoff-Experte Jürgen Albrecht.

Die SPD-Fraktion im Bundestag ist daher von Lindners Vorschlag wenig begeistert. „Die Wurzel allen Übels ist aktuell eine enorme Spekulationsblase im Markt“, sagte Fraktionsvizechef Detlef Müller der „Rheinischen Post“. Alle Entlastungsinstrumente müssten daran gemessen werden, diese Spekulation nicht weiter anzuheizen und „nicht noch den Spekulanten staatliches Geld hinterher zu werfen“. Beim Tankzuschuss sehe er dieses Risiko, sagte Müller. Er brachte Preisdeckel und Gewinnabschöpfungen ins Spiel. Die oppositionelle Unionsfraktion fürchtet viel Bürokratie für die Tankstellenbetreiber und befürwortet eine Senkung der Energie- und Mehrwertsteuer. Die Linke forderte billigere Tickets für Bus und Bahn.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung lehnt Lindners Vorschlag ab. „Statt reichen SUV-Fahrern die Tankfüllung zu bezahlen, sollten wir besser ein Mobilitätsgeld für ökologisch ausgerichtete Mobilität an wirklich Bedürftige zahlen“, sagte Energieexpertin Claudia Kemfert der „Rheinischen Post“. Ein Tankrabatt sei ökonomisch und ökologisch unsinnig, teuer und sozial ungerecht.

Hilfen beim Heizen

Vor allem SPD und Grünen reichen Entlastungen beim Benzinpreis nicht aus. Sie wollen auch bei den Heizkosten ansetzen. Die Wohnungspolitiker der Ampel-Fraktionen sind sich einig, dass der geplante Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte aufgestockt werden soll. Die Summe war am Dienstagnachmittag offen.

Am Donnerstag soll der Zuschuss im Parlament beschlossen werden. Ursprünglich war geplant, dass Wohngeldbezieher, die alleine leben, im Sommer einmalig 135 Euro bekommen, Zwei-Personen-Haushalte 175 Euro. Studenten, Auszubildende und andere Berechtigte sollten pauschal 115 Euro erhalten. Diese Hilfen waren jedoch vor dem Ukraine-Krieg berechnet worden. Seitdem haben die Heizkosten noch einmal deutlich angezogen.

Die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, bezeichnete den Heizkostenzuschuss als zentral. Die Gaspreise zeigten, wie teuer Wohnen gerade in schlecht sanierten Gebäuden sei. „Alle Maßnahmen in einem Entlastungspaket werden darauf ausgerichtet sein müssen, dass sie nachhaltig sind, dass sie sozial sind und dass sie ihre ökologische Wirksamkeit haben.“

Zuschläge für Einkommensschwache

Im Gespräch ist auch eine höhere Pauschale für Leistungsempfänger. In einem ersten Entlastungspaket hatte die Koalition für sie einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro beschlossen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Summe nicht für bedarfsgerecht. Auch der geplante Kindersofortzuschlag von 20 Euro reiche nicht aus. „Wer heute in einen Supermarkt geht, wird schnell merken, wie schnell er mit 20 Euro an seine Grenzen stößt“, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

© dpa-infocom, dpa:220315-99-526845/6


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